I Want To Hold Your Hand

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Das einzig nervige an unseren Sonnenbrillen war, dass ich Smudos Augen überhaupt nicht mehr sah. Dabei schaute ich so gern in seine Augen.
„Gehst du dann mal wieder von mir runter?", wollte Smudo wissen und lächelte mich an. Sah ich da etwa so etwas wie Verlegenheit in seinem Lächeln?
„Klar."
Irgendwie schafften wir es beide wieder eigenständig auf unsere Beine.
„So, jetzt aber los hier", legte ich fest und wollte mich gerade in Bewegung setzen, als ich bemerkte, dass Smudo schon wieder auf dem Weg zum Boden war. Blitzschnell hielt ich ihm meine Hand hin, an der er sich ebenso schnell festhielt.
„Puh, danke", meinte er.
„Kein Ding."
„Ich hab dir gesagt, dass ich das nicht kann."
„Dann halte ich dich einfach fest, bis du sicherer bist. Okay?"
„Okay."

Langsam begann ich zu fahren und gab Smudo mit meiner Hand die nötige Stütze, damit er nicht umfiel.
„Kein Hohlkreuz machen, sonst hast du morgen einen blauen Arsch", erklärte ich ihm.
So drehte wir Runde für Runde, in denen Smudo immer sicherer wurde und immer seltener aus dem Gleichgewicht kam. Dennoch hielt er weiterhin meine Hand fest, was mir zugegebenermaßen einiges Herzklopfen bescherte. Auch, wenn wir beide Handschuhe trugen, spürte ich die Wärme seiner Hand und fühlte mich wie der König der Welt, weil ich seine Hand halten durfte. Dass das ein bisschen kitschig war, war mir bewusst. Aber was konnte man schon gegen das, was man empfand, tun?
Hatte ich am Anfang noch verstohlen versucht, die Blicke der anderen Besucher zu deuten, stellte ich nun fest, dass wir gar keine besondere Beachtung erhielten. Die meisten waren sowieso mit sich selbst oder ihren Kindern beschäftigt. Niemand störte sich daran, dass zwei Männer händchenhaltend ihre Runden auf der Eisbahn drehten.

Nach ein paar Runden war Smudo in der Lage, sich nicht nur auf das Fahren zu konzentrieren und so redeten wir nebenbei über das, was uns gerade einfiel. Wir vermieden es beide, weiter über das zu sprechen, was Smudo vorhin in meinem Hotelzimmer nicht beendet hatte. Ich für meinen Teil hatte tatsächlich vergessen, was er gesagt hatte und wollte einfach nur den Tag mit Smudo genießen und keine Gespräche mit großer Tragweite führen. Dass wir endlich wieder Zeit miteinander verbrachten und Smudo nicht mehr mit dieser Schnepfe zusammen war, machte mich sehr glücklich.

Egal, was morgen ist oder in ein paar Wochen und Monaten. Heute gibt es nur Smudo und mich.

Die Eisbahn musste neu geglättet werden, wodurch wir eine Zwangspause verordnet bekamen. Das Konzept der Eisbahn war gut durchdacht, denn daneben befand sich ein Stand mit heißen und kalten Getränken.
„Gibt's eigentlich schon Glühwein?", überlegte ich laut, als wir die Eisbahn verließen.
„Bestimmt. Willst du einen? Ich lad' dich ein."
„Oh so spendabel heute? Wo hast du denn den Schwaben in dir gelassen?", meinte ich amüsiert.
„Kann ja nicht jeder so knausrig sein, wie du", entgegnete Smudo und grinste mich an.

Ich zog meine Handschuhe aus, um sie an der Glühweintasse wärmen zu können, als ich mich mit Smudo an einen freien Tisch stellte und Smudo tat es mir gleich.
„Cheers", meinte er und wir ließen die Tassen vorsichtig aneinander stoßen.
Wir setzten beide unsere Sonnenbrillen ab, weil sich die Sonne hinter einer Wolke versteckt hatte und wir kaum noch etwas sehen konnten.
Smudo schob dabei mit seinem Ellbogen seine Handschuhe vom Tisch. Der Glühwein war eh noch zu heiß zum Trinken, weshalb ich mich nach den Handschuhen bückte.
„Hier", meinte ich und drückte sie ihm in die Hand.
Unsere Hände berührten sich dabei. Nur ganz kurz, aber doch länger als nötig.
„Danke", sagte Smudo.
Sein Lächeln war alles, was ich für den Moment brauchte. Ich hätte es am liebsten für immer festgehalten. Dann fiel mir auf, dass ich das ja tatsächlich tun konnte und ich holte mein Handy aus der Hosentasche.
„Lass mal ein Sel... Foto machen", schlug ich vor.
„Für Insta oder was?"
„Nee. Nur so. Für mich."

Ich sah Smudos Strahlen in den Augen, als ich das sagte, denn ich hatte die Frontkamera bereits aktiviert und drückte direkt auf den Auslöser. Auch ohne mir das Foto anzuschauen, wusste ich, dass es eins der schönsten war, das ich jemals gemacht hatte.

Man, man, man. Wie soll ich das jemals wieder in den Griff kriegen? Mir flattert jedes Mal das Herz, wenn ich ihn nur ansehe.

Ich machte noch ein paar Fotos, bevor ich mein Handy wieder in die Hosentasche gleiten ließ.
„Schickst du mir die?", bat mich Smudo.
„Klar."

Die Glühweintassen leerten wir in Ruhe, sodass die Bahn bereits wieder freigegeben war, als wir wieder startklar waren.
„Bereit für ein Wettrennen? Eine Runde?", fragte ich und zog die Augenbrauen hoch.
„Was für eine Frage. Ich hatte den besten Lehrer", entgegnete Smudo und schob sich währenddessen die Sonnenbrille wieder auf die Nase. Im nächsten Augenblick betrat er auch schon die Eisfläche und fuhr los.
„He!", protestierte ich und stürzte direkt hinterher.

Hat der mich verarscht oder wie geht das, dass er jetzt auf einmal so schnell ist?

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt