Schwarz auf weiß

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„Bist du jetzt zufrieden?? Du bist auf jedem verdammten Titelbild zu sehen! In jeder Zeitung, online genauso! Du und diese... diese... dieses Miststück!!"
Mit diesen Worten knallte ich die Zeitung auf den Tisch in unserem Proberaum. Ich war mehr als nur auf 180.

„Hab ich's ihm nicht hundert mal gesagt? Thomas? Hab ich's nicht gesagt??", wandte ich mich an besagten Thomas, der mich genauso erschrocken anschaute, wie Smudo, dem ich die Zeitung vor den Latz geknallt hatte. Thomas fing sich einen Moment später wieder: „Hast du, Michi. Jetzt komm mal wieder runter, beruhig dich. Was ist denn..."
Ich lachte verächtlich auf.
„Ich soll mich beruhigen? Hast du mal in die Zeitung geschaut?? Das ist Klatschpresse vom Feinsten, D! Und alles nur, weil Herr Schmidt seine scheiß rosarote Brille nicht absetzen wollte!", wetterte ich weiter.
Mit den Händen stützte ich mich nun auf den Tisch auf, auf dem die Zeitung gelandet war. Smudo saß auf der Couch dahinter. Er regte sich absolut nicht, was mich noch rasender machte. Mein Gesicht stoppte nur wenige Zentimeter vor seinem.
„Von dir ist die Rede. Brauchst gar nicht so zu tun, als wüsstest du von nichts. DU machst uns hier zum Gespött der Nation! Danke für Nichts!", meckerte ich lautstark.

Smudos Augen waren glasig. Das Blau in seinen Augen kam dadurch noch besser zur Geltung. Irritiert über diese Feststellung und gleichzeitig vor Wut schüttelte ich mit zusammengekniffenen Lippen den Kopf.
„Na los. Dann ließ, was du angerichtet hast, wenn du dich nicht mehr daran erinnerst", sagte ich leise, aber mit schneidendem Ton. Smudo rührte sich immer noch nicht.
„Lies... es!", brüllte ich ihm nun mitten ins Gesicht und drückte ihm die Zeitung an die Brust.
Smudo zuckte zusammen und ihm lief eine einzelne Träne über die Wange.
„Michi! Das reicht!", brüllte Thomas mich im Gegenzug an und zog mich an den Schultern energisch nach hinten, weg von Smudo, der wie ein Häufchen Elend auf der Couch saß.

Thomas schleifte mich zur Tür unseres Probenraums und schloss sie hinter uns.
„Bist du eigentlich noch ganz bei Trost, Smudo vor versammelter Mannschaft so runterzuputzen? Ich kenn dich, Michi. Aber das hätte ich nicht mal von dir erwartet", sagte er - bemerkenswert ruhig angesichts der hochgekochten Situation. Er wollte mir ins Gewissen reden, aber das wollte ich nicht. „Ach, leck mich. Lass mich einfach in Ruhe!", rief ich aufgebracht und schüttelte seine Hände von meinen Schultern ab.
Dann drehte ich mich weg von Thomas und marschierte auf direktem Weg zur Feuertreppe. Ich brauchte frische Luft und eine Kippe. Dringend.

Als Thoma die Tür zum Probenraum wieder öffnete, hörte ich noch, wie Andy von innen seufzte und ironisch sagte:
„Ich liebe Bandprobe."
Ich hörte außerdem ein ersticktes Schluchzen, welches garantiert von Smudo kam. Das versetzte meinem Herz einen Stich. Es gab weniges, was Smudo so aus der Fassung brachte, dass er deshalb Tränen vergoss. Das wusste ich nach der langen gemeinsamen Zeit mit ihm und den anderen Jungs. Dass ich jetzt daran mit schuld war, tat mir schon ein bisschen leid. Ich hätte Smudo gern in den Arm genommen und ihm gesagt, dass alles halb so wild wäre und wir das schon alles wieder geradebiegen würden. Aber es ging mir partout gegen den Strich, dass er sich von seiner Ollen so hatte ausnutzen lassen und meine damals noch gut gemeinten Hinweise dahingehend jedes Mal direkt in den Wind geschlagen hatte. Jetzt hatte er die Quittung bekommen.

Hätte er auf mich gehört, wäre das alles nie passiert!

Ich zündete mir eine Zigarette an, lehnte mich an das Treppengeländer und nahm einen tiefen Zug. Kopfschüttelnd blies ich den Rauch nach oben.

Seit zwei Monaten, seit der Hochzeit von Smudos Schwester, war ich mit Smudo ständig aneinander geraten. Ich hatte das Gefühl, überhaupt nicht mehr an ihn ranzukommen, was mich angesichts unserer langjährigen Freundschaft wirklich beunruhigte. Zuletzt hatte ich mich nicht mal mehr alleine mit ihm treffen können, weil seine Klette - ich weigerte mich, ihren Namen zu verwenden - immer unbedingt dabei sein wollte. Es hätte mich nicht mal mehr gewundert, wenn er mit einer Kette angekommen wäre, auf der ihr Name mit großen Buchstaben geprangt hätte, so wie vor mehreren Jahrzehnten bei Thomas Anders.

Anscheinend hatte diese Bitch es aber mit der Zeit gar nicht mehr zu schätzen gewusst, wie aufopferungsvoll Smudo für sie da war. Oder sie wollte mediale Aufmerksamkeit, ich wusste es nicht genau. Mit Smudo hatte ich ja nicht reden können. Sie hatte ihn auflaufen lassen, anders konnte ich mir die Schlagzeilen nicht erklären. Das Foto, auf dem Smudo und die blöde Kuh zu sehen waren und das in sämtlichen Zeitungen zu finden war, zeigte die beiden vor dem Hinterausgang eines Clubs. Smudo war völlig hinüber und griff mit einer Hand nach dem Arm seiner Landplage. Die Szene wirkte insgesamt so, als wäre sie gerade erst aufgetaucht und als würde Smudo ihr erklären wollen, dass alles gar nicht so war, wie es aussah. Das hoffte ich tatsächlich für ihn. Die Schlagzeile darüber ließ jedoch etwas anderes vermuten:

Erwischt: Smudo in Gay-Club!
Hat er seine neue Flamme betrogen?

Es war mir ehrlich gesagt scheißegal, ob Smudo tatsächlich in dem Club war. Es wäre mir auch egal, wenn er seit neustem auf Männer stehen würde, auch wenn es mich sehr wundern würde. Das, was mich so rasend vor Wut machte, war die Tatsache, dass „seine Neue" daran schuld war, dass es Negativschlagzeilen für Smudo und damit auch für uns als Band gab.

Ich hasste Klatschpresse. Wie die Geier stürzten sie sich auf das kleinste Krümel. Aber das hier, das war ein ganzes Backblech voller Kekse. Wie konnte Smudo nur so blöd sein und sich nicht mindestens mehrere Kilometer entfernt von dieser Schnepfe aufhalten? Sie war nicht gut genug für ihn und sie tat ihm auch nicht gut. Auch unabhängig von diesem Desaster hatte er sich verändert und das nicht zum Positiven, wie ich fand.

Ich hörte, wie die Tür aufging, hatte aber keine Lust, mich umzudrehen. Da von meinem Hintermann jedoch auch keine weitere Aktion folgte, fragte ich schließlich genervt:
„Was?"

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt