Freudentränen

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„Den Rest kriegen wir doch auch alleine hin, oder? Wir müssen nur noch deinen Kofferraum ausladen und dann war's das", sagte ich zu Smudo, während wir mit Thomas ins Wohnzimmer gingen, in dem sich noch fünf andere Freunde von uns befanden, die Kisten aus ihren Autos hereingeschleppt hatten.
„Echt, sonst ist alles da?"
„Ich dachte."
„Na dann... Willst du?"

Aber da hatte ich schon angefangen, ein paar Worte an unsere helfenden Freunde zu richten. Ich bedankte mich im Namen von Smudo und mir für ihre Unterstützung und lud sie dann zu unserer geplanten Einzugsparty ein, die am kommenden Samstag und damit Mitte Januar stattfinden würde. Insgesamt rechneten wir mit ungefähr 20 Personen, denn wir luden natürlich nicht nur diese Hand voll Menschen ein, mit denen wir gerade in unserem künftigen Wohnzimmer standen.
Einer nach dem anderen verabschiedete sich, bis nur noch Smudo und ich da waren.

Wir packten Kisten aus und verstauten deren Inhalt in den Schränken und Regalen, die bereits aufgebaut waren. Ich kniete gerade vor meinem Plattenregal und schob die Platten in die Fächer.
„Michi?"
„Hm?"
Smudo setzte sich neben mich auf den Boden.
„Wegen der Einzugsparty... Das wird ja so ein bisschen unser Coming-Out, zumindest was die Freunde angeht, die nicht mit bei Thomas' Geburtstagsfeier waren", sagte er.
Ich nickte.
„Ich hoffe halt, es kommen alle und es bricht nicht plötzlich einer den Kontakt deswegen zu uns ab."
„Dann waren es keine echten Freunde", antwortete ich sofort.
Ich hatte mir dieses Szenario auch schon überlegt und war dann recht schnell zu dieser Entscheidung gekommen. Es war mir egal, was irgendjemand davon hielt, dass ich Smudo liebte. Smudo und ich waren das, was wichtig war – nicht das, was andere über uns dachten.
Smudo nickte leicht mit dem Kopf.
„Ja... Und... Also... Es gibt da noch was..." Er hatte irgendetwas auf dem Herzen, sonst würde er nicht zu herumeiern. Nur was? „Wir haben noch nicht drüber gesprochen und vielleicht hast du dir noch gar keine Gedanken darüber gemacht. Ich will nur nicht, dass du nichts sagst, weil du denkst, dass ich dann sauer wäre..."
„Schatz, worum geht's?"
Er seufzte und schaute mir dann direkt in die Augen.
„Willst du Uli einladen?"
Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch. Darüber hatte ich mir tatsächlich noch keine Gedanken gemacht. Genauer gesagt hatte sich mir die Frage gar nicht gestellt. Das war die Einzugsparty von Smudo und mir. Wie unwohl würde sich Uli auf dieser Party bitte fühlen? Ihr Verständnis für meine Gefühle hin oder her. Nein, sie hatte da nichts verloren. Was mich allerdings wirklich beeindruckte, war, dass Smudo mich das gefragt hatte und somit versuchte, seine offenkundige Eifersucht zu überwinden.
„Nein, möchte ich nicht", sagte ich dann lächelnd und griff nach Smudos Hand. „Sie und ich, wir müssen beide mit dem abschließen, was mal war. Es ist mir zwar wichtig, dass wir respektvoll miteinander umgehen und uns nicht gegenseitig in der Luft zerfetzen... Und ich weiß, woran ich bei ihr bin und ich vertraue ihr. Aber ansonsten... Sie ist kein Teil meines Lebens mehr, weißt du? Und ich möchte sie da nicht dabeihaben. Also nein."
„Wirklich nicht? Sag das bitte nicht nur, weil ich... möglicherweise ein Problem mit ihr habe."
„Nein, das ist es nicht. Aber... es ist sehr lieb von dir, dass du es mir angeboten hast. Wirklich, Smu. Das ist nicht selbstverständlich. Ich weiß das zu schätzen."
Ich liebte dieses ehrliche Lächeln, das sich daraufhin auf seinem Gesicht ausbreitete. Es zeigte mir, dass ich in diesem Moment der Grund dafür war, dass er glücklich war und das machte mich selbst sehr glücklich.
„Okay", sagte Smudo dann. „Und um die Presse kümmern wir uns später, ja?"
„Die kriegen das doch selber irgendwie raus. Da mache ich mir keine Sorgen drum. Noch eine Pressekonferenz deswegen mache ich jedenfalls nicht mit."
„Stimmt."
„...Ich weiß."
„Du bist manchmal so frech, weißt du?"
„Ich bin frech, du bist verrückt, passt doch..."
Das Ende meines Satzes ging in einem liebevollen Kuss unter, dessen Intensität sich zusehends steigerte, als ich daran dachte, dass wir heute die erste Nacht in unserer gemeinsamen Wohnung verbringen könnten, wenn wir heute noch das Bett aufbauten. Ab sofort würden wir nicht nur unser Leben, sondern auch eine Wohnung teilen, was mir im Zusammenspiel mit allen Emotionen der letzten Tage Freudentränen in die Augen trieb.
„Michi?", sagte Smudo vorsichtig.
Er war verwirrt, weil mir hier gerade aus heiterem Himmel Tränen über die Wangen liefen, das konnte ich in seiner Stimme hören. Ich schlang nur meine Arme um seinen Hals und drückte ihn fest an mich.
„Schnucki, was ist denn los?"
„Ich..." Schnell wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht. „Man, ich bin so unfassbar froh, dass ich dich habe, Smu. Dass wir jetzt zusammen wohnen und..." Mir stiegen schon wieder Tränen in die Augen, eigentlich war ich gar nicht so nah am Wasser gebaut. „Das ist irgendwie gerade ein bisschen zu viel Freude hier. Ich liebe dich so sehr, Smu. So verdammt sehr. Das glaubst du gar nicht."
Ich liebte ihn schon allein dafür, dass er mich einfach weiter festhielt. Dass er mir dabei sagte, wie sehr er sich auch darüber freute und wie sehr er mich liebte. Dass er für mich da war und ich mich verstanden fühlte. Ich fühlte mich wohl bei ihm. Als wäre ich genau am richtigen Ort bei ihm. Zuhause.

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt