Back to Beck

129 6 2
                                    

Doch das Klopfen wurde lauter als zuvor wiederholt. Ich seufzte.
„Moment!", rief ich, um Zeit zu gewinnen. Dann erhob ich mich und begab mich zu dem ungebetenen Gast hinter der Tür.
„Was ist... Smudo! Was machst du hier? Solltest du nicht schon unten sein? Wie siehst du denn überhaupt aus?", fragte ich verwirrt, während Smudo sich schon an mir vorbei in das Zimmer schob.
„Fliege, ja, darauf hätte ich auch kommen können...", murmelte er mit Blick auf meinen Hals. Ich sah ihn fragend an.
„Ich, ähm... das ist mir schon ein bisschen peinlich, weißt du. Aber sonst hat meine Freundin mir immer die Krawatte gebunden und weil ich es nie selbst machen musste, kann ich es nicht. Und da dachte ich, dass ich vielleicht Uli frage, ob sie...", stammelte er. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
„Denkst du wirklich, ich kann mir selbst keine Krawatte binden? Smu, also wirklich. Ich dachte, du kennst mich besser. Uli ist noch im Bad, ich kann dir auch helfen bei deinem kleinen Problem", meinte ich lachend. „Komm mit ans Fenster, da ist mehr Licht. Ach halt, so geht's auch", sagte ich und schnappte mir die beiden Enden von seinem Schlips. Wie in einem schlechten Film zog ich ihn daran hinter mir her. Mir gefiel die Situation und ich schaute ihm dabei tief in die Augen, die mich mit ihrer intensiven blauen Farbe schon immer fasziniert hatten.
„Blöder Kerl!", stimmte Smudo mit in mein Lachen ein und boxte mir leicht gegen die Schulter.

„Still stehen jetzt", befahl ich und wurde wieder ernst. Smudo tat wie geheißen. Sein Blick ruhte auf mir und ich konzentrierte mich, die richtige Länge abzuschätzen und den Knoten möglichst gerade hinzubekommen. Der erste Versuch ging schief, weshalb ich den Knoten noch einmal löste.
„Ja, genau so geht's mir auch die ganze Zeit!", kommentierte Smudo meinen gescheiterten Versuch verzweifelt.
„Schhh, immer mit der Ruhe. Wir schaffen das", sagte ich ruhig und schaute kurz in seine Augen, um mich zu vergewissern, dass er tatsächlich ruhig blieb. Ich trat einen Schritt näher an ihn heran, dann widmete ich mich wieder dem Stück Stoff um seinen Hals. Dieses Mal passte die Länge und auch der Knoten sah sehr gerade aus. Zufrieden betrachtete ich mein Werk, richtete Smudos Kragen und nickte.
„Gut siehst du aus", stellte ich fest. Als ich Smudo erneut in die Augen sah, bemerkte ich mit einem Mal ein Funkeln darin, was mir bisher noch nie aufgefallen war.

Ich räusperte mich und trat einen Schritt von ihm zurück, sodass wir nun wieder einen normalen Abstand zueinander hatten.
„Danke, Michi", sagte Smudo.
„Für dich immer, mein Bester", zwinkerte ich ihm zu. Smudo seufzte.
„Das musst du Miriam irgendwann mal beibringen. Sonst nerve ich dich in fünf Jahren immer noch damit", meinte er und lachte, als hätte er einen Witz gemacht.
„Miriam? Wer ist das denn?", überlegte ich laut. „Ach! Doch nicht etwa die Kleine aus der Bar neulich?", fiel es mir wieder ein, woher ich den Namen kannte. Smudo lächelte mich verlegen an.
„Doch, genau die. Sie ist meine Plus 1 heute für die Hochzeit. Michi, sie ist der Hammer! Du musst sie unbedingt besser kennen lernen!", begann Smudo zu schwärmen. Erneut war da wieder dieses Funkeln in seinen Augen.

Also Miriam. Daher weht der Wind. Oh Gott, wenn das die ist, die ich denke, sollte er die schnell wieder loswerden... Die ging ja mal gar nicht.

„Ich werde sicher heute ganz viele Gelegenheiten dazu haben", bemühte ich mich um meine gute Laune. Ich hörte, wie Uli im Bad ihre Kosmetikutensilien wieder in ihre Tasche packte, was bedeutete, dass sie das Bad bald verlassen würde. Da wollte ich Smudo ungern hier im Zimmer haben. Deshalb legte ich meine Hand auf seinen Rücken und schob ihn neben mir her in Richtung Tür, während ich sagte: „Wir sehen uns ja dann gleich unten. Ich muss auch noch mal kurz ins Bad, weißt du..."
„Aber du siehst doch schon schick aus! Dass Uli da nicht austickt, bei der Zeit, die du im Bad verbringst... Deine Frau möchte ich haben", erwiderte er.

Kann er gern haben. Na wobei. Smudo hat was besseres verdient.

Angespannt lachend verabschiedete ich mich von ihm und schloss die Tür hinter ihm.
„Warum bist du nie so zu mir wie zu Smudo, Michi?", hörte ich Uli hinter mir fragen. Sie klang irgendwie traurig und das tat mir leid. Auch, wenn sie mir mächtig auf die Nerven ging, waren wir lange Zeit zusammen gewesen und irgendwo war sie mir immer noch wichtig.
„Ich weiß es nicht, Uli", antwortete ich wahrheitsgemäß, während ich mich zu ihr drehte. Ich atmete tief durch. „Schaffen wir das heute? Ein letztes Mal?", fragte ich unsicher.
„Ich hoffe es. Ich will Claudia und Henrik nicht die Feier verderben. Und ich will nicht, dass du sie sie ihnen verdirbst!", entgegnete sie mir und wurde beim letzten Satz lauter, was ich geflissentlich ignorierte.
Ich stellte mich vor sie, so nah, dass sie mich ansehen musste. Ich musterte ihr Gesicht. Das Gesicht, das ich einst so sehr geliebt hatte wie nichts anderes auf der Welt. Und jetzt war das Gefühl wie weggeblasen.

Noch einmal. Noch einmal Uli und Michi, dann musst du sie nie wieder den ganzen Abend ertragen und so tun, als würdest du sie noch lieben.

„Was haben wir gemacht, als wir uns noch geliebt haben?", fragte ich leise, gedankenverloren.
„Wir haben uns nie aus den Augen gelassen. Du hast deinen Arm um mich gelegt. Mit deinem Daumen über meinen Handrücken gestrichen. Wir haben uns ausreden lassen, auch wenn wir uns gegenseitig ins Wort gefallen sind", überlegte sie.
„So?", fragte ich und nahm ihre Hände in meine. Sie nickte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie schaute schnell zur Seite.

Es war sehr still in unserem Hotelzimmer.

„Es tut mir leid, Uli."
„Mir auch, Michi."
„Komm her."
Ich zog sie an mich heran und hielt sie in meinen Armen. Ihr Geruch war mir mehr als vertraut, aber ich mochte ihn nicht mehr. Wenn wir das heute beide überleben wollten, mussten wir uns beide zusammenreißen. Ich wusste, dass Uli zur Ruhe kam, wenn wir so dastanden, wie wir es gerade taten. Daran hatte sich anscheinend nichts geändert.

„Michi, hast du noch ein zweites Hemd mit?", nuschelte sie plötzlich verlegen.
„Ja, immer. Weißt du doch. Wieso?", wollte ich wissen.
„Bitte, sei nicht sauer. An deinem Hemd klebt jetzt meine Schminke", beichtete sie.
„Boar Uli! Du... Man, du machst es mir aber wirklich nicht leicht heute!", fuhr ich sie an und löste meine Arme von ihr. Ich lief vor den Spiegel, um mich zu betrachten.
„Wie ich aussehe!" Ich drehte mich zu ihr um.
„Wie du aussiehst! Total verschmiert! Meine Güte nochmal, weißt du wie spät es ist? Wir müssen schleunigst nach unten, sonst geht das ganze ohne uns los!", meckerte ich vor mich hin.

Ich wollte ruhig bleiben... Ruuuuuuuuuhig. Ganz ruuuuuhig. ABER WARUM MACHT DIESE FRAU MIR DAS SO SCHWER???

„Hast du das jetzt mit Absicht gemacht? Mein Hemd ruiniert?", schimpfte ich weiter, während ich es auszog und zum Schrank lief, in dem das gleiche Hemd noch einmal hing.
„Nein man, was denkst du eigentlich von mir? Ich muss mich jetzt nochmal schminken, verdammt! Das mach ich doch nicht mit Absicht!", regte sie sich auf und ging ins Bad. Ich folgte ihr, da der Spiegel im Bad besser beleuchtet war als der im Zimmer.
„Ja sorry, das muss jetzt halt mal gehen!", meinte ich, als ich mich neben sie stellte und sie mit den Augen rollte.

„Du machst es schon wieder", stöhnte sie genervt, während sie die verlaufene Schminke mit einem Wattepad entfernte.
„Was mach' ich?"
„Deine Haare. Sie sehen gut aus, jetzt kümmere dich lieber mal um das Hemd!", wies sie mich an.
„Bin ja schon dabei", entgegnete ich bockig und steckte das Hemd sorgsam in die Hose. „Lass mich!", sagte ich energisch, als sie wieder dazu ansetzte, etwas zu sagen, weil ich mit meiner Frisur nicht zufrieden war. Durch den Spiegel schauten wir uns ernst und mit zusammengekniffenen Augen an. Dann fingen wir beide gleichzeitig an zu lachen.
„Wir kriegen das schon hin heute", meinte ich und lächelte Uli ehrlich an. Sie lächelte zurück, das erste Mal seit Monaten.

„Uli?", rief ich, als sie gerade das Zimmer verlassen wollte.
„Was denn nun schon wieder? Wir müssen los!", erwiderte sie ungeduldig.
„Du hast was vergessen", sagte ich und nahm ihre Hand in meine.
„Was denn?"
„Deinen Ring. Es fällt auf, meinst du nicht? Du hast ihn immer getragen. Jeden Tag", erinnerte ich sie. Ihr Blick fiel auf meine Hand, an der der Ehering bereits seinen Platz gefunden hatte
„Du hast ja Recht... Dann benimm dich aber auch wie mein Ehemann", meinte sie und hielt die Hand auf, damit ich ihn ihr überließ. Aber ich hatte andere Pläne.

Wenn, dann richtig.

„Du meinst, wie dieser Kotzbrocken von Mann, mit dem du blöder Weise verheiratet bist?", murmelte ich und hielt ihre Hand in der Bewegung fest. Ich versuchte, in ihre Augen zu schauen, doch ihr Blick war auf unsere Hände gerichtet. Vorsichtig schob ich ich ihr den Ehering auf den Ringfinger.
„Nein. So wie der Mann, der mir den Ring damals aufgesetzt hat", sagte sie resigniert.

Ich schnappte mir schnell mein Sakko, bevor ich das Zimmer verließ.
„Komm, sonst verpassen wir das beste. Und Smudo verzeiht uns das nie, wenn wir noch später kommen!", sagte ich und hielt Uli instinktiv die Hand hin. Genauso instinktiv ergriff sie sie, nachdem sie schnell das Zimmer abgeschlossen hatte und den Schlüssel in ihrer Handtasche verschwinden ließ. Etwas überrascht schauten wir uns gleichzeitig an.
„Was denn, hab ich das damals etwa nicht gemacht? Als ich dich geheiratet habe?", fragte ich und zwinkerte ihr zu.
„Doch. Du hast es einfach sehr lange nicht mehr gemacht."

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt