Schöne Scheiße

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Smudo schwieg. Mein Monolog war beendet und er sagte nichts. Ich hatte mich bereits gefühlt hundertmal für Uli entschuldigt und dafür, dass ich es ihm nicht schon gestern gesagt hatte.
Es war bestimmt schon eine ganze Minute vergangen, als ich nicht anders konnte, als ihn leise zu bitten, etwas zu sagen.
„Smu...", flüsterte ich, als er immer noch nichts sagte.
Ich hörte ihn angestrengt atmen.
„Es tut mir leid, Michi, aber... mir fehlen die Worte", sagte er tonlos. Er seufzte. „Und ich glaub' dir nicht, dass du das erst seit gestern weißt. Dass Uli dir nichts davon erzählt hat, das... also das glaube ich einfach nicht. Ihr seid immer ein Team. Immer."
Ich wollte protestieren, doch Smudo ließ sich nicht unterbrechen.
„Dass du mich trotzdem so runtergeputzt hast... Ey ehrlich, Michi. Das war... hart, was du da abgezogen hast. Aber jetzt. Du glaubst doch nicht, dass ich das einfach so runterschlucke. Das kann ich nicht. Scheiße man, ich dachte, ich kenn dich. Und ich hab dir blind vertraut. Bis... bis jetzt."
Er machte eine Pause. Ich war so perplex, dass es mir die Sprache verschlagen hatte.
„Verdammt, warum habt ihr mir das angetan? Ich war endlich wieder... glücklich. Scheiße, weißt du, wie weh das tut, wenn man den einen Tag die Freundin und kurz darauf seinen besten Freund verliert?"
In meinem Hals wurde es eng, ein dicker Kloß befand sich plötzlich darin.
„Smudo, bitte! Du musst mir glauben. Ich...", versuchte ich es erneut.
„Einen Scheiß werd' ich. Du kannst mich mal", sagte er nur.
Mir wäre es lieber gewesen, er hätte mich angeschrien, aber er war die ganze Zeit ruhig geblieben. Er klang nicht mal wütend, nur enttäuscht und sehr verletzt.
„Ich hätte nie gedacht, dass du ausgerechnet zu mir so... boar mir fehlen echt die Worte! Du bist ein riesiges Arschloch, Michi", sagte Smudo.
Direkt danach hörte ich das Tuten in der Leitung.

Hat der jetzt einfach aufgelegt?

„Smu? Hallo? Smudo!", rief ich ins Telefon, bekam jedoch keine Antwort mehr.
Da ich dieses Gespräch bei weitem nicht als beendet ansah, wählte ich Smudos Nummer erneut, doch er drückte meinen Anruf weg.
„Das kann er doch nicht machen!", sagte ich ungläubig zu mir selbst. „Er kann doch nicht... Verdammt, wieso geht denn alles schief hier?", rief ich verzweifelt in die kühle Abendluft.
Tränen sammelten sich in meinen Augen, die ich unwirsch versuchte, wegzuwischen. Doch gleich danach stiegen mir neue Tränen in die Augen. Mein Herz fühlte sich an wie ein riesiger Knoten in meiner Brust.

So eine Scheiße hier! Ständig der Stress mit Uli und jetzt auch noch Smudo. Ich bin kein Arschloch! Wieso glaubt er mir denn bloß nicht? Hat er mir nicht richtig zugehört?

Ich öffnete unseren Chat auf WhatsApp und tippte eine verzweifelte Nachricht:

Ich wusste nichts von Uli, du musst
mir das glauben! Du bist doch der
letzte, den ich verletzen will. Ruf mich
bitte zurück, Smu. Bitte!

Schon, als ich die Nachricht abschickte, wusste ich, dass er mich nicht anrufen würde. Wahrscheinlich würden wir uns bei der nächsten Bandprobe wiedersehen und es wäre immer noch Beef zwischen uns.

Doch dazu kam es gar nicht. Smudo sagte die nächsten zwei geplanten Proben einfach ab. Er wäre krank und bevor er uns noch alle anstecken würde, bliebe er lieber zuhause. Thomas und Andy wünschten ihm in unserem Gruppenchat gute Besserung. Nur ich konnte mich nicht dazu überwinden, Smudo zu antworten. Das tat er ja auch nicht. Mittlerweile hatte ich ihm noch die ein oder andere unbeantwortete Nachricht geschickt, hatte ihn vergeblich angerufen und ihm vergeblich auf seine Mailbox gesprochen.

Uli fand, dass ich unausstehlich wäre. Es gäbe doch gar keinen Grund dazu. Smudo würde sich schon wieder einkriegen. Es wäre doch nicht das erste Mal, dass ich mich mit Smudo in die Wolle bekommen hätte. Sie verstand nicht, was in meinem Kopf los war, was ich dachte und was ich fühlte. Ich fühlte mich zu unrecht verurteilt. Ich stand für etwas gerade, was Uli verbockt hatte und womit ich nichts zu tun hatte. Und nun war ausgerechnet sie deshalb genervt von mir.

Mein Kopf war zum Brechen voll und gleichzeitig wie leergefegt. Ich hatte fast durchgängig das Bedürfnis, zu versuchen, Smudo zu erreichen. Bei ihm an der Wohnungstür zu klingeln, war leider sinnlos, da er viele Termine hatte und dadurch in den letzten Wochen nur selten zu Hause war.
Doch nach jeder Nachricht, die er nicht las und jedem Anruf, den er nicht entgegennahm, fühlte ich mich wieder schlechter. Es tat mir weh, dass er mich so ignorierte. Ich verstand, dass er sauer gewesen war, als ich ihm von Ulis Aktion erzählt hatte. Aber dass er mir fast einen Monat später immer noch nicht zu verzeihen schien, nagte hartnäckig an mir.

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt