Immer locker bleiben

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Nach einer Weile angelte ich mir die zwei immer noch ungeöffneten Flaschen vom Tisch und öffnete die eine mit der anderen Flasche. Zum Glück waren sie immer noch kühl, sodass ich nicht aufstehen musste, um zum Kühlschrank zu gehen und von dort kühles Bier zu holen.
„Auch eins?", fragte ich Smudo, der jedoch keine Antwort gab. Sein Atem ging sehr regelmäßig.

Na vielleicht geht's ihm besser, wenn er ein bisschen geschlafen hat. Er ist ja völlig drüber. Ich aber auch irgendwie. Das ist mir hier alles mit zu viel Körperkontakt verbunden.

Ich trank das Bier beinahe auf Ex.
„Du hast einen ganz schönen Zug drauf", ertönte Smudos schläfrige Stimme.
„Du bist ja wieder wach", stellte ich nüchtern fest.
Dann musste die ganze Kohlensäure erstmal wieder raus, was ich lautstark zuließ. „Ordentlich", meinte Smudo, dessen Grinsen in einem Gähnen unterging.
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich zu ihm herunter.
„Und jetzt?", fragte ich leise.
„Was meinst du? Wartet Uli auf dich? Wenn du los willst, dann...", begann Smudo.
„Nö, die wartet nicht...", murmelte ich und unterbrach Smudo damit.
„Film?"
„Gern."

Wir zogen uns Chips und irgendeinen sinnlosen Action-Streifen rein. Ich holte zwischendurch mehrfach neues Bier, da Smudo sich nun auch an dessen Konsum beteiligte. Irgendwoher hatte Smudo plötzlich eine Decke hergezaubert, als ich das Zimmer mit neuen Getränken wieder betrat.
„Sorry. Mir ist kalt", meinte er und ich schüttelte den Kopf.
„Pussy."
Wir grinsten uns dümmlich an, bis ich mich neben Smudo auf die Couch fläzte und wir die beiden Flaschen aneinander klirren ließen.
In diesem angetrunkenen Zustand konnte ich beim besten Willen nicht mehr nach Hause fahren. Das war mir eigentlich auch ganz recht so, da ich glaubte, dass etwas Abstand zu Uli momentan genau das war, das ich brauchte. Ich schrieb ihr schnell eine Nachricht, dass ich bei Smudo schlafen würde und schob anschließend das Handy wieder in meine Hosentasche.

„Ey, nimm deine Käsesocken von mir weg!", meckerte Smudo wenig später.
Grummelnd zog ich meine Füße wieder unter der Decke hervor, nur um sie ein paar Sekunden später wieder vorsichtig unter die Decke zu schieben.
„Man Michi!"
„Was denn!?"
„Lass den Scheiß!"
„Aber unter der Decke ist es wärmer!"
Smudo schaute mich belustigt an.
„Wer ist jetzt die Pussy?", fragte er hämisch grinsend, hob allerdings die Decke an und bedeutete mir, mich mit darunter zu legen.
„Spinnst du? Doch nicht so...", sagte ich und warf Smudo einen genervten Blick zu.
„Na wie denn sonst?", entgegnete er und rollte mit den Augen.
Ohne einen weiteren Kommentar hob ich meinerseits die Decke an und legte mich hinter Smudo. Sein Rücken strahlte angenehme Wärme ab.
„Ach, du bist das große Löffelchen, ja?"
Ich zuckte mit den Schultern.
„Sieht so aus, oder?"

Und was mache ich jetzt mit meinem Arm? Ich kann den doch nicht die ganze Zeit in der Luft halten. Aber auf Smudo ablegen geht auch nicht. Man, der Arm ist im Weg! Die Couch ist einfach zu klein für zwei Personen.

„Sag mal, was zappelst du denn so?", kam es daraufhin leicht genervt von Smudo.
„Ich zappel gar nicht!", erwiderte ich trotzig, bewegte meinen Arm im selben Moment jedoch erneut unschlüssig hin und her.
Mit einem Seufzen griff Smudo nach meiner Hand und zog meinen Arm damit zu sich.
„Bleib mal locker, Michi", murmelte er, strich leicht mit seinem Daumen über meinen Handrücken und löste dann seine Hand wieder von meiner.
Verdutzt betrachtete ich meine Hand, die nun seelenruhig auf Smudo ruhte. Dies tat sie allerdings nur nach außen hin, denn innerlich tobte ein Konflikt in mir. Das ganze hier hätte mir eigentlich widerstreben sollen, was es allerdings nicht tat.
„Ich... Also... Denkst du...", stotterte ich vor mich hin.
Smudo drehte seinen Kopf so weit es ging zu mir und ich sah seinen Augen an, dass er erstens müde und zweitens ebenfalls ziemlich angetrunken war.
„Halt doch mal den Schnabel, Mensch. Ich hab zu viel getrunken, mir ist das egal, wie wir hier gerade liegen. Mir ist jetzt jedenfalls warm und das ist schön. Und lass gefälligst deine Hand da liege. Du machst einen ja noch wahnsinnig mit deinem Gezappel."

Und damit drehte er den Kopf wieder zurück und griff in die fast leere Chipstüte. Überrumpelt lag ich da.
„Äh... ja, gut. Wenn du meinst...", sagte ich leise.

An sich ist es doch auch egal. Wir sind Kumpels, sogar beste Freunde. Was ist denn schon dabei, wenn wir hier so liegen, als... Hm als würden wir kuscheln. Smudo ist total fertig, wir hatten beide einen anstrengenden Tag. Wenn ihm das gut tut und ihm gefällt, dann spricht ja nichts dagegen.

„Danke, dass du hergekommen bist...", nuschelte Smudo, dessen Kopf mit der Zeit immer weiter nach unten gesunken war.
„Klaro", meinte ich nur.
Keiner von uns beiden verfolgte noch ernsthaft den Film, der im Fernsehen lief, weshalb ich diesen ausschaltete.
Mittlerweile hatte ich mich damit abgefunden, dass sich Smudo ganz offensichtlich an mich heran kuschelte. Alles an ihm schrie förmlich nach dem Wunsch nach Nähe und Geborgenheit. Auch, wenn ich mir nicht sicher war, ob ich wirklich die richtige Person dafür war, fühlte ich mich gut.

Ich hab doch ne Macke. Aber egal. Zu viel Bier, zu viel Stress und Streit... So ein bisschen Harmonie ist halt einfach schön. Und Smu mag es eben, wenn ich ihm den Kopf kraule. Warte, wann habe ich wieder damit angefangen?? Was genau mach' ich hier eigentlich...?

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt