Da kommt doch keiner drauf!

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Uli nahm sich eine der beiden Kaffeetassen und trank einen Schluck. Sie lehnte sich über Eck mit dem Rücken an die Küchenzeile und schaute scheinbar gedankenverloren in die Tasse.
„Wie jetzt?", fragte ich schließlich und wartete auf eine Antwort.
Sie seufzte.
„Ich dachte, ich tu dir... uns... Smudo... einen Gefallen damit. Wir mögen diese Miriam ja beide nicht besonders... Sie hat mich angerufen, irgendwann. Ich weiß nicht mal, wo sie meine Nummer her hatte. Jedenfalls war das das merkwürdigste Telefongespräch, was ich jemals hatte. Du glaubst nicht, wie dumm die ist!", erzählte sie und hob ihren Blick bei den letzten Worten. Erwartungsvoll schaute ich zurück, während ich nun ebenfalls einen Schluck Kaffee trank.
„Sie wollte mit Smudo irgendwas feiern und hat mich nach seinem Lieblingsclub gefragt. Keine Ahnung, warum man dazu die Frau des besten Freundes des eigenen Freundes anruft... Aber ich hab in dem Moment die Chance gesehen, sie richtig blöd dastehen zu lassen. So, als würde sie Smudo in die Scheiße reiten wollen, weißt du? Und ich hab gedacht, wenn er das mitbekommt, dann... dann schießt er sie endlich wieder ab!", erklärte Uli eifrig.
Ich hörte aus ihren Worten die gute Absicht heraus, wusste aber durch die heutigen Ereignisse, dass das nichts gutes bedeutete. Ich wunderte mich, dass sie mir nichts von dem Anruf erzählt hatte. Und wie genau alles zusammen passen sollte, war mir ehrlich gesagt immer noch ein Rätsel.

„Ich wusste doch nicht, dass sie Smudo davor so sehr abfüllt, dass er sich dann an nichts mehr erinnern kann! Wie steh' ich denn jetzt da? Wenn sie das Smudo erzählt... Der redet nie wieder mit mir, Michi! Und am Ende denkt er, dass du auch noch was damit zu tun hast... Es tut mir so leid!", sagte sie verzweifelt und vergrub ihr Gesicht in ihrer freien Hand.
„Jetzt warte doch mal. Ich versteh immer noch nicht, was du jetzt genau gemacht hast...", unterbrach ich Ulis Anflug von Selbstmitleid.

Sie nahm die Hand von ihrem Gesicht und schaute mich durchdringend an. „Ich hab ihr gesagt, dass er gerne ins Pink Heaven geht. Das war der einzige Gay-Club in der Nähe, der mir auf die Schnelle eingefallen ist. Sie kennt sich ja hier nicht aus und anscheinend ist sie wirklich so doof, dass sie nicht schon bei dem Namen gemerkt hat, dass ich sie für dumm verkaufe. Ich hab sie gefragt, wann sie mit ihm dort hin will. Ich hab gedacht, wenn Smudo sieht, dass sie mit ihm da rein gehen will, dass er endlich mal checkt, was er sich da für eine hohle Nuss angelacht hat..."

Ich schüttelte den Kopf. „Hä? Woher hätte er denn aber wissen sollen, dass sie da auf jemanden reingefallen ist? Oder dass sie selbst Smudo schaden wollen würde... also... das versteht doch kein Mensch!", merkte ich an. Uli seufzte. „So ausgeklügelt war mein Plan dann eben nicht...", gab sie zu.

Und dann stand seine Olle mit ihm vor diesem Schuppen und hat gedacht, Uli hat ihr die Wahrheit erzählt und Smudo ist eigentlich schwul. Smu war rotzevoll, hat gar nichts gecheckt... Und dann hat sie ihn abserviert. Blöd nur, dass da irgendjemand ein Foto gemacht hat. Oh Gott, hätte Uli nicht einfach mal kurz nachdenken können? Das glaubt uns ja keiner, wie das Foto zustande gekommen ist.

„Aber Moment mal. Das heißt, wir haben das ganze Schlamassel nur wegen dir??", fiel mir auf einmal ein.
Schuldbewusst erwiderte Uli meinen Blick. Ich stellte meine Tasse geräuschvoll ab.
„Weißt du eigentlich, wie fertig Smu ist? Wie beschissen es ihm deswegen geht? Was das für ein Aufwand ist, dieses Gerücht wieder aus der Welt zu räumen?? Das ist nicht nur eine Katastrophe für Smu, das ist rufschädigend für die ganze Band! Und alles nur wegen... wegen... wegen dir!!", rief ich wütend.
„Es tut mir wirklich leid, Michi! Ich wollte das doch nicht, das ist doch klar! Ich hab's nur gut gemeint. Ich konnte doch nicht ahnen, dass da plötzlich jemand ein Foto macht, was ganz anders aussieht als das, was es eigentlich war... Ich hab ihr sogar gesagt, sie sollen den Hintereingang nehmen, damit sie nicht sofort von Fans erkannt werden", verteidigte sie sich.
„Heutzutage hat doch jeder Depp ein Smartphone in der Tasche! Natürlich macht da jemand ein Foto! Man Uli! Du musst doch auch mal nachdenken!", rief ich und tippte mit meinem Zeigefinger mehrfach an meine Stirn.
Sie zuckte niedergeschlagen mit den Schultern. „Ich kann es doch jetzt auch nicht mehr ändern... Ich wollte nur, dass du es von mir erfährst und nicht über drei Ecken. Oder von Smudo", meinte sie.

„Du hast es echt drauf, mich zur Weißglut zu treiben, Uli!", stieß ich aus, nahm die Kaffetasse erneut in die Hand und trank sie in einem Zug aus.
„Warum hast du mir denn vorher nichts davon erzählt? Ich hätte ihn warnen können! Ich dachte, wir sind ein Team", meinte ich nun. Das enttäuschte mich tatsächlich ziemlich. Es war ein Vetrauensbruch, wie wir ihn nicht mal gehabt hatten, als wir vor ein paar Monaten getrennt waren.
„Ich weiß es nicht... Ehrlich gesagt hatte ich es dann schon wieder vergessen, weil so viel anderer Kram los war."
Ich seufzte.
„Du musst das Smudo erzählen, das weißt du, oder? Besser, du sagst es ihm, als dass er es noch von der Trulla erfährt...", überlegte ich laut.
„Ja", kam es leise von Uli zurück.

Ich schüttelte den Kopf und machte mich daran, die Küche zu verlassen. Ich brauchte eine Kippe und Ruhe. Im Türrahmen blieb ich kurz stehen.
„Weißt du eigentlich, wie weh du ihm damit getan hast?"

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt