Tag mit Schutzumschlag

116 6 2
                                    

„Steht dir gut, mein Hoodie", murmelte Smudo, als er den Zwiebelkuchen in Stücke teilte, während ich neben ihm stand und einfach nur sein Tun beobachtete.
„Danke. Sehr bequem", entgegnete ich.

Und schon alleine, dass er von Smudo ist und nach seinem Waschmittel riecht, macht ihn perfekt.

„Das glaube ich gern. So viel Platz, wie du da im Vergleich zu mir drin hast", meinte er und schüttelte kurz lachend den Kopf.
„So viel mehr ist es auch nicht."
Smudo legte das Messer weg und schaute mir direkt in die Augen.
„Ich hab dich vorhin im Handtuch gesehen, falls du das vergessen hast. Und dann habe ich mich gesehen, im Badspiegel. Erzähl' das jemand anderem, der dich nicht halbnackt gesehen hat."
Er wirkte fast schon grummelig, als er das Messer wieder in die Hand nahm und das gefiel mir gar nicht.
„Smu... Ich weiß auch, wie du aussiehst", begann ich.
Ich zögerte. Sollte ich es riskieren und in die Vollen gehen oder mir lieber nicht die Finger verbrennen? Ich entschied mich für das Risiko.
„Und ich finde, du siehst wahnsinnig gut aus, so wie du bist."
„Au!"
Smudo hielt seinen Finger nach oben und schaute ihn ungläubig an. Zwei Sekunden lang passierte gar nichts, dann lief plötzlich Blut am Finger entlang.
„Orrr scheiße man!", schimpfte Smudo, steckte sich den Finger in den Mund und verzog das Gesicht vor Schmerz.
„Das sieht tief aus... Hast du irgendwo Pflaster?"
„Mmmmh. Mhier drwen kmm mal mit", nuschelte Smudo mit dem Finger im Mund und marschierte in sein Schlafzimmer.
Schnell hatte ich die Pflaster in dem Schubkasten gefunden, auf den Smudo gezeigt hatte.
„Soll ich?", fragte ich und hielt ein großes Pflaster hoch.
Smudo nickte und schaute leidend auf seinen Finger. Ich fand ihn ziemlich süß in diesem Moment, auch wenn es mir natürlich leid tat, dass er sich in den Finger gesäbelt hatte. Und das anscheinend, weil es ihn aus dem Konzept gebracht hatte, dass ich ihn wahnsinnig gutaussehend fand.
„Los her damit, ich weiß wie das geht, mein Vater war Arzt", sagte ich scherzhaft und wusste genau, was Smudo mir antworten würde.
„Dein Vater war Zahnarzt, du Wichtigtuer", kam prompt die erwartete Antwort.
In der Zeit hatte ich bereits das Pflaster an den Finger angebracht und schaute Smudo zufrieden an.
„Danke. Essen?"
„Essen."

Smudos Zwiebelkuchen schmeckte hervorragend. Ich hätte mich jeden Tag von ihm beköstigen lassen können, so gut konnte er kochen. Der Film plätscherte vor sich hin und wir mampften nebenbei den Zwiebelkuchen. Wir gaben blöde Kommentare zum Film ab und sagten auch eine ganze Weile mal gar nichts, ohne dass es unangenehm war. Es war fast wie früher, als wir uns ab und zu zu einem Männerabend getroffen hatten.
Ich kam dadurch ein bisschen runter von meiner emotionalen Achterbahnfahrt und fand es sehr beruhigend, dass wir auch noch „normal" miteinander umgehen konnten. Denn das würden wir müssen, ich musste diese Gefühle in meiner Brust schließlich irgendwie in den Griff bekommen. So einen Tag wie heute mit rosaroter Brille und starkem Herzklopfen würde es so schnell nicht wieder geben.
Diese Gedanken machten mich allerdings ziemlich traurig und deshalb beschloss ich, für heute nicht mehr an das zu denken, was morgen sein würde und stattdessen den Abend mit Smudo voll und ganz zu genießen.

„Hast du was dagegen?", fragte Smudo irgendwann wie aus dem Nichts.
Ich wusste gar nicht, was er meinte und schaute dementsprechend verwirrt daher.
„Die Decke hier. Willst du... auch mit drunter?"
„Ach, davon redest du. Ja, her damit", meinte ich grinsend und streckte die Hand nach der Decke, die neben der Couch gelegen haben musste, aus.
Wir legten die Decke über unsere Beine und widmeten uns dann weiter dem Film. Ich haderte mit mir, ob ich wirklich tun sollte, was ich vorhatte. Es dauerte bestimmt fünf Minuten, bis ich mir endlich sagte, dass eigentlich nichts schlimmes passieren konnte. So rutschte ich etwas näher an Smudo heran und legte meinen Kopf vorsichtig auf seine Schulter.
„Müde?", raunte Smudo mir zu.
„Geht", murmelte ich.
Ich spürte, wie Smudo mit den Schultern zuckte. Irgendwie bewegte er seinen Arm unter mir. Da ich nicht wusste, warum er das machte, hob ich meinen Kopf ein Stück und fragte:
„Was ist?"
Sein Arm hatte nun für den Moment mehr Bewegungsspielraum, den er nutzte, um ihn anzuheben - und ihn um mich legte.
„Leg deinen Kopf ruhig wieder ab. Ist mir nur bequemer so", sagte Smudo leise.
Aus den Augenwinkeln konnte ich ein Lächeln in seinem Gesicht erkennen, als ich tat wie geheißen. Ich schmolz förmlich dahin und zwar auf zweierlei Arten. Mir war jetzt, mit Smudos Arm um meiner Schulter, eigentlich viel zu warm unter der Decke, aber andererseits wollte ich nicht riskieren, dass er seinen Arm wieder wegnahm. Viel zu gut fühlte es sich an, viel zu geborgen fühlte ich mich und viel zu schön war das eigentlich, um wahr zu sein.
So versuchte ich, die Wärme der Decke auszublenden und konzentrierte mich auf das Gefühl, das Smudo in mir auslöste. Ich merkte gar nicht, wie mir die Augen langsam zufielen.

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt