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You guys know how to party 😎 Great night. Look at the pics! Smichi is hot! Can't wait til next week! John", hatte besagter John Smudo früh halb 6 geschrieben. Mittlerweile war es 14 Uhr, wie ich mit Blick auf die Zeitanzeige feststellte.
„Smichi?", überlegte ich laut.
Mein Gehirn konnte noch nicht richtig denken. Doch als ich die Fotos sah, die er Smudo geschickt hatte, wusste ich, was er meinte. Smichi war einfach die Namensmischung aus Smudo und Michi, so wie ich mal bei The Voice festgestellt hatte, dass eine Namensmischung aus Samu und Marc Sarc war.
„Fuck, das ist ja völlig ausgeartet!", stellte ich entsetzt fest.
„Ja, das hab' ich auch gerade gedacht", meinte Smudo. Er grinste schüchtern. „Du warst aber gestern definitiv der heißeste Typ im Club."
Auf den Fotos waren Smudo und ich zu sehen – sichtlich betrunken. Und aus irgendeinem Grund hatte ich mein Shirt ausgezogen. Oberkörperfrei stand ich da, eng umschlungen und hemmungslos knutschend mit Smudo.
„Hast du das Video schon gesehen?", fragte ich.
„Welches Video?"
„Dieses Video."
Ich wäre am liebsten im Boden versunken, als ich es öffnete. Laute Musik dröhnte aus den Lautsprechern, was ich sofort leiser stellte, da sowohl Smudo als auch ich für laute Geräusche gerade wenig übrig hatten. Smudo und ich tanzten in dem Video miteinander – oder hatten es zumindest vorgehabt, denn als Tanzen konnte man das nicht mehr bezeichnen.
„Wieso stehen wir auf einem Tisch?", kam es von Smudo. „Und wieso... scheiße... Wieso ziehe ich dein Shirt... Neiiiiin. Oh man. Sorry."
Jetzt hatten wir auch den Grund für die oberkörperfreien Fotos von mir gefunden. Johlen drang aus den Lautsprechern, als Smudo mein Shirt über seinem Kopf wie ein Lasso kreisen ließ und es dann in irgendeine Richtung warf.
Ich hatte dann meine Hände in den Arschtaschen von Smudos Jeans vergraben, ihn so nah an mich rangezogen und dann unsere Lippen miteinander verschlossen. Nicht nur ich, auch Smudo war definitiv auf Fummelkurs gewesen. Zum Glück endete das Video dann auch – endlich. Jede gefilmte Sekunde war eine Sekunde zu viel.
„So viel zum Thema dieser Pressekonferenz da", murmelte ich und vergrub das Gesicht in meinen Händen.
„Das war ja eine ganz andere Situation", gab Smudo zu bedenken.
Ich musste ihm zustimmen, aber ganz wohl war mir bei der Sache nicht. Wenn dieses Video und diese Fotos in die falschen Hände gerieten, würden wir noch am selben Tag in der Klatschpresse landen.
„Wenn wir wenigstens noch Ende 20 wären...", sagte ich und seufzte. „Aber wir sind zwei alte Männer, Smu. Warum hast du mir vor allen Leuten das Shirt ausgezogen? Das will doch keiner sehen!"
„Ich will das sehen!", verteidigte sich Smudo sofort. „Und ehrlich gesagt habe ich keinen blassen Schimmer mehr, was mich dazu geritten hat. Wahrscheinlich lag es an deinem Hüftenkreisen oder an deiner Zunge, die du mir in den Hals geschoben hast. Oder daran, dass ich einfach ziemlich geil auf dich war."
Sein Grinsen hatte einen dreckigen Touch.
„Mmh, ich mag es, wenn du geil bist", raunte ich ihm ins Ohr und umfasste zielsicher seinen Schwanz mit meiner Hand.
Da mein Kopf momentan möglichst auf Bewegung verzichten wollte, beließ ich es auch bei meiner Hand.

Verkatert, wie wir waren, waren wir an diesem Tag für nichts weiter zu gebrauchen und so verbrachten wir die restlichen hellen Stunden im Bett. Erst gegen Abend hatte Smudo das Bedürfnis, noch einmal raus zu gehen und so gingen wir zum Strand. Unsere Klamotten hatten wir in der Wohnung verteilt gefunden. Wir waren fast völlig allein am Strand, außer uns hielten sich hier nur ganz wenige Personen auf.
Der Mond stand hoch am Himmel und spiegelte sich im Wasser. Das beruhigende Rauschen von kleinen Wellen drang sanft an unsere Ohren, während wir unsere Spuren im Sand hinterließen.
Ein altes Fischerboot steckte im Sand fest und wir ließen uns darauf nieder. Einem Impuls folgend lehnte ich mich nach hinten, bis mein Rücken und mein Hinterkopf das alte Holz wieder berührten. So schaute ich in den wolkenlosen Nachthimmel hinauf. Ich kannte nicht viele Sternbilder und erkennen konnte ich noch weniger, aber der Orion fiel mir durch seine Sanduhrform ins Auge. Dass ich hier, hunderte Kilometer entfernt von zuhause, fast die gleichen Sterne sah, beeindruckte mich. Es erinnerte mich daran, dass zuhause nicht unbedingt an einen festen Ort gebunden war. Es war für mich viel mehr zu einem Gefühl geworden.
Smudo legte sich neben mich, wie ich aus den Augenwinkeln wahrnahm. Wir sagten nichts. Jeder für sich genossen wir den Moment und doch taten wir das gemeinsam.
Eine Sternschnuppe verzierte für einen kurzen Augenblick den Himmel. Meine Hand fand Smudos und mehr brauchte es auch gar nicht. Ich formulierte nicht mal wirklich einen Wunsch in meinem Kopf, als ich die Sternschnuppe sah. Ich wünschte mir vor allem, dass das Gefühl, dass ich in diesem Moment hatte, nie ganz verschwinden würde. Mit Smudo würde ich mich überall zuhause fühlen können, solange wir nur einander hatten.

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt