In a Good Way

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Das Packen dauerte nicht lange, denn übermäßig viel hatten wir nicht mitgenommen. Smudo stand am Rand des Pools, die Hände in den Hosentaschen und die Sonnenbrille auf der Nase. Er schaute über den Pool und den Rest der Terrasse hinweg auf das Meer, das am Horizont schimmernd zu erkennen war. Die Sonne schien ihm ins Gesicht. Ich sah den Wind in sein olivgrünes Shirt fahren, das seinen Oberkörper bedeckte. Standfest wie ein Baum stand er da. Vielleicht genoss er die letzte Aussicht oder ließ den Urlaub in Gedanken Revue passieren. Bevor ich mich zu ihm gesellte, zückte ich mein Smartphone und öffnete die Kamera-App. Ich mochte die Hinteransicht von Smudo und zusammen mit der Umgebung ergab das ein schönes Bild.

„Wird mir fehlen, das alles hier", sagte ich leise, als ich mich im Anschluss daran neben Smudo stellte.
Er nickte und stimmte mir zu. Ich legte meinen rechten Arm um seine Schultern und genoss so den Moment mit ihm. Unsere Taschen standen bereits hinter der Haustür, wir warteten nur noch auf die Ankunft von Carlos und Vasco, die uns zurück zum Flughafen fahren würden.
Smudo schaute mich aus dem Augenwinkel an, aber ich ließ mir nicht anmerken, dass ich es bemerkte.
„Manchmal ärgere ich mich, dass wir nicht schon eher gecheckt haben, das zwischen uns mehr als Freundschaft laufen könnte", sagte er dann und schaute wieder geradeaus.
Ich wusste, was er meinte, aber ich fand auch, dass es sich genau zum richtigen Zeitpunkt ergeben hatte. Davor war zumindest ich noch in meinem Kopf zu sehr mit Uli beschäftigt gewesen.

Das rhythmische Hupen eines Autos kündigte uns an, dass die Besitzer der Ferienwohnung angekommen waren. Ich drückte Smudo einen Kuss auf die Wange und griff nach seiner Hand, als wir durch den Terrassenausgang das Haus betraten und nach vorn in den Flur gingen.
Mit den Reisetaschen in der Hand und jeder Menge schöner Erinnerungen im Kopf traten wir aus der Haustür hinaus in den kleinen Vorgarten.
„Hola mis amigos!", begrüßte uns Vasco erfreut und zog direkt jeden von uns in eine Umarmung. Carlos saß noch im Wagen und stieg ruhig und gemächlich daraus aus.
„Hola", sagte er dann und nickte uns freundlich zu.
Ich amüsierte mich innerlich über den starken Kontrast zwischen den beiden.
Vasco fragte uns, wie es uns gefallen hatte, was wir erlebt hatten und ob alles in Ordnung gewesen wäre. Ich ließ mich von seiner Fröhlichkeit anstecken und freute mich direkt auf die Fahrt zum Flughafen. Das würde lustig werden. Er erzählte uns auch ein bisschen was von Las Palmas, wo er mit Carlos die letzten Tage verbracht hatte. Dieser warf ab und zu mal ein paar Wörter ein, aber überließ das Reden ansonsten seinem Mann.

Anscheinend hat jeder so seins, wie man miteinander umgeht. So wie Smudo, der mir irgendwann ins Wort fällt, damit er auch mal was sagen kann, weil ich nicht aufhöre zu reden. Und wie wir uns dann einen kurzen Blick zuwerfen, dass das für uns beide okay so ist.

Smudo unternahm mit Vasco den Kontrollgang durch die Ferienwohnung, dass wir auch alles in gutem Zustand hinterlassen hatten. So belud ich gemeinsam mit Carlos den Kofferraum mit unseren Reisetaschen und wartete dann mit ihm darauf, dass die beiden zurückkehrten. Ich war mir sicher, dass das aufgrund von Vascos Gesprächsfreudigkeit etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen würde.
„Is it okay for you if I smoke?", fragte ich Carlos, da ich so die mir unangenehme Ruhe zwischen uns überbrücken wollte.
„Of course."
Ich kramte mein Päckchen Zigaretten aus der Hosentasche hervor und nahm mir eine. Carlos tat es mir zu meiner Überraschung gleich.
„My lighter is empty. Can I...", bat er mich fast schon verlegen um Feuer.
„Sure", erwiderte ich direkt und reichte ihm mein Feuerzeug.
„Thanks."

So rauchten wir beide unsere Kippe und mit einem Mal kam es mir gar nicht mehr unangenehm still vor. Carlos war eben kein Typ für viele Worte, das war alles.
„The house is beautiful. Really", sagte ich trotzdem irgendwann.
Carlos' Blick hellte sich auf und sein weißer Bart bewegte sich, als er die Mundwinkel hochzog.
„I know", antwortete er und schaute versonnen auf das Mauerwerk der Frontseite des Hauses.
Kurz wirkte er, als wollte er mehr dazu sagen, doch dann schwieg er weiter. Ich war mir sicher, dass es eine persönliche Bedeutung für ihn hatte.
„Sometimes I wonder why this always takes so long", murmelte er, gerade so laut, dass ich es hören konnte.
Er schaute auf seine Uhr am Handgelenk. Ich grinste und Carlos tat es mir gleich.
„Hurry up, honey! They'll miss their flight!", rief er laut hinauf.
„We're already coming! Don't panic, darling", kam die Antwort unbeeindruckt aus der oberen Etage gerufen.
Schmunzelnd schüttelte er den Kopf.
„Don't worry, you won't miss your flight", sagte er dann lächelnd zu mir.

Es dauerte ungefähr noch fünf Minuten, bis Smudo und Vasco lachend vor uns standen.
„Your boyfriend is a charming guy. You're lucky. Good choice", sagte Vasco zu mir und klopfte mir grinsend auf die Schulter.
„I know", antwortete ich überrumpelt und grinste zurück.
Smudo schüttelte derweil lachend den Kopf.
„Well, now it's time to say goodbye for me. My love will take you to the airport and I will clean up this mess you left behind." Er machte eine kurze Pause und lachte dann. „Just kidding, there's no mess at all. But still, someone has to clean up."
Ich hatte eigentlich gedacht, Vasco würde uns fahren, da er das ja schon auf dem Hinweg getan hatte, doch offenbar war dem nicht so. Vasco umarmte uns beide erneut herzlich und anschließend auch Carlos. Er sagte etwas auf Spanisch zu ihm und lachte dann darüber. Ein zufriedenes Lächeln glitt über Carlos Gesichtszüge. Wir bedankten uns noch einmal bei Vasco und wünschten ihm alles Gute, bevor wir mit seinem Mann ins Auto stiegen. Winkend sah uns der energiegeladene alte Mann hinterher, bis wir um die Kurve bogen.

Die plötzliche Ruhe, als Vasco verschwunden war, war förmlich greifbar.
„We need to hurry up", teilte uns Carlos sachlich mit und zog das Tempo erheblich an.
Mir wurde etwas mulmig zu Mute, da die Tachonadel wirklich übermäßig weit nach rechts gedreht war. Smudo hingegen wirkte wie die Ruhe selbst. Er merkte, dass ich angespannt war und strich beruhigend über meine Hand.
„Mach dir keine Sorgen. Ich glaube, er weiß ganz genau, was er tut", flüsterte er mir ins Ohr.
Noch während ich mich fragte, was er damit meinte, fragte Smudo Carlos, ob er noch aktiv Rennen fuhr, als wäre das eine völlig normale Frage.
Die Antwort „No, my last race was... like ten years ago" zeigte, dass das tatsächlich eine ganz normale Frage gewesen zu sein schien.
„How did you know?", fragte Carlos nach und warf einen interessierten Blick in den Rückspiegel.
Smudo erzählte, dass er selbst in seiner Freizeit Rennen fuhr und daraufhin unterhielten sich die beiden eigentlich die ganze Fahrt über ihr gemeinsames Hobby. Ich staunte über Smudo, denn ich wusste offensichtlich fast nichts von dem, was er da hobbymäßig tat, aber ich staunte auch, wie viel Carlos reden konnte. Ich vergaß darüber schon fast, mir Sorgen wegen des Tempos zu machen. Es war nicht so, dass ich nicht auch gern mal etwas mehr Gas gab, aber übertreiben tat ich es dann auch nicht.

„Wow... Was a nice ride", stellte Carlos fest, als wir eine halbe Stunde vor Abflug am Flughafen ankamen. „Didn't talk so much for... a while."
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, denn das glaubte ich ihm aufs Wort. Er stimmte in mein Lachen ein und wir verließen anschließend das Auto. Der bärtige alte Mann war sich anscheinend auf einmal unsicher, was er nun sagen sollte, denn er stand unschlüssig herum.
„I'm not the type for hugs but... I wish you a save journey", sagte er dann zu uns beiden und streckte Smudo dann die Hand entgegen.
„Thank you for everything", entgegnete Smudo freundlich und schüttelte seine Hand.
Ich bedankte mich ebenfalls bei ihm und schüttelte seine Hand. Carlos hielt inne, als er sich in sein Auto setzen wollte. Er drehte sich noch einmal zu uns um und lächelte.
„You changed. In a good way."
Dann stieg er in sein Auto und winkte einmal kurz zum Abschied, bevor er aufs Gaspedal trat.

„Stimmt", sagte Smudo, als er ganz selbstverständlich seine Finger mit meinen verschränkte und gemeinsam mit mir zum Gate ging.

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt