Sturköpfe

86 4 0
                                    

„Du musst es ihm sagen, Uli."
„Muss ich nicht! Das macht doch alles nur noch schlimmer!"
Wir saßen auf unserer Couch. Im Fernsehen lief irgendeine Sendung, doch die interessierte mich schon lange nicht mehr und ich schaltete den Ton aus.
„Er ist mein bester Freund und er hat ein verdammtes Recht darauf, zu erfahren, dass du schuld an allem bist!", widersprach ich ihr.
„Mein Gott, Uli! Das hat doch auch was mit Respekt und Anstand zu tun. Oder verstehst du davon nichts mehr?", fuhr ich sie an, nachdem sie mir nicht geantwortet und stattdessen nur ihre Arme vor der Brust verschränkt hatte.
„Sag mal geht's noch, Michi?", entgegnete sie wütend. „Wie redest du denn mit mir? Kein Wort sag' ich ihm!", beharrte sie stur auf ihrer Meinung.
Stur bleiben konnte ich auch.
„Uli, jetzt hör mir mal zu. DU hast den ganzen Mist verzapft. Dann musst DU auch dafür gerade stehen! Und nicht nur das. Ich häng da doch auch mit drin, wir sind nun mal leider Gottes verheiratet!"
„Leider Gottes? Leider Gottes?? Bei dir hackt's wohl, oder was?"
Vielleicht hatte ich den Bogen damit überspannt, aber es war mir egal.
„Denkst du eigentlich immer nur an dich, Michi? Wenn dir das so wichtig ist, dann erzähl du es ihm doch", meinte sie patzig.
„Werd ich auch tun, verlass' dich drauf. Und nein, mir geht es hier nicht um mich. Mir geht es um Smudo, der noch nie so am Boden zerstört war wie gestern", erklärte ich leise.
Seine Verzweiflung von gestern war beinahe greifbar für mich und ich spürte, wie mir ein Stich ins Herz fuhr, als ich daran dachte.
Da ich es nicht länger mit Uli in einem Raum aushielt, stand ich auf, teilte ihr mit, dass ich rauchen gehen würde und schloss die Wohnzimmertür hinter mir.
Aus meiner Jackentasche im Flur angelte ich eine Schachtel Kippen und ging dann damit auf den Balkon.

Ich hatte gehofft, nach den ersten Zügen wieder etwas runterzukommen, doch diese Hoffnung verflog mit dem Rauch, den ich in die Abendluft blies. Ich fummelte mein Handy aus der Hosentasche und tippte wahllos darauf herum, während ich darauf wartete, dass das Nikotin seine Arbeit tat.
Ulis wütende Stimme erklang stark gedämpft durch mehrere geschlossene Türen und Fenster. Sie schimpfte lautstark vor sich hin. Dieser Streit war einer von so vielen unnötigen. Ich verdrehte die Augen und schüttelte leicht den Kopf.

War das wirklich so eine gute Idee, dass wir es nochmal miteinander versucht haben? Wir haben uns fast jeden Tag in den Haaren. Meine Haare werden schon grau... Na gut, nicht deshalb, aber trägt bestimmt auch dazu bei. Der Sex mit ihr ist gut... Gut, was sag' ich, für die Länge unserer Ehe ist er wirklich phänomenal. Das ist aber auch das einzige, wobei wir wirklich harmonieren. Wir kriegen beide ständig alles in den falschen Hals. Und wieso steht sie nicht hinter mir? Gerade, wenn es um Smudo geht, der mir so wichtig ist, müsste sie das doch eigentlich verstehen...

Meine Gedanken schweiften zu Smudo. Zu gestern morgen und zu gestern Abend. Zu heute Nacht. Zu heute morgen. Zu der ungewohnten Nähe zwischen uns, meinen eigenen ungewohnten Gedanken in Bezug auf meinen besten Freund.

Vielleicht war es einfach ein bisschen viel... Alles. Er war total drüber, ich hab mich auf seine Gefühlslage eingelassen, wir haben ein, zwei Bier zu viel getrunken... Alles safe. Oder? Jedenfalls muss ich Smu von Uli erzählen. So schnell wie möglich.

Seufzend und mit einem unbehaglichen Gefühl im Bauch suchte ich Smudos Nummer aus meinen Kontakten raus und rief ihn an. Bereits nach wenigen Ruftönen ging er ran.
„Hey, Michi. Was gibt's?"

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt