Einen noch

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Ich wurde von einem unbekannten Weckton aus dem Tiefschlaf gerissen. Verwirrt schreckte ich hoch und betrachtete hektisch die Umgebung.
„Schnucki, alles gut. Mein Wecker. Leg dich wieder hin. Wir haben noch ein bisschen Zeit", kam es mehr als verschlafen von Smudo.
Er zog mich auch direkt wieder an sich heran und ich fühlte mich sofort wohl in seinen Armen.
„...Schnucki?", fragte ich schmunzelnd nach.
„Oh."
Smudo gähnte.
„Na du warst gestern irgendwie süß. Total müde und anhänglich. Schnuckelig eben...", nuschelte er vor sich hin.
Ich grinste. Smudo sagte es mehr wie Schnuggi und mein Herz schlug schneller, als ich mir dieses Wort aus seinem Mund ein paar mal durch den Kopf gehen ließ.
„Wie spät?", flüsterte ich.
„Du musst in einer halben Stunde los", antwortete er nur.

In einer halben Stunde kann man so einiges anstellen...

Dass ich nackt eingeschlafen war, bemerkte ich daran, dass es ungewöhnlich kalt war, als ein kurzer Luftstrom unter die Decke gelangte. Instinktiv kuschelte ich mich mit dem Rücken näher an Smudo heran, der daraufhin leise stöhnte.
„Nicht... Lass das bitte..."
„Wovon redest du?"
„Du hast nichts an, ich hab' ne Morgenlatte und liege direkt hinter dir... Und finde dich ziemlich... heiß."
Nach kurzer Überlegung fällte ich eine Entscheidung. Eine halbe Stunde hatten wir, das sollte hoffentlich reichen.
„Also die ultimative Gelegenheit, mich für gestern Abend zu revanchieren", raunte ich Smudo zu, drehte mich in seinem Arm – und verlor mich direkt in seinen Augen.
„Du verrückter Kerl", wisperte er verträumt, zog mich an sich und anschließend auf sich drauf.
Unsere Lippen fanden sich zu einem liebevollen Kuss, der mich das Hier und Jetzt vergessen ließ.

Es war eine völlig neue Erfahrung für mich, einen Mann mit dem Mund zu verwöhnen. Es kam mir... einfacher vor als bei einer Frau. Ich merkte auch an Smudos Reaktionen viel deutlicher, was ihm gefiel und was nicht. Außerdem konnte ich mir viel besser vorstellen, wie es sich für ihn anfühlte, was ich machte.
Den Gedanken, dass ich gerade genau das tat, wofür Miriam uns vor die Füße gespuckt hatte, verdrängte ich schnell wieder. Ich wollte nicht an Smudos Ex denken, während er sich unter mir räkelte. Stattdessen konzentrierte ich mich auf Smudo, der offensichtlich genoss, was ich tat.

„Du kannst mir doch nicht erzählen, dass du das noch nie gemacht hast!", keuchte er, als ich mich wieder nehmen ihn legte und er wie selbstverständlich seinen Arm um mich legte.
„Nö, das war Premiere. Du bist... mein Erster", meinte ich und schmunzelte über Smudos Worte.

Und wenn es nach mir und meinem verliebten Ich geht, bist du auch mein Letzter.

„Naturtalent..."
Ich zeichnete kleine und große Kreise auf Smudos Brust und seinen zweiten Arm, der locker auf seinem Bauch lag. Fast hätte ich laut gelacht, als ich an die zweifelnden Gedanken zurückdachte, die sich in den letzten Tagen in meinem Kopf befunden hatten. Nie hätte ich zu hoffen gewagt, heute in Smudos Armen aufzuwachen und gleich so einen Start in den Tag hinzulegen.
„Was denkst du?", fragte Smudo, der seinen Kopf zu mir drehte und mir einen Kuss auf die Stirn gab.
Seine ganze Gestik und sein Verhalten war so liebevoll, dass ich das Gefühl hatte, mein Herz würde durchgängig überlaufen vor lauter Glücksgefühlen.
„Wie müssen Einfach sein umschreiben", murmelte ich und drehte mich in seinem Arm, sodass wir uns direkt in die Augen sehen konnten.
Smudo runzelte die Stirn.
„Wieso?"
Ich legte meine Hand an seine Wange und strich mit mit dem Daumen sanft darüber.
„Es könnte alles so einfach sein... und manchmal ist es das auch", sagte ich leise.
Ich konnte Smudos Lächeln fühlen, als wir uns küssten. Es war die pure Erfüllung, ihm so nah sein zu können, ihm zu zeigen, wie viel er mir bedeutete und wie glücklich es mich machte, dass er meine Gefühle erwiderte.
„Wie soll denn das heute bitte was werden? Du hast mir so den Kopf verdreht, Michi...", nuschelte Smudo. Zwischendurch trafen sich unsere Lippen immer wieder.
„Frag mich mal...", brummte ich und genoss es, wie zärtlich Smudo sein konnte. „Egal, was ich heute auf der Pressekonferenz sage... Du weißt, dass nichts davon der Wahrheit entspricht, ja? Ich bringe das nicht übers Herz, wenn du das nicht weißt."
Smudo nickte und hauchte mir ein „Ich weiß" ins Ohr. Angenehme Gänsehaut kroch dabei über meinen Körper.
„Ich würde heute Abend gern wieder hier liegen, mit dir. Und mit dir all' das machen, was wir heute sagen, dass wir es nie tun würden...", flüsterte er in mein Ohr.
„Zum Beispiel?", fragte ich und zwinkerte ihm zu.
„Zum Beispiel dich küssen."
Ein Kuss landete auf meinen Lippen.
„Oder..."
„Sag mal, wann muss ich los?", unterbrach ich Smudo hektisch.
Sein Blick zuckte zu seinem Handy und er griff direkt danach.
„Vor zehn Minuten?", teilte er mir unbeholfen mit.
„Scheiße. Ich muss doch nochmal ins Hotel! So kann ich doch nicht bei der Pressekonferenz auftauchen!"
Smudo lachte.
„Dann könnte ich wirklich nicht die Finger von dir lassen."
Ich grinste ihn schief an, bevor ich aus dem Bett stürzte - immer noch splitterfasernackt wohlgemerkt. Ich wackelte zu Smudos Belustigung kurz mit meinem Hintern, bevor ich mich eilig anzog und ins Bad verschwand.

„Sag mal spinnst du eigentlich?", rief ich entsetzt und verließ das Bad nach einem Blick in den Spiegel direkt wieder.
Smudo schaute mich total verwirrt an.
„Was ist denn los?", fragte er.
„Was los ist? Hast du mal meinen Hals gesehen??"
Ich zeigte mit dem Finger auf das, was vom gemeinsamen Duschen übrig geblieben war: ein großer, roter Knutschfleck.
„Wir gehen heute auf eine Pressekonferenz, auf der wir allen glaubhaft verklickern müssen, dass wir nichts miteinander haben und du machst mir einen Knutschfleck!? Dein Ernst?"
Smudo schaute schuldbewusst drein.
„Ich dachte, das geht wieder weg... Ich war auch scharf auf dich, gestern...", murmelte er. „Sag, du hattest eine heiße Nacht. Nur eben nicht mit mir. Steht ja nicht drauf, dass der von mir ist."
„Das nicht, aber... Man, wir müssen vorsichtiger sein, Smu!"
„Ist ja gut..."

Ich atmete tief durch und fuhr mir dabei mit der Hand über mein Gesicht.
„Sorry. Ich bin nervös wegen nachher. Nicht böse gemeint, ja?", überwand ich mich zu sagen.
Er hatte sich gestern schließlich nicht an meinem Hals festgesaugt, um mir zu schaden. In dem Moment hatte es sich gut angefühlt – zu spüren, dass er mich begehrte. Es war nur ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt gewesen.
„Hm", machte Smudo.
Er hatte sich wieder auf den Rücken gelegt und wirkte nicht so, als wäre meine Entschuldigung schon angekommen. Seufzend stützte ich mich mit den Armen auf dem Bett ab, sodass sich Smudos Kopf genau unter meinem befand, nur andersherum.
„Hey, zerbrich dir nicht den Kopf über meinen Dickschädel. Du kennst mich doch", sagte ich und zwinkerte ihm zu.
Dann näherte ich mich mit meinen Lippen seiner Stirn und wanderte von dort aus langsam bis zu seinen Lippen. Auf meinem Weg verteilte ich federleichte Küsse auf seiner Haut, die dazu führten, dass Smudo wieder lächelte, als ich bei seinem Mund ankam.
„Ich muss mir einen Kuss-Vorrat anlegen für nachher", murmelte ich grinsend, während sich unsere Lippen immer wieder trafen.
„Du musst vor allem los, du Spinner", sagte Smudo lachend und drückte mich von sich weg.
„Jetzt will er mich doch loswerden", sagte ich gespielt gekränkt, musste aber bereits eine Sekunde danach ebenfalls lachen.

Keine fünf Minuten später standen wir in Smudos Flur. Meine Hand lag bereits auf der Klinke der Wohnungstür, doch ich konnte mich einfach nicht von ihm losreißen.
„Du musst los. Seit Ewigkeiten!", sagte Smudo wenig überzeugend, denn gleich danach drückte er seine Lippen wieder auf meine.
„Ich will nicht", entgegnete ich und fuhr mit den Händen durch seine Haare.
Smudo löste sich widerwillig von mir und hielt mich an den Schultern fest.
„Ein Kuss noch. Dann gehst du", sagte er.
„Einer noch?", fragte ich, nachdem ich ihn bereits wieder geküsst hatte.
„Mmmmh. Einer noch."

„Jetzt aber!", sagte ich und machte mich von Smudo los.
„Dann schnell, sonst wird das nie was", meinte er und drückte mir einen vorerst wirklich letzen Kuss auf die Wange.
Ich lächelte ihn an und sah dabei wahrscheinlich aus, als hätte man mir die rosarote Brille direkt ins Gesicht tätowiert, aber er schaute mich genauso an wie ich ihn.

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt