Meine Frau

90 4 3
                                    

Vielleicht sollte ich erwähnen, dass es in dieser Nacht nicht bei dem einen Mal blieb. Und auch an nur heute hielten wir uns nicht. Man konnte es schon fast als Affäre bezeichnen, die wir ab diesem Zeitpunkt miteinander führten. Es dauerte nach der Hochzeit etwa eine Woche, bis ich angetrunken vor Ulis bzw. unserer Wohnungstür stand, sie dort im gleichen Zustand antraf, wir uns erst gegenseitig belappten, wie erbärmlich der jeweils andere doch wäre, bis wir schließlich beide kapitulierten und kurz darauf feststellten, dass unser Esstisch eine ideale Höhe zum Vögeln hatte.

Ein ander mal klingelte ich aus Frust bei ihr, weil meine Klamotten im Hotel zur Neige gingen. Uli wurde wütend auf mich, weil ich sie bei ihrem gemütlichen Fernsehabend störte. Nun, vor dem Fernseher verbrachte sie den Abend dann tatsächlich noch, allerdings zusammen mit mir und ohne auch nur einmal in Richtung des Fernsehers zu schauen.

So stand ich ein paar Mal unangemeldet bei ihr auf der Matte. Wir stritten uns immer noch beinahe sofort, sobald wir aufeinander trafen. Doch irgendwann kamen wir jedes Mal an den Punkt, an dem aus diesem Ärger Lust wurde.

Ich hätte ja nie gedacht, dass wir überhaupt noch kompatibel miteinander sind, geschweige denn sexuell kompatibel.

Ich ertappte mich dabei, wie ich vor Uli und sogar vor mir selbst Gründe erfand, dass ich zu uns nach Hause musste. Nie schliefen wir danach gemeinsam ein - abgesehen von der Nacht auf der Hochzeit. Jedes Mal machte ich mich danach wieder aus dem Staub und meistens meckerten wir uns, bereits während ich das Haus verließ, wieder gegenseitig voll.

Überrascht war ich, als Uli eines Abends vor meiner Hotelzimmertür stand. Sie stammelte irgendetwas davon, dass sie in der Gegend gewesen wäre, doch ich hörte die Lüge heraus und unterbrach sie einfach, indem ich sie küsste und anschließend mit ihr in Richtung des Bettes stolperte. Einen Großteil unserer Klamotten trugen wir schon nicht mehr, als wir dort ankamen. Wir waren, was das anging, wieder ein eingespieltes Team geworden.
„Ich wollte gerade zu dir fahren, als du geklopft hast", rutschte es mir aus dem Mund, während wir uns unserer restlichen Sachen entledigten.
„Tja ich war schneller", entgegnete sie nur mit einem amüsierten Zwinkern. Dann ließ sie sich bereits auf meiner Latte nieder und ich vergaß aufgrund dessen, mich innerlich selbst dafür zu ohrfeigen, dass ich sie vermisst hatte.

Wir lagen danach vertraut nebeneinander - und kuschelten tatsächlich, anders konnte man das nicht bezeichnen. Auch etwas, das wir sonst nie taten. Aber heute fühlte es sich gut an. Sie lag in meinem Arm und ich fuhr mit meinen Fingern langsam über ihre warme Haut.
„Michi, wir machen das zu oft", sagte Uli plötzlich.
„Nein!", entfuhr es meinem Mund sofort, woraufhin sie eine Augenbraue anhob und mich skeptisch anschaute.
„Ich meine, schau uns an, jetzt kuscheln wir sogar miteinander. Das haben wir seit Jahren nicht gemacht", meinte sie trocken.
„Und? Du kannst ja gehen, wenn du willst. Aber das hier ist mein Zimmer, also ich hau heute nicht ab", entgegnete ich ihr, schroffer, als ich eigentlich wollte.
Vorsichtig drehte ich mich auf die Seite, sodass ich Uli ansehen konnte und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihr Blick war unergründlich. Wie gern hätte ich gewusst, was in ihrem Kopf gerade vor sich ging.

„Du siehst mich an, als würde ich dir was bedeuten, Michi. Ich weiß doch, dass das nicht so ist. Mein Herz hält das nicht nochmal aus", sagte sie und klang auf einmal sehr verletzlich.
„Was denkst du nur von mir...", murmelte ich und küsste vorsichtig ihre Lippen.
Sie fühlten sich weich an. Warm. Und viel zu gut.

Scheiße, sie hat Recht. Was genau machen wir hier? Ich bin auf dem besten Weg, mich wieder in meine eigene Frau zu verlieben! Aber ich würde es nicht ertragen, wenn sie einen anderen hat. Ich will, dass sie meine Uli ist und dass ich ihr Michi bin. Ach verdammt, ich liebe sie eben. Egal, was war.

„Warum hast du die Scheidung noch nicht eingereicht?", wollte ich wissen und stoppte damit den Kuss.
„Ich... Ich kann nicht. Ich wollte. Aber dann... dann haben wir angefangen, wieder miteinander zu schlafen und... ach scheiß drauf. Ich kann nicht ohne dich, Michi! Ich lie...", stammelte sie verzweifelt.
„Shhh", flüsterte ich und zog sie in meine Arme. „Ich dich auch, Uli."

„Weinst du?"
„Nur ein bisschen."
„Ich hab eine Heulsuse geheiratet, na prima..."

Prompt boxte sie leicht gegen meine Brust.
„Sei nicht so frech!", meckerte sie.
„Ich bin so frech, wie ich will. Anscheinend liebst du mich genau so", erwiderte ich bewusst selbstgefällig.
Uli musste lachen. Doch dann wurde sie wieder ernst.
„Komm wieder nach Hause, Michi. Bitte", sagte sie leise.
Ihre Augen hatten etwas flehendes an sich. Ich spürte, wie mein letzter innerer Widerstand zerbrach. In diesem Moment hätte ich alles getan, was sie wollte, aber das wollte ich nicht zugeben.
„Mal sehen... Erstmal... hab ich... noch was anderes... vor."

Dieser Sex war anders. Liebevoller und intensiver. Auch, wenn wir bereits das zweite Mal an diesem Abend miteinander schliefen, kam ich so heftig, wie lange nicht mehr. Ich zitterte am ganzen Körper und schloss meine Arme, so fest ich konnte, um Uli. Sie küsste mich immer und immer wieder, als wollte sie sich vergewissern, dass ich noch da war.

Sie schlief neben mir ein und am nächsten Tag packte ich tatsächlich meine Sachen zusammen und fuhr gemeinsam mit ihr nach Hause. Es kam mir vor, als hätten wir ein zweites Mal geheiratet. Deshalb ließ ich es mir nicht nehmen, Uli im Brautstyle über die Schwelle zu tragen, wofür ich zwar viel Geschimpfe abbekam - „Lass mich runter, du lässt mich noch fallen, pass auf meinen Kopf auf..." - allerdings auch das breiteste Lächeln der schönsten Frau, die mir einfiel - meiner Frau.


_______________________________
(Ja, das wird noch Smichi :D)

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt