Here We Go Partypeople

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Am Abend hatten wir es uns auf der Terrasse hinter dem Haus gemütlich gemacht. Bei Kerzenschein saßen wir auf einer breiten Bank, hatten die Füße auf den Tisch gelegt und nippten ab und zu an unseren Weingläsern, die noch vom Abendbrot übrig geblieben waren. Es war zwar tagsüber verhältnismäßig warm, aber sobald die Sonne weg war, wurde es doch frisch und so hatten wir uns eine dünne Decke mit nach draußen genommen.
Ich schwenkte den Wein im Glas und dachte darüber nach, dass wir uns heute tatsächlich das erste Mal öffentlich sichtbar geküsst hatten und, wenn man mal vom Schlittschuhlaufen absah, das erste mal Händchen haltend durch die Gegend gelaufen waren. Es war ungewohnt gewesen, aus dem Geheimhaltungsmodus auszubrechen, aber es hatte mir gut getan. Ich hatte das Gefühl, dass wir das gebraucht hatten. Sich immer verstecken zu müssen, war auf Dauer keine Lösung.
„Was denkst du?", fragte Smudo leise.
„Geht's dir auch so, dass du dich... noch nicht richtig traust... so wenn andere Leute dabei sind?"
„Ja", antwortete er. „Ich bin noch im Es-darf-niemand-wissen-Modus. Aber heute Nachmittag, das war... schön."
Ein Kuss landete auf meiner Schläfe und ich lächelte.
„Fand ich auch."
Smudo nahm mir das Glas aus der Hand und stellte es auf den Tisch. Erwartungsvoll sah ich ihn an. Was er wohl vorhatte?
„Was würdest du gerade gern tun?", fragte er.
Smudo sah unwiderstehlich gut aus, das Kerzenlicht spiegelte sich in seinen Augen. Statt einer Antwort führte ich meinen Wunsch einfach direkt aus und setzte mich auf Smudos Schoß. Dann näherte ich mich quälend langsam seinen Lippen. Ich spürte seine Hände erst an meiner Taille, dann an meinem Po und wusste, dass es nicht nur bei einem Kuss bleiben würde, als sich unsere Lippen berührten.
Ich hatte bemerkt, dass er sich mittlerweile leichter fallen lassen konnte, dass er immer seltener unsicher war, wie er dies und jenes zu deuten hatte, was ich gesagt oder getan hatte und dass er insgesamt viel optimistischer gestimmt war als noch vor ein paar Wochen. Da war ich fast noch der pessimistischere von uns beiden, aber das war ich sowieso schon immer gewesen. Ich war glücklich über diese Entwicklung, glücklich mit Smudo, glücklich über unseren Urlaub. Und im Moment war ich vor allem glücklich darüber, dass Smudo mich spüren ließ, dass er gerade nichts anderes machen wollte, als hier mit mir zu sitzen und genau das zu tun, was wir gerade taten.

Wir ließen es sehr chillig angehen in den nächsten Tagen. Wir suchten uns den kürzesten Weg zum Strand und trauten uns sogar ab und an ins Wasser. Es war nicht brütend heiß in der Sonne, aber die Temperaturen waren weit über 20 Grad, sodass es doch sehr angenehm war. Irgendwo lief immer etwas Musik. Wir gingen zusammen shoppen, was wir tatsächlich noch nie zusammen gemacht hatten und was Smudo auch nicht ganz so bald wiederholen wollte, wie ich im Laufe des Tages amüsiert feststellte. Wir fanden jeder eine neue Sonnenbrille, Smudo holte sich einen neuen Gürtel und ich fand ein Shirt ziemlich cool, das es aber dann leider nicht in meiner Größe gab.
Mal lagen wir auch faul am Pool unserer Ferienwohnung herum, brieten uns Spiegeleier zum Mittag und gingen abends irgendwo feiern. So lernten wir auch andere Leute kennen, die uns in den nächsten Abenden öfter über den Weg liefen, sodass die Runde immer größer wurde und die Nächte immer heftiger wurden. Aber es tat uns beiden gut, Menschen kennenzulernen, die uns nicht in Frage stellten, die uns nicht anders kannten als als Paar und die darum auch kein großes Aufsehen machten. Gran Canaria war tatsächlich sehr schwulenfreundlich und so hatten wir nicht nur Heteros kennen gelernt.

Ich wachte den einen Tag auf und merkte sofort, dass wir es arg übertrieben hatten. Mein Schädel pochte bereits bei der allerkleinsten Bewegung schmerzhaft und mein Magen wollte von weiterem Inhalt überhaupt nichts wissen. Ich stöhnte aufgrund der Kopfschmerzen, wovon Smudo aufzuwachen schien. Seine Hand lag auf meinem Bauch und ich hatte nichts an. Noch während ich mich fragte, wo denn meine Sachen waren, da ich sie in meinem Blickfeld nicht ausmachen konnte, merkte ich, dass Smudo ebenfalls nackt war. Seine Morgenlatte drückte an meinen Po. Ich konnte mich an absolut nichts von gestern Nacht erinnern. Nicht mal, mit wem und wo wir feiern gewesen waren, geschweige denn, wann und wie wir wieder hergekommen waren.
„Boar, mein Kopf", stöhnte Smudo hinter mir.
Die Hand verschwand von meinem Bauch, wahrscheinlich hielt er damit seinen Kopf fest.
„Warum ist das so hell?", murmelte er hinter mir und drückte sein Gesicht an meinen Hals, um den Sonnenstrahlen zu entgehen, die durch das Fenster vor mir ins Zimmer gelangten.
Dabei rutschte er auch insgesamt noch näher an mich heran.
„Oh. Äh... Michi? Haben wir...?", stammelte er plötzlich und entfernte sich etwas von mir. Seine Latte verschwand von meinem Po.
„Ich glaube, das würde ich merken. Und ich glaub' auch nicht, dass wir dazu gestern noch in der Lage gewesen wären", antwortete ich.
Ich hatte mir die selbe Frage gestellt, als Smudo von mir weggerutscht war.
„Hm. Stimmt."
Langsam drehte ich mich zu Smudo herum und verfluchte mich dabei dafür, gestern so viel getrunken zu haben. Smudo sah genau so erledigt aus, wie ich mich fühlte. Trotzdem war es schön, neben ihm aufzuwachen zu können.
„Morgen, Smu", grummelte ich und streckte meinen Hals, um ihm einen Kuss zu geben.
„Morgen, Schnucki", antwortete er und fuhr sich dann mit der Hand übers Gesicht. „Hast du 'ne Ahnung, was wir gestern gemacht haben?"
„Nein. Gar nicht. Zero."
„Mist. Ich auch nicht."

Also haben wir beide einen Filmriss? Grandios.

„Hast du irgendwo dein Handy?", überlegte ich.
Smudo runzelte erst die Stirn, doch dann hellte sich sein Blick auf.
„Ah! Das ist das harte Ding, auf dem mein Kopf liegt", meinte er.
Er hob seinen Kopf an und darunter kam wirklich sein Handy zum Vorschein. Ich gab es Smudo, der es schnell entsperrte und dann mit zusammengezogenen Augenbrauen auf das Display starrte.
„Wer ist denn John?", fragte er.
„Keine Ahnung, wieso?"
Smudo drehte das Display zu mir.
„Weil er mir geschrieben hat. Und... ach schau' selbst."

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt