Überzeugungsarbeit

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Smudo schaute mit zusammengezogenen Augenbrauen zur Seite. Das war nicht der richtige Weg, das merkte ich. Ich änderte meine Taktik.
„Smu", sagte ich leise und legte meine Hand wieder auf sein Knie, die ich vor lauter Gestikulation dort weggenommen hatte, „ich sage doch nur, dass es jetzt noch nicht an die Öffentlichkeit gehört. Das hat nichts zu tun mit dem, was ich fühle. Ich habe so viele Gefühle für dich in mir drin, die ich eigentlich gar nicht haben dürfte. Wir sind seit so vielen Jahren befreundet, aber auf einmal hat es klick gemacht und ich habe gemerkt, dass da schon lange viel mehr ist als nur Freundschaft. Was glaubst du, wie mein Herz pumpt, wenn ich dir nur in die Augen sehe oder wenn du mich irgendwo berührst. Und wenn du mich küsst, setzt irgendwas in meinem Gehirn aus. Ich möchte dich am liebsten den ganzen Tag um mich haben, Smudo. Aber es ist viel zu früh, irgendwas offizielles aus dem Was-auch-immer zu machen."
Smudo hatte seine Hand auf meine gelegt und hatte mir stumm zugehört. Ich hatte das Gefühl, dass ich weiterreden sollte.
„Wir beide", sagte ich und tippte mit meinem Zeigefinger nacheinander auf seine und meine Brust, „haben noch nicht mal miteinander darüber gesprochen, was das hier ist. Ich hab' dich zwei mal geküsst, wir hatten ein Date und haben mal in deinem Bett gekuschelt. Das war wunderschön und ich möchte nichts davon ungeschehen machen." Ich sah die Andeutung eines Lächelns in seinem Gesicht. „Aber das war's, Smu. Im Prinzip bin ich immer noch verheiratet, weder Uli noch ich haben schon mit einem Anwalt gesprochen. Du bist sogar noch frischer getrennt als ich."

Das Lächeln in seinem Gesicht war wieder verschwunden und er sah niedergeschlagen aus.
„Ach man... Weißt du, ich schätze das an dir... Dass du ein Gespür für das hast, was richtig ist und dass du so lange auf mich einreden kannst, bis du mich überzeugt hast", sagte er und seufzte dann. „Aber stell dir das doch mal vor... Da sind wir bei einem Interview und werden gefragt, ob da was läuft zwischen uns. Und dann müssen wir vollen Ernstes sagen, dass wir nur Freunde sind. Und dass meine Ex ne kranke Bitch ist, die für Klatschpresse sorgen will. Gut, der zweite Teil fällt mir nicht schwer, aber... Ich kann nie wieder deine Hand halten wie beim Schlittschuhlaufen. Weil uns jemand sehen könnte. Ich kann dich nicht küssen, ich darf dich nicht mal anschauen, wie ich will."
Behutsam legte ich meine Hände an seine Wangen.
„Weißt du überhaupt, wie süß du sein kannst?", fragte ich lächelnd. „Dafür kannst du zuhause mit mir machen, was du willst. Also... na ja. Weißt schon Bescheid, ne?"

„Ich hab' doch nur Angst, dich zu verlieren, Michi..."
Kopfschüttelnd lächelte ich ihn an.
„Das wirst du nicht. Ich will dich, Smu. Wie niemand anderen."
Es tat wirklich gut, ihm das alles mal zu sagen – unabhängig von der Situation, in der wir uns gerade befanden. Dass ich mich endlich nicht mehr verstellen musste, nicht mehr so tat, als würde ich das alles gar nicht so meinen und dass ich ihm einfach zeigen konnte, was ich für ihn empfand, war sehr befreiend für mich. Es machte mich angreifbar, aber ich war mir sicher, dass Smudo mich niemals angreifen würde. Er würde mich nie ins offene Messer rennen lassen, das wusste ich einfach.
Ich nahm die Hände wieder runter, da Smudo nicht so wirkte, als wollte er mich jetzt küssen. Stattdessen wandte er seinen Kopf von mir ab und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Was ist denn los? Soll ich... Uli anrufen und ihr sagen, sie soll doch..."
„Nein!"
Irritiert schaute ich ihn an.
„Ja aber, was willst du denn dann?"

„Smu... Worüber denkst du nach?", fragte ich in ruhigem Ton, da er mir sehr merkwürdig vorkam.
Er ließ seine Schultern sinken, hob jedoch seinen Blick und schaute mir kurz in die Augen.
„Ich versuche gerade, mich nicht verrückt zu machen...", murmelte er.
„Und klappt das?"
Er grummelte eine undeutliche Antwort. Ich wollte ihm helfen und wusste nicht, wie.
„Du meinst das gut, Michi. Ich weiß das. Du denkst an uns beide und was das beste für uns ist. Ich muss mich erst wieder daran gewöhnen, dass es jemand wirklich gut mit mir meint. Wärst du Miriam, würden wir jetzt hier sitzen und uns streiten und sie würde mir drohen, wenn ich nicht mache, was sie für richtig hält, dass sie mich dann verlässt..."
Smudo schaute mich an und ich erkannte in seinem Blick, wie verletzlich er sich selbst in diesem Moment fühlte.
„Du hast gesagt, du würdest mich nie so behandeln wie Miriam. Und das sage ich mir einfach jeden Tag, ja? Bis ich nicht mehr darüber nachdenke, was du mir für einen Strick drehen könntest. Sei mir nicht böse, bitte."
Ich schluckte.
„Smu... scheiße verdammt, wie tief sitzt denn das bei dir?", fragte ich fassungslos. „Ich würde dir niemals einen Strick aus irgendwas drehen. Nie!"
Smudo nickte leicht mit dem Kopf.
„Du weißt gar nicht, wie gern ich dich habe, oder?", murmelte ich.
Smudo lächelte mich verlegen an, wobei mein Herz quasi schmolz.
„Ich bin nicht Miriam, Smu. Ich bin Michi. Und ich will nur, dass du glücklich bist und dass es dir gut geht."

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt