Es geht in die Verlängerung

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„Michi."
„Michi, ganz kurz nur."
„Du kannst gleich weiterschlafen."
„Hey... Michi..."

Im Halbschlaf nahm ich diese Worte wahr, die sanft an mein Ohr drangen und letztendlich dafür sorgten, dass ich verwirrt die Augen aufschlug. Mein Kopf ging halb in der Luft, halb... lehnte er an Smudos Brust, um die ich außerdem einen Arm geschlungen hatte, auf dem wiederum seine Finger kleine Kreise zeichneten.
Ich schreckte vollkommen perplex hoch – und verpasste Smudo dabei mit meinem Hinterkopf einen Kinnhaken.
„Aaah pass doch auf, Mensch...", schimpfte Smudo und bewegte seinen Unterkiefer hin und her.
„Sorry. Tut mir leid. Das war nicht geplant", entschuldigte ich mich sofort. „Auch nicht, dass ich so auf dir drauf gehangen habe", fügte ich schnell hinzu.
Ich rieb mir den Hinterkopf, weil der Zusammenstoß nicht nur für Smudo schmerzhaft gewesen war. Dann musste ich erstmal gähnen.
„Wie spät?"
„Erst halb 12."
„Oh."
Smudo streckte sich ein wenig.
„Anstrengender Tag eben", meinte er.
Smudo kratzte sich an der Stirn. Er wirkte auch ziemlich müde und geschafft. Sicherlich wollte er ins Bett gehen und mit mir halb auf sich drauf war das nicht möglich gewesen.
„Ich wollte dich eigentlich gar nicht wecken, aber...", begann er.
„Aber du willst jetzt pennen und bist mich nicht losgeworden. Klar", beendete ich seinen Satz und nickte verständnisvoll.
Smudo runzelte die Stirn.
„Wer sagt, dass ich dich loswerden will? Aber liegen ist halt schon besser als sitzen", meinte er, woraufhin ich kurz stutzte.
„Du willst mich gar nicht loswerden?"
„Michi...", sagte Smudo, legte beiläufig seine Hand auf mein Knie und schaute dabei mit seinen müden Augen in meine, „Du gehst mir wirklich äußerst selten so auf den Sack, dass ich dich loswerden möchte. Und wenn, hat sich das meistens innerhalb von fünf Minuten auch wieder erledigt."
Noch bevor ich überhaupt etwas erwidern konnte, hatte Smudo auch schon nach meiner Hand gegriffen, war aufgestanden und zog mich nun nach oben. Überrascht über so viel Bewegung fiel ich erst einmal zurück auf die Couch. Ich rieb mir die Augen.
„Was wird das?", nuschelte ich verschlafen.
„Bett ist bequemer als Couch. Und größer."
Damit zog Smudo mich erneut hoch und ich tapste hinter ihm her. Ich war noch so im Tran, dass ich erst checkte, dass wir in sein Schlafzimmer gingen, als wir dort bereits ankamen. Leicht benebelt stand ich neben Smudos Bett.
„Oder... willst du lieber... alleine... auf der Couch...", fragte Smudo und machte mit einem Mal einen sehr unsicheren Eindruck auf mich.

An den Abend mit Smudo die Nacht dranhängen? Den Moment der Rückkehr in die Realität noch herauszögern? Nichts lieber als das.

Starr lag ich im Bett, nur mit meinen Boxershorts bekleidet. Mein Blick war an die Zimmerdecke gerichtet und wie mein Körper starr. Ich traute mich kaum, zu atmen, geschweige denn, mich zu bewegen. Dabei wäre das genau das gewesen, was ich zu gern getan hätte: mich zu Smudo zu drehen und ihn in meine Arme zu nehmen. Ihm das Gefühl zu geben, geliebt zu werden und wenn es nur für heute war.

„Noch wach?", fragte Smudo plötzlich.
Ich schaute überrascht nach links und sah Smudo im leichten Schein der Straßenlaternen, der genau so da lag wie ich. Starr auf dem Rücken, die Arme gerade an den Seiten. Und das brachte mich zum lachen. Ich drehte mich auf die Seite und stützte meinen Kopf auf die Hand. Smudo verharrte in seiner Position, alles was er bewegte, war sein Kopf. In dem schwachen Licht konnte ich keine Einzelheiten erkennen, doch ich wusste auch so, dass er mich ansah.
„Warum lachst du?", fragte er.
„Weil du genauso verkrampft daliegst wie ich bis gerade eben", antwortete ich belustigt.
Mit mehr Mut, als ich mir in diesem Moment zugetraut hätte, fuhr ich langsam Smudos Arm mit meinen Fingern entlang. Smudo bekam eine Gänsehaut, was ich so deutete, dass es ihm gefiel.
„Sorry. Ich weiß, wir haben schon öfter in einem Bett geschlafen. Nur..."
„Heute ist es anders?", warf ich ein.
„...Genau."
Smudo seufzte und fuhr sich mit der freien Hand übers Gesicht. Ich hörte auf, ihn zu streicheln, denn ich fürchtete mich vor dem, was er als Nächstes sagen würde.
„Michi, ich...", sagte Smudo leise, „ich will das jetzt nicht besprechen. Ich will viel lieber... ach man, ich weiß es doch auch nicht. Lass uns einfach schlafen."
Er klang unzufrieden und drehte sich unwirsch von mir weg, auf die Seite.

Vielleicht geht es ihm doch genauso so wie mir?

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt