Abflug

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Die Tür des Balkons öffnete sich hinter mir.
„Sie ist gerade im Bad."
Smudos Stimme klang kühl. Unbeirrt blieb ich an das Geländer des Balkons gelehnt stehen und schnippte etwas Asche nach unten. Auch, wenn es nach außen vielleicht so wirkte, als wäre ich die Ruhe in Person, spielte sich in meinem Kopf das komplette Gegenteil ab. Ich hatte Angst, mich umzudrehen und Smudo in die Augen zu sehen. In seine wunderschönen Augen. Würde er in meinen Augen mehr lesen können, als ich ihm sagen wollte? Würde sein Blick noch genauso verwirrt wie vorhin sein? Dem Klang seiner Stimme nach zu urteilen eher nicht.
„Und?", fragte ich schließlich, nachdem ich noch einmal den Rauch inhaliert hatte.
„Du solltest jetzt gehen", beantwortete Smudo meine unpräzise Frage. Immer noch schien er im Türrahmen zu stehen und sich nicht von der Stelle bewegt zu haben.

Seufzend drückte ich meine Kippe am Geländer aus. An der Stelle waren bereits mehrere Abdrücke von solchen Tätigkeiten zu sehen. Smudo und ich hatten oft gemeinsam hier draußen gestanden und geraucht. Ich warf den Stummel vom Balkon und drehte mich um.
„Meinst du wirklich, dass nicht sie diejenige ist, die..."
„Raus hier."
Seine Stimme und die Kälte in seinen Augen ließen mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich fühlte mich furchtbar klein und wehrlos, dabei hatte ich Smudo doch gar nichts getan.
„Smu, ich...", flüsterte ich, doch weiter kam ich nicht. Smudo packte mich an meinem Oberarm und zerrte mich mit sich quer durch die Wohnung. An seiner Wohnungstür angekommen, ließ er mich wieder los. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch sein energischer Blick ließ mich diesen schnell wieder schließen.
„Denk nicht mal dran", knurrte er, während er die Tür öffnete. Ich hörte, wie die Badtür aufging.
„Smudi, hier riecht es aber ganz schön nach Zigarettenqualm! Du weißt doch, dass ich das nicht mag, wenn du rauchst! Wo bist du denn eigentlich?", ertönte die Stimme von Miriam. Smudo rollte genervt mit den Augen, dann bemerkte er, dass ich immer noch vor ihm stand und das genau gesehen hatte. Er zog die Augenbrauen zusammen und legte den Zeigefinger auf seine Lippen.
„Das muss über den Balkon vom Nachbarn reingezogen sein. Ich mach gleich wieder zu, Schnucki", rief Smudo ihr zu. Schlimmer konnte es zwischen Smudo und mir eigentlich nicht mehr werden, weshalb ich mich entschied, ehrlich zu ihm zu sein und andeutete, mich übergeben zu müssen. Kurz meinte ich so etwas wie ein Schmunzeln auf seinen Lippen zu sehen, doch es verschwand so schnell wieder, dass ich mich fragte, ob ich mir das nur eingebildet hatte. Im nächsten Augenblick war seine Stimme so eisig, dass mir jegliches Lachen verging.
„Verschwinde."
Ich schluckte. Leise öffnete er die Tür und schob mich nach draußen ins Treppenhaus. Ohne mich noch einmal anzusehen, schloss er die Tür wieder.

„Was machst du denn im Flur?", hörte ich Miriam bedingt durch die Tür gedämpft fragen.
„Ich dachte, hier hätte jemand geklingelt. War vielleicht ein Klingelstreich", antwortete Smudo.

So ein Blödsinn. Als würde es heutzutage noch Kinder geben, die Klingelstreiche machen. Hocken doch alle nur von ihren Eltern überwacht zuhause und spielen am Handy. Die glaubt auch alles. Blöde Kuh.

Am liebsten hätte ich direkt geklingelt und dieser Idiotin mal ordentlich meine Meinung gesagt. Meine Hand war sogar schon auf dem Weg zur Klingel, als das Gespräch im Inneren der Wohnung fortgesetzt wurde und ich in der Bewegung inne hielt.
„Weißt du, wir könnten das Essen auch einfach überspringen und direkt zum Nachtisch übergehen", sagte Smudo.
Seine Stimme war nun weit entfernt davon, kalt und hart zu klingen. Dass er die Auseinandersetzung mit mir innerhalb von so kurzer Zeit aus seinem Kopf gekickt zu haben schien, versetzte meinem Herz einen Stich. Zu allem Überfluss würde er offenbar auch das Essen, das ich zubereitet hatte, übergehen und wegschmeißen.
„Wer ist hier der Arsch?", flüsterte ich zu mir selbst.
Ich machte auf dem Absatz kehrt, damit ich nicht noch mehr mitbekam, was mich verletzen könnte.

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt