Reis im Reiskocher

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Ganz so schnell war Smudo dann allerdings doch nicht, wie ich feststellte, als ich selbst Tempo aufnahm. Ich holte ihn relativ schnell ein und erreichte mit einem ziemlichen Abstand als Erster das Ende der Runde. Völlig außer Atem kam Smudo bei mir an und stoppte professionell, indem er sich an die Bande fallen ließ.
„And the winner is...", sagte er feierlich, als er sich beruhigt und wieder aufgerappelt hatte, „the one and only...", er griff nach meiner Hand, „cooler als Eis und heißer als... Reis im Reiskocher. Oh Gott ist der Reim schlecht... Na, wie auch immer: Michi Beeeeck!"
Und damit reckte er meinen Arm in Siegerpose in die Luft. Ich konnte gar nicht anders, als zu lachen.
„Reis? Ernsthaft? Was anderes fällt dir nicht ein, was sich auf Eis reimt?", prustete ich, während wir lachend einen Fuß vor den anderen setzten und dabei versuchten, nicht umzufallen.
Ich erhielt keine Antwort, nur ein zufriedenes Lächeln von Smudo, als wir uns beide wieder beruhigt hatten und weiter unsere Runden fuhren.
Ich hatte gedacht, dass Smudo meine Hand nach dieser spontanen Siegerehrung wieder loslassen würde, doch davon war er weit entfernt. Noch während ich die daraus resultierenden Emotionen in mir zu ordnen versuchte, kam mir Smudos Satz wieder in den Sinn: Cooler als Eis, heißer als Reis.

Er hat nicht ernsthaft gesagt, dass er mich... heiß findet, oder? Das war nur wegen dem Reim. Nur der Reim. Nur ein ganz schlechter Reim. Und unnötig noch dazu. Will er mich aufziehen? Meint er das ernst? Hat er überhaupt bemerkt, was er da gesagt hat? Ich werd' nicht schlau aus dem Mann.

„Woran denkst du?", fragte Smudo schmunzelnd.
„Hä? Wieso?", fragte ich geistreich zurück.
„Du siehst... ich weiß auch nicht, mir fällt das richtig Wort nicht ein. Vielleicht verwirrt? Jedenfalls wirkst du ein bisschen durcheinander."
„Hm... muss an dem Glühwein von vorhin liegen. Bewegung und Alkohol, gibt Sachen, die man besser miteinander verbinden kann", rettete mich mein heute sonst eher langsames Hirn.
„Ach so", meinte Smudo. „Willst du lieber wieder heim?"
Ich lachte bitter.
Heim gibt es bei mir gerade nicht."
Und das machte mich trauriger, als ich es für möglich gehalten hätte.
„Dann komm doch mit zu mir heute. Wir können noch einen Film gucken und du musst nicht im Hotelzimmer pennen", schlug Smudo unbeeindruckt vor.

Mein Kopf sagte, dass ich das lassen sollte, weil er für nichts mehr garantieren konnte. Mein Herz schrie dagegen förmlich, dass mir Smudo nichts schöneres hätte anbieten können. Mehr Zeit mit Smudo war das beste, was ich mir für den Moment vorstellen konnte.
„Meinst du wirklich?", fragte ich sicherheitshalber noch einmal nach, ob er das tatsächlich ernst gemeint hatte.
„Klar, warum nicht?", entgegnete Smudo.
„Dann... Sehr gern", antwortete ich lächelnd und drückte aus einem Impuls heraus kurz seine Hand.
Smudo erwiderte das Lächeln und fuhr mit seinem behandschuhten Daumen über meinen, was bei mir ein Kribbeln im ganzen Körper auslöste.

Das wird sehr unschön für mich, wenn ich aus diesem Traum aufwache. Ein harter Aufprall zurück in die Realität. Aber heute muss ich noch nicht aufwachen. Heute kann ich träumen und... Smudo genießen.

Es war komisch, Smudos Hand nicht mehr zu halten, als wir die Eisbahn verließen. Wir saßen im Taxi und stellten beide fest, wie fertig wir eigentlich waren. So viel Bewegung an der frischen Luft hatte ich in den ganzen letzten Wochen nicht gehabt. Das Schuckeln des Taxis ließ Smudos Augenlider schwer werden, was dazu führte, dass ich plötzlich seinen Kopf auf meiner Schulter liegen hatte. Vor Schreck wäre ich beinahe zusammengezuckt, doch ich konnte mich gerade noch so zusammenreißen. Stattdessen lehnte ich meinen Kopf an seinen und genoss die Nähe zwischen uns.
Nebenbei schickte ich ihm ein paar der Fotos, die ich von uns beim Schlittschuhlaufen gemacht hatte, steckte das Handy dann aber wieder weg.

Das deutliche Räuspern des Taxifahrers, als wir vor Smudos Wohnung zum Stehen kamen, riss uns beide aus dem Schlaf. Überrascht, dass ich ebenfalls eingeschlafen war, schaute ich in Smudos Augen.
„Gut geschlafen?", fragte ich und zwinkerte ihm zu.
„Mh", brummte er und rieb sich die Augen, „sehr bequem".
Smudo gähnte.
„Entschuldigung. Was bekommen Sie?", wandte er sich dann an den Taxifahrer.
Dieser nannte den Fahrtpreis, Smudo gab ihm das Geld und wir stiegen aus dem Fahrzeug.

Taxifahren ist scheiß teuer...

„Mein Rücken", stöhnte Smudo, als er die Haustür aufschloss. Er lachte kurz, hielt sich aber dennoch das Kreuz und streckte sich ein wenig.
„Wem sagst du das", seufzte ich und klopfte ihm dabei energisch auf den Rücken.
„Oar hör auf, Michi!"
„Ja, ist ja gut. Los jetzt, du alter Sack. Komm' mal aus dem Knick."
Smudo sah mich prüfend an, dann zog es ihm die Mundwinkel nach oben.
„Du darfst das sagen, du bist schließlich genau so ein alter Sack wie ich", konterte er.
„Na aber, Jungspund. Ein bisschen Respekt vor dem Alter, bitte."
„Dein Ernst? Wegen drei Monaten?"
Lachend betraten wir seine Wohnung und entledigten uns unserer dicken Jacken.
„Willst du zuerst duschen? Ich mach solange was zu essen", schlug Smudo vor.
„Mach dir keinen Aufwand", meinte ich, schon auf dem Weg zum Bad. „Ich esse auch..."
„Würdest du dich nicht freuen, wenn ich was für uns beide koche?", unterbrach mich Smudo und hielt mich an der Schulter fest.

Und wie...

Ich drehte mich zu ihm um.
„Doch. Klar. Sehr sogar", antwortete ich lächelnd.
Smudos Hand lag immer noch auf meiner Schulter. Jede Berührung von Smudo ließ mich mich unglaublich gut fühlen. Mein Herz schlug schnell und intensiv, denn wir standen wie erstarrt da und konnten die Augen nicht vom jeweils anderen lösen.
Smudo ging einen Schritt auf mich zu und zog mich plötzlich in seine Arme. Überrascht erwiderte ich diese Umarmung. Was auch immer ihn dazu geritten hatte, ich genoss es, ihm so nah sein zu dürfen.
„Es ist so schön, dass du hier bist", flüsterte Smudo mir ins Ohr.
Es klang wie Musik in meinen Ohren. Als Antwort drückte ich ihn kurz fest an mich. Doch dann brachte ich all meine Kraft auf, um mich etwas von ihm zu lösen. Man sollte das Glück nicht überstrapazieren, oder wie hieß es noch?
„Ich geh duschen", sagte ich leise.
Dabei fuhr ich mit meinen Händen über Smudos Unterarme, um ihm noch ein wenig länger... nah zu sein. Seine Augen funkelten im schönsten Blau, das ich mir vorstellen konnte. Ich ging langsam rückwärts und meine Hände hatten Smudos Hände bereits erreicht, als er meine Bewegung stoppte, indem er selbst nach meinen Händen griff.
„Warte!"

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt