Alles erledigt

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Durchströmt von Optimismus joggte ich durch einen nahegelegenen Park und obwohl meine Beine mich längst nicht so weit tragen wollten, wie ich das gern gehabt hätte, hatte ich letzten Endes eine ordentliche Strecke zurückgelegt. Die Dusche tat gut und statt dass ich nach dem Laufen erschöpft wäre, überwiegte das Gefühl von neuer Kraft in mir. Der ganze Mist, der in letzter Zeit passiert war, lag hinter mir. Vor mir lag meine Zukunft und von mir allein hing es ab, wie sie aussehen würde.

Meinen Bart brachte ich in Form und war währenddessen sehr froh, dass ich heute nochmal zum Frisör gehen würde. Meine Haare waren wirklich zu lang und ließen sich in diesem Zustand nur schwer in Form bringen. Außerdem kitzelten sie bereits an meinen Ohren, was ich gar nicht mochte und was meiner Meinung nach auch nicht gut aussah.
Während ich das Werk meines Rasierapparates kurz im Spiegel betrachtete, kam mir plötzlich eine Idee, was ich Smudo mitbringen könnte und ich war direkt begeistert davon. So zog ich gut gelaunt und in freudiger Erwartung an heute Abend meine ausgewählten Klamotten an, sorgte mithilfe eines meiner Lieblingsaftershaves dafür, dass ich gut roch und verließ das elende Hotelzimmer. Ich musste mir langsam mal Gedanken darüber machen, wie lange ich noch hier wohnen wollte und wohin ich stattdessen ziehen wollte. Aber diese Entscheidungen mussten nicht heute getroffen werden. Heute waren Smudo und ich alles, worauf es ankam.

Meiner Idee folgend, was ich Smudo mitbringen konnte, ließ ich die Fotos vom Schlittschuhlaufen per Schnelldruck erstellen und freute mich direkt über das Ergebnis, als ich sie vom Automaten ausgespuckt bekam. Es war schön, Fotos zu haben, auf denen Smudo und ich gemeinsam zu sehen waren. Sofort erinnerte ich mich wieder an die Momente, in denen wir die Fotos gemacht hatten. Ich sah Smudos Funkeln in seinen Augen und mein Herz klopfte stark, als ich bemerkte, dass wir beide rundum glücklich aussahen.

Und dieser wunderbare Mann hat mich halb um den Verstand geküsst... Ich werde doch nie wieder froh, wenn das am Ende alles nur ein Traum war. Aber warum sollte er nur so tun, als ob? Ich kann mir das immer noch nicht vorstellen, dass ich so viel Glück haben soll, dass es Smudo genauso geht wie mir. Aber was hat Thomas gesagt? Eigentlich ist es nur logisch? Egal, ob es logisch ist oder nicht, ich werde es nur herausfinden, wenn ich dem ganzen auch selbst eine Chance gebe.

Der Frisörbesuch war der letzte Punkt auf meiner To-Do-Liste vor meinem Date mit Smudo. Ich hatte jetzt einfach beschlossen, dass ich es als Date auffasste. Zeitig genug machte ich mich auf den Weg zum Haare schneiden. Ich kannte die Frisörin schon lange. Sie schnitt meine Haare so, dass sie mir gefielen, machte mir aber auch ab und zu neue Vorschläge und deshalb ging ich schon seit einigen Jahren zu ihr.
„Wie beim letzten Mal, ja?", fragte sie gut gelaunt, als ich mit dem schwarzen Mantel über dem Körper vor einem großen Spiegel saß.
„Ja, genau", antwortete ich ihr und beobachtete im Spiegel, wie sie mir leicht durch die Haare fuhr, als würde sie sich kurz mit ihnen vertraut machen wollen, bevor sie sie bearbeitete. Ich dachte an Thomas, der mir und den anderen Jungs auch schon oft die Haare geschnitten hatte. Wir hatten für den jeweiligen Geist der Zeit immer gut ausgesehen. Mehr oder weniger verrückt, aber nie daneben.

„Hast du morgen noch was vor oder wieso musste es so kurzfristig sein?", fragte sie, während sie mit dem Rasierer die Haare über meinen Ohren bearbeitete.
Auch, wenn ich sie mochte, war es nie klug, einer Frisörin die Gelegenheit zu geben, Klatsch und Tratsch zu verbreiten. Ohne es böse zu meinen, aber sie hatte einfach zu viel Gelegenheit, um mit anderen Menschen darüber zu sprechen.
„Ja, so in etwa. Ich konnte die langen Haare aber auch einfach nicht mehr sehen", beantwortete ich ihre Frage ausweichend und lächelte in den Spiegel.
Sie schaffte es nicht ganz, sich ein Grinsen zu verkneifen. Wie oft sie wohl solche ausweichenden Antworten erhielt? Unbeeindruckt machte sie mit der Schere weiter und wir betrieben nebenbei noch ein wenig belanglosen Smalltalk.

Sie hielt mir einen Spiegel hinter den Kopf, sodass ich meine Frisur von allen Seiten begutachten konnte. Ich wusste nie richtig, was man in dieser Situation großartig sagen sollte, außer Worte wie „schön" oder „danke", verstand aber schon den Sinn dahinter. Ich konnte nichts aussetzen und so entfernte sie den schwarzen Mantel wieder von mir.

Ich bezahlte und verabschiedete mich von ihr. Im Hinausgehen bedankte ich mich noch schnell dafür, dass ich so kurzfristig hatte kommen können und machte dann die Tür zum Frisörsalon hinter mir zu. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich noch genug Zeit hatte. Zunächst musste ich erstmal meine Jacke zumachen, wozu es im Salon einfach viel zu warm gewesen war. So nestelte ich an meinem Reißverschluss herum, doch der schien sich irgendwie verhakt zu haben. Gänzlich auf den Reißverschluss konzentriert, lief ich den Fußweg entlang. Ich konnte im Nachhinein nicht einmal mehr sagen, wer von uns beiden überraschter war, als ich dadurch hinter einer Hausecke direkt in jemanden hineinlief.

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt