Held des Tages

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Umso verblüffter war ich, als eines Tages mein Handy klingelte und Smudo derjenige war, der mich anrief. Er redete direkt drauf los, sobald ich den Anruf entgegennahm.
„Moin, Michi. Wenn du den Mist, den ihr verzapft habt, wieder gut machen willst, kommt hier deine Gelegenheit. Hör zu, ich hab heute Abend um 7 ein Date mit Miri. Ich hab versucht, ihr alles zu erklären. Und was soll ich sagen... Sie gibt mir noch eine Chance. Es gibt nur ein Problem: Ich komme frühestens eine halbe Stunde vor um 7 an, hier ist absolutes Chaos auf dem Flughafen."
Seinen Redeschwall und die Tatsache, dass er mich einfach so angerufen hatte, musste ich erst einmal verarbeiten.
„Äh. Ja. Das ist bisschen knapp. Und was soll ich da jetzt machen?", fragte ich.
„Sie kommt zu mir nach Hause. Du weißt doch, wo mein Ersatzschlüssel liegt, oder?"
„Klar weiß ich das."
„Gut. Oh man, ich glaube selbst nicht, dass ich dich darum bitten muss, aber wen soll ich denn sonst fragen?", sagte Smudo mehr zu sich selbst als zu mir. „Also. Kannst du bitte dieses Date vorbereiten? Wir haben doch mal drüber gesprochen, wie man ein romantisches Candlelight-Dinner gestalten könnte. Du erinnerst dich doch noch daran, oder?"

Ist das sein Ernst? Das... Boar, das ist ja die Höchststrafe! Ich soll ein Date mit dieser Zicke für ihn vorbereiten? Wo ich sie doch abgrundtief hasse?

„Natürlich erinnere ich mich daran. Du kannst dich auf mich verlassen, Smu", sagte ich und war selbst erstaunt, wie leicht mir diese Worte über die Lippen kamen, waren sie doch das genaue Gegenteil von dem, was ich eigentlich dachte.
„Du bist ein Schatz. Tausend Dank! Ich kann hier gleich starten, also muss ich jetzt auflegen. Wir sehen uns nachher, Michi."
Und damit hatte er auch schon aufgelegt. Verdutzt betrachtete ich mein Telefon. Glücklicherweise zeigte es mir die Uhrzeit an und ich stellte fest, dass ich mich besser beeilen sollte. Immerhin musste ich einkaufen und kochen und womöglich noch etwas Aufräumen in Smudos Bude.

‚Du bist ein Schatz' hat er gesagt. Wie gut das klingt... Okay, Beck. Schluss damit! Du hast einen Auftrag zu erfüllen!

Ich sprang von der Couch auf, rief Uli zu, dass ich kurzfristig einen Termin hatte und erst heute Abend wiederkommen würde und befand mich bereits wenige Augenblicke später in meinem Auto auf dem Weg zum nächsten Supermarkt, während ich mich fragte, warum ich so mir nichts dir nichts alles stehen und liegen lassen hatte, um Smudo diesen Gefallen zu tun.
Ich hastete durch die Gänge und versuchte, mich gleichzeitig an das Gespräch mit Smudo über besagtes Candlelight-Dinner zu erinnern.

Was hat er nochmal gesagt, was er mag? Steak oder so war's doch. Und er isst für sein Leben gern Pilze. Hm, und dazu... irgendein Salat. Was, was schnell geht. Na dann mache ich einfach meinen grünen Salat nach schwäbischer Art.

In Windeseile landeten die benötigten Zutaten sowie ein zum Essen passender Rotwein, den Smudo sehr mochte, in meinem Einkaufswagen. An der Kasse legte ich noch zwei kleine Blumensträuße aufs Band. Es waren dunkelrote Rosen, deren Blütenblätter man sicherlich gut als Tischdeko nutzen konnte. Ungeduldig wartete ich darauf, dass die Kassiererin alles abscannte und packte für den Transport alles in einen großen Beutel. Genau in dem Moment, als ich den Supermarke durch die automatische Schiebetür wieder verließ, fiel mir auf, dass ich nur daran gedacht hatte, was Smudo mochte - und nicht daran, was seiner zu unrecht Angebeteten gefiel.
Schulterzuckend setzte ich meinen Gang zum Auto fort. Es ließ sich jetzt nicht mehr ändern, dann hätte ich mehr Zeit benötigt. Konnte ich ja nichts dafür, dass Smudo sich erst so spät bei mir gemeldet hatte.

Smudos Wohnung war eine einzige Rumpelkammer. Meine erste Aktion galt den Fenstern, die ich allesamt öffnete, um überhaupt erstmal frische Luft hereinzulassen. Ich schüttelte den Kopf über das Chaos in seiner Wohnung. So unordentlich war er doch sonst nicht.

Während das Fleisch und die Pilze in der Pfanne brutzelten, schnitt ich den Salat und bereitete das Dressing zu. An guten Gewürzen mangelte es in Smudos Wohnung nicht und ich bekam bei der Zubereitung des Essens selbst Appetit.

Nix da, nur abschmecken, nicht essen. Ach man. Die blöde Kuh hat diesen Aufriss hier gar nicht verdient.

Da dies ja eine Wiedergutmachung darstellen sollte, legte ich mich richtig ins Zeug. Nachdem ich kurz Staub gesaugt hatte und allerlei herumliegenden Kleinkram in den Müll befördert hatte, widmete ich mich dem Tisch. Ich fand einen hübschen Tischläufer, der sogar faltenfrei war und legte ihn über Smudos Esstisch.
„Kerzen! Verdammt! Ich Idiot habe ernsthaft Kerzen für ein Candlelight-Dinner vergessen!", schimpfte ich über mich selbst.
In der Hoffnung, dass Smudo in irgendeiner Schublade noch Kerzen hatte, zog ich wahllos Schubkästen auf und öffnete diverse Schranktüren. So gelangte ich zu Smudos Schreibtisch, wo mein Blick auf ein Foto fiel, das in einem kleinen Bilderrahmen darauf stand. Wie ferngesteuert nahm ich es in die Hand und betrachtete es von nahem. Ich hatte ganz vergessen, dass es dieses Foto gab.

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt