Wingman wider Willen

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Smudo war wie ausgewechselt am nächsten Abend. Als wäre er ein anderer Mensch. Max schaute nicht gerade begeistert, als er uns zur Tür reinkommen sah, doch als er Smudos Stimmungswechsel im Vergleich zu gestern bemerkte, hellten sich seine Gesichtszüge auf.
„Dieses Theater muss ich mir heute aber nicht nochmal mit ansehen, oder?", begrüßte er uns lachend, als wir uns an den Tresen setzten.
„Doch!", erwiderten wir beide gleichzeitig und mussten ebenfalls lachen.
„Aber heute", sagte ich in verschwörerischem Ton, „tut Smudo nur so, als wäre er nicht interessiert. Heute weiß er Bescheid. Heute sind wir ein Team."
Max schüttelte den Kopf.
„Also je ein kleines Bier für die Herren?", fragte er und zapfte uns kurz darauf zwei Bier vom Fass.

Smudos Euphorie sank von Stunde zu Stunde. Heute war einfach nichts los in der Bar, weshalb wir die Zeit nutzten und gemeinsam mit Max, der langsam Gefallen an der Sache fand, Pläne schmiedeten, wie wir die Frauen für Smudo rumkriegen könnten. In Ermangelung dieser mimte ich wohl oder übel Smudos potentielle Eroberungen, was uns mehrere Lachflashs bescherte. Es wurde auch dadurch nicht besser, dass Max uns immer weitere Getränke auf den Platz stellte.

Als ich die Hoffnung bereits aufgegeben hatte und nur noch aus Spaß mit Smudo herumflachste, betrat eine junge Frau die Bar und setzte sich ebenfalls an den Tresen, allerdings ein Stück entfernt von uns. Ich bemerkte sie erst, als ich mich gerade auf Smudos Schoß setzte und ihm hingebungsvoll erklärte, dass er der humorvollste und schönste Mann war, der mir je begegnet war.
Belustigt blickte sie zu uns, unwissend, dass es sich dabei um eine Showeinlage handelte. Peinlich berührt räusperte ich mich und rutschte von Smudos Schoß, um mich wieder auf meinen eigenen Barhocker zu setzen.

„Na aber, wer wird denn da auf einmal schüchtern? Baby, du brauchst dich nicht so zu zieren. Ich steh auf Selbstbewusstsein!", spielte er einfach weiter und grinste mich dreckig an. Max hatte sich in der Zwischenzeit auf den Weg zu seinem neuen Gast gemacht, nicht ohne mir vorher zuzuzwinkern. Ich hoffte, dass er die Situation retten würde. Mir war das ganze mit einem Mal nämlich furchtbar unangenehm. Was war, wenn sie uns erkannte? Oder schlimmer, schnell ein Foto gemacht hätte. Morgen würde es in der Zeitung stehen, ich sah die Schlagzeile schon vor meinem inneren Auge: Rapper der Fantastischen Vier beim Rummachen erwischt. Michi Beck schwul? Bis wir dieses Gerücht wieder aus der Welt geschafft hätten, würde es Monate dauern...

Zu meinem Entsetzen kam die junge Frau nun auch noch geradewegs auf uns zu.

Oh Gott, hoffentlich erpresst sie uns nicht!

„Michi, was ist denn? Ich hab doch nur Spaß gemacht, jetzt sei mal nicht so... Kennst mich doch", versuchte Smudo meinen offensichtlich panischen Blick zu deuten und mich zu beruhigen. Zu allem Überfluss legte er vertraut dazu seine Hand auf meinen Oberschenkel und strich leicht darüber. Mein Bein kribbelte, wo Smudo die Hose darüber berührt hatte. Ich schluckte, als er mit seinen blauen Augen sorgenvoll in meine blickte.
„Alles in Ordnung mit dir? Geht's dir nicht gut?", fragte Smudo nun und sein Ton hatte nun jegliche Lockerheit verloren. Er schien wirklich besorgt zu sein.
Ruckartig stand ich vom Barhocker auf.
„Ich... brauch frische Luft. Bin gleich wieder da", teilte ich schnell mit und stürmte dann direkt aus der Bar heraus, vorbei an der Frau, die uns in diesem Moment erreicht hatte und mich irritiert ansah.

Schwer atmend lehnte ich mich gegen die Hauswand. Woher die plötzliche Panik kam, war mir selbst nicht mehr richtig bewusst. An sich war nichts passiert, was man nicht in drei Sätzen hätte erklären können.

Hoffentlich nutzt Smudo die Situation aus und macht sich die Kleine klar. Dann wäre der Abend wenigstens kein totaler Reinfall.

Mein Handy vibrierte.
„Fuck, schon wieder so spät!", murmelte ich und zog es hektisch aus meiner Hosentasche. „Hey Baby, wir machen jetzt gleich Feierabend, ja. Soll ich noch was zu essen mitbrin... Ah du hast schon gegessen, okay... Nein ich hab nichts getrunken, wie kommst du darauf? Wir arbeiten! ... Nein... Ja... Tut mir leid. Der Abend morgen gehört uns, Schatz. Ich versprech's dir... Gib mir eine halbe Stunde... Ich dich auch. Bis dann", sprach ich ins Telefon hinein.

Das schlechte Gewissen kroch in mir hoch. Ich wollte Uli nicht anlügen, das widerstrebte mir total. Ich rieb mir mit der Hand über die Augen und drückte mich dann von der Hauswand, an der ich gelehnt hatte, weg.
Mit einem ungewohnt unruhigen Gefühl im Bauch betrat ich die Bar erneut und schlich mich mit gesenktem Kopf schnell in Richtung der Toiletten, um mir etwas Wasser ins Gesicht zu spritzen. Ich schloss die Tür sofort wieder, als lautes Stöhnen zweier Personen aus einer der Toilettenkabinen drang und ich eindeutig Smudos Stimme erkannte.

Das ging... äh... fix. Jedenfalls braucht er mich jetzt nicht mehr, also kann ich nach Hause gehen.

Ein kurzer Blick zur Bar, deren Hocker nun wieder alle unbesetzt waren, bestätigte die Vermutung, dass Smudo da gerade mit der jungen Frau, vor der ich geflüchtet war, in der Toilettenkabine poppte.

Max sah mich an der Tür stehen und winkte mich zu sich heran.
„Hör mal, ich will wahrscheinlich gar nicht wissen, warum du nicht reingehst... Aber was hast du denn mit Smudo angestellt? Der hat ja nicht mal fünf Minuten gebraucht, um die Lady um seinen kleinen Finger zu wickeln. Ist das der selbe Mann, der gestern noch wie ein Häufchen Elend an der Bar gesessen hat?", fragte er lachend. Ich musste die ganzen Informationen erst mal verarbeiten und zuckte deshalb nur ratlos mit den Schultern.
„Sagst du ihm Bescheid, dass ich heim bin? Uli killt mich, wenn ich nicht bald nach Hause komme", bat ich ihn.
„Ärger im Hause Beck? Das ist ja was ganz neues...", begann er, doch ich winkte ab.
„Alles halb so wild", meinte ich nur und verließ die Bar.

Flashback Ende

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt