Achterbahn der Emotionen

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„Willst du auch einen?", wollte ich wissen, als ich vor der Kaffeemaschine stand.
„Gern", antwortete Uli.
Sie stellte sich hinter mich, legte ihre Arme um meinen Bauch und ihren Kopf an meinen Rücken. Es war jetzt im September nicht mehr ganz so erdrückend warm und deshalb war die Berührung angenehm.
„Alles okay?", fragte ich leise und streichelte über ihre Hände.
„Hab mir zu viele Gedanken gemacht", murmelte sie an mein Shirt und verteilte leichte Küsse auf meinem Rücken.
„Wieso?", fragte ich, während ich die Tassen unter die Maschine stellte.
„Weil wir so viel streiten... Ich... Ich weiß, wir streiten uns eben oft und das ist okay... Mir ging dein Blick von gestern Abend nicht mehr aus dem Kopf", sagte sie und ich hörte aus ihren Worten heraus, dass das noch nicht alles war.

Der zweite Kaffee war fertig und ich drehte mich vorsichtig herum. Ich wollte heute wirklich nicht nochmal streiten.
„Wie hab ich denn geschaut?", fragte ich zunächst nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. Uli senkte den Blick.
„So als... als würdest du mich hassen."
Ich schüttelte langsam den Kopf und atmete hörbar aus.

Was haben denn heute alle damit, dass ich sie hassen würde??

„Hey... schau mich an, Schatz", bat ich Uli, nachdem ich mich innerlich wieder beruhigt hatte.
Ich fuhr mit meinen Händen langsam über ihren Rücken, weil ich wusste, dass sie das mochte. Ulis Blick erreichte meine Augen.
„Ich liebe dich, Uli. Egal, was ich dir vielleicht manchmal an den Kopf werfe und egal, womit du zurück wirfst... Ich. Liebe. Dich. Von ganzem Herzen. Ich könnte dich nie hassen. Niemals", sagte ich leise, aber bestimmt.

Ich sah, wie Uli Tränen in die Augen stiegen und wusste nicht, ob aus Freude, Ergriffenheit oder Verzweiflung. Das führte meinerseits zu leichter Überforderung und da ich keine Ahnung hatte, was los war, zog ich sie einfach an mich heran und hielt sie fest in meinen Armen. Sie umklammerte meinen Oberkörper und legte ihren Kopf an meine Halsbeuge. Es war die gleiche Stelle, an der heute bereits Smudos Kopf gelegen hatte, wie ich leicht verwirrt feststellte.

Ein Schluchzen drang an mein Ohr.
„Hey... was ist denn los?", fragte ich leise und strich leicht über ihr wunderbar weiches, lockiges Haar.
„Weißt du, ich würde es sogar verstehen", hörte ich aus ihrer bebenden Stimme heraus.
„Uli, jetzt hör mal auf mit dem Mist! Ich hab überhaupt keinen Grund dich zu hassen! Du und die Band, das ist alles, was mir wichtig ist. Warum in aller Welt sollte ich dich hassen?", meinte ich nun doch etwas aufgebracht.
Das war doch zu blöd. Natürlich hatten wir uns überdurchschnittlich oft in den Haaren, aber trotzdem liebte ich Uli. Das wusste sie doch auch, dafür kannten wir uns nun wirklich lange genug.

Sie versuchte, ruhig zu atmen, scheiterte aber.
„Ich hab Mist gebaut, Michi", brachte sie schließlich über ihre Lippen.

In meinem Kopf lief sofort ein sehr schnelles Karussell mit den unterschiedlichsten Gedanken ab, was sie damit meinen könnte. Egal, was es davon tatsächlich sein sollte, das Gefühl in meinem Bauch wurde nicht besser. Ich merkte, wie ich die Kontrolle über meinen Gesichtsausdruck verlor. Wahrscheinlich schaute ich Uli mit einer Mischung aus Panik und Hilflosigkeit an. Mein Mund öffnete sich, doch ich wusste gar nicht, was ich sagen wollte, also schloss ich ihn wieder.

Was ist, wenn sie etwas getan hat, was ich ihr nicht verzeihen kann?

„Ich hätte das nie gemacht, wenn ich gewusst hätte, was das mit sich zieht, Michi! Glaub mir das bitte!", sagte Uli und sah mich flehend an.
„Das... das klingt nicht, als hättest du mich betrogen", sprach ich meine Gedanken laut aus.
Uli stutzte.
„Nein, natürlich nicht!", meinte sie mit gerunzelter Stirn.
„Oh Gott sei Dank!", platzte es aus mir raus.
Vor lauter Erleichterung drückte ich sie fest an mich. Mir fiel ein Stein vom Herzen.
„Was denkst du denn von mir?", fragte sie entsetzt und löste sich von mir.
„Na wenn du sagst, du hast Mist gebaut und in Tränen ausbrichst, was soll ich denn da bitte denken?", erwiderte ich leicht ärgerlich.

Warum geht sie denn immer gleich an die Decke, wenn irgendwas ist??

Ich erinnerte mich daran, dass ich für heute eigentlich schon genug Zoff hatte und schlug einen versöhnlicheren Ton an, während Uli mich weiterhin schnippisch ansah.
„Gut, also wenn es das nicht ist... Was hast du denn dann angestellt?", wollte ich wissen.
„Du hast gesagt, dass du Streit mit Smudo hattest... Ging es da um... um...", stammelte sie.
„Um den Mist, der in jeder gottverdammten Zeitung über ihn steht?", ergänzte ich ihren Satz.
Uli nickte, ich ebenfalls.
„Aber es geht doch jetzt nicht um Smudo, es geht doch um dich", überlegte ich verwirrt.

Will sie jetzt vom Thema ablenken?

„Ja... Nein. Ich... ich bin nicht ganz unschuldig an dem, was in den Schlagzeilen steht", beichtete Uli und wich meinem Blick aus.
Jetzt ratterte es erneut in meinem Hirn. Ich kam auf keinen grünen Ast, was sie damit sagen wollte und stand ziemlich ratlos und verwirrt da.

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt