Ich dich auch

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„Hey, Smu. Wo hast du denn deine Plus 1 gelassen?", fragte ich und ließ es möglichst belanglos klingen.
„Oh Miri holt uns gerade was zu trinken. Wollt ihr auch was?"
Mir kam die Galle hoch, wie verliebt er den Namen dieser grässlichen Person aussprach. Sie war nicht gut genug für Smudo. Smudo verdiente nur das beste - und das war garantiert nicht diese Miriam.
„Wir?", fragte ich, da mir plötzlich wieder einfiel, dass er mich etwas gefragt hatte.
„Na Uli und du, das Traumpaar nach dem Brautpaar auf der Feier, wer denn sonst?", meinte Smudo. Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu und seufzte.
„Nein, danke. Hab Uli gerade aus den Augen verloren...", sagte ich wahrheitsgemäß, da ich sie noch nicht wieder entdeckt hatte, seit sie mich stehen gelassen hatte.

„Denkt dran, dass dann gleich die Fotos gemacht werden. Was hältst du eigentlich davon, wenn wir eins mit unseren Frauen gemeinsam machen lassen? So zu viert?", schlug Smudo vor und ich merkte ihm direkt an, dass er von seiner Idee begeistert war. Das war auch der einzige Grund, warum ich ihm zustimmte. Das Funkeln in seinen Augen war einfach zu überzeugend für mich, als dass ich ihm die Bitte hätte abschlagen können. Dafür musste ich allerdings meine Frau erstmal finden, was ich Smudo auch mitteilte. Ich hatte schon so eine Ahnung, wo Uli stecken könnte.

Mission Traumpaar Beck läuft gerade gar nicht gut...

Ich zog mir das Sakko wieder an und bewegte mich auf die Frauentoilette zu. Da sonst niemand in der Nähe war, öffnete ich die Tür einen Spalt und schaute in den Raum hinein. Wie ich vermutet hatte, entdeckte ich Uli darin. Sie stand mit dem Rücken zur Tür vor dem Spiegel, durch welchen ich sie anschaute. Sie fing meinen Blick auf.
„Verzieh dich einfach", sagte sie entnervt zu mir und widmete sich wieder ihrem Gesicht, in dem sie mit einem Tuch herum wischte.
Ich tat nichts dergleichen, stattdessen betrat ich den Toilettenvorraum und näherte mich Uli. Sie sah mich warnend durch den Spiegel an. Abwehrend hob ich die Hände und blieb stehen.
„Es tut mir leid, dass ich vorhin so ausgerastet bin", sagte ich ehrlich. Uli nickte nach einem kurzen Moment, weshalb ich weiter auf sie zuging.

Ich stellte mich direkt hinter sie, wobei ich einen Abstand von wenigen Zentimetern einhielt.
„Was willst du?", fragte Uli skeptisch. „Claudia und Henrik nicht die Hochzeit verderben und deshalb so tun, als würde ich dich lieben", antwortete ich nüchtern und griff nach ihren Händen. Sie versteifte sich, ließ mich aber gewähren. Ich trat noch einen Schritt an Uli heran und verschränkte unsere Finger über ihrem Bauch miteinander. Ich betrachtete uns für einen Augenblick im Spiegel und bemerkte meinen eigenen leeren Blick dabei. Uli schaute mich eher niedergeschlagen an.
„Smudo will, dass wir mit ihm und seiner Schnalle Fotos machen lassen. Kommst du mit?", murmelte ich.
„Hältst du das denn aus?", fragte sie nur.
„Hab ja Smudo dabei... Und natürlich meine liebreizende Frau", antwortete ich ironisch mit einem abschätzigen Zwinkern. Uli rollte mit den Augen und stöhnte genervt.
„Dieser Tag ist die Hölle für mich. Und du bist Schuld dran", meinte sie.
„Zum Heiraten gehören immer zwei. Hättest mich ja nicht nehmen müssen", erwiderte ich kühl.

Ich konnte ihr direkt ansehen, wie wütend sie dieser Satz machte. Sie schüttelte meine Hände ab und stieß mich von sich weg.
„Schön. Jetzt habe ich richtig Lust darauf, Fotos mit dir machen zu lassen. Toll gemacht, Michi. Ganz toll", schimpfte sie vor sich hin. Ich zuckte nur mit den Schultern und ging in Richtung Tür. Dann straffte ich die Schultern und setzte ein künstliches Lächeln auf.
„Schatz, kommst du?", fragte ich mit besonderer Betonung des ersten Wortes.
„Natürlich, Schatz", entgegnete Uli mir und stolzierte durch die Tür, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Nun rollte ich mit den Augen.

Warum nochmal hatten wir zugesagt, uns heute Abend um die Musik zu kümmern? Becktobeck ist Geschichte, man! So eine Kacke hier, der ganze Tag ist im Eimer!

Wir fanden Smudo und Miriam, nachdem wir dem Brautpaar gratuliert hatten. Wir funktionierten als Fake-Paar. Wir taten so, als würden wir die Witze des anderen lustig finden, wir stellten uns nah zueinander, ich legte von Zeit zu Zeit meinen Arm um Uli und ab und zu flüsterte sie mir etwas ins Ohr. Was niemand außer mir hören konnte, waren die Worte, die dabei an mein Ohr drangen. Es war ihre Rache für vorhin. Ihre Worte waren verletzend, doch ich lächelte jedes Mal nur und tat nach außen hin so, als hätte sie mir etwas schönes gesagt.

Vor dem Fotografen hatte sich eine Schlange gebildet, sodass wir zu allem Überfluss mit Smudo und Miriam Smalltalk betreiben mussten. Ich bemerkte mit Genugtuung, dass Uli bereits nach wenigen gewechselten Worten die gleiche Meinung von Miriam zu haben schien, wie ich - nur, dass sie das besser verstecken konnte als ich.

Anscheinend gibt es doch noch Dinge, bei denen wir die selbe Meinung haben. Abgesehen davon, dass wir uns gegenseitig auf den Geist gehen.

Ich wollte die Situation ausnutzen, dass Uli sich mit Miriam notgedrungen unterhielt, um mit Smudo zu quatschen, doch dieser hing gebannt an den Lippen seiner Plus 1 und war nicht mal ansatzweise zu einem mehr oder weniger sinnvollen Gespräch mit mir zu bewegen... Gelangweilt vergrub ich deshalb die Hände in den Taschen der Anzughose und starrte Löcher in die Luft. Uli fühlte sich äußerst unwohl, das war mir bewusst. Ich war wahrscheinlich auch der einzige, der das bemerkte. Da ich sonst nichts anderes zu tun hatte - der Fotograf brauchte eine gefühlte Ewigkeit, bis er die vielen Personen vor uns richtig positioniert und fotografiert hatte - begann ich, Uli subtil zu ärgern. Ich war eigentlich kein besonders schadenfroher Typ, aber heute war mir alles egal.

Liebevoller Ehmann auf der Suche nach Körperkontakt mit seiner Frau...

Ich stellte mich so dicht neben Uli, dass sie zunächst unweigerlich einen Schritt zur Seite wich. Das sollte natürlich nicht passieren, weshalb ich einen Arm um ihre Hüfte legte und sie festhielt. Ich verweilte etwas in dieser Position und nickte ab und zu zu dem Gespräch, dass Uli krampfhaft mit Miriam am Laufen hielt. Dann ließ ich meine Hand langsam herunter wandern. Da sie mit dem Rücken zu einer Wand stand, sah niemand, was ich machte. Uli warf mir einen entgeisterten Blick zu, als ich über ihren Po streichelte und leicht hinein kniff. Energisch griff sie nach meiner Hand, um mich von meinen Aktivitäten abzuhalten. Ich grinste sie nur schadenfroh an. Da Smudo gerade etwas zu Miriam sagte, bedeutete Uli mir, dass sie mir etwas ins Ohr flüstern wollte. Sie sprach die Worte langsam aus, sodass jedes Wort seine volle Wirkung entfalten konnte.

„Ich. Hasse. Dich."

Das traf mich dann doch härter, als ich gedacht hätte und ich schluckte. Da ich spürte, wie Smudos Blick auf mir ruhte, riss ich mich zusammen.
„Ich dich auch", sagte ich hörbar und rang mir ein gequältes Lächeln ab.

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt