Der Mann deiner Träume

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Er war schon eingeschlafen und auch, wenn ich lieber in seinem Bett geschlafen hätte, blieb ich mit ihm auf der Couch liegen, weil ich ihn nicht wecken wollte. Seine ruhigen Atemzüge brachten mich selbst zur Ruhe.

Das hätte ich vor ein paar Tagen nicht für möglich gehalten, jetzt hier mit Smudo auf der Couch zu liegen... Dass er in meinen Armen einschläft. Dass er das selbe fühlt wie ich... Die letzten Tage waren die totale Achterbahnfahrt, aber im Dauerlooping.

Ich war überglücklich, dass alles so gekommen war, wie es jetzt war. Trotzdem – dass mein bester Freund sich ausgerechnet in mich verliebt hatte und es mir auch noch genauso ging, kam mir doch vor wie ein äußerst seltener Zufall. Ein guter Zufall. Ein sehr, sehr guter Zufall.
Mit diesen Gedanken im Kopf merkte ich, dass meine Augenlider immer schwerer wurden. Ich schob mir den freien Arm unter den Kopf und schlief mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen ein.

„Scheiße! Michi! Wach auf, wir haben verpennt!", riss mich Smudos Stimme am nächsten Tag – Morgen? Vormittag? Oder war es sogar noch später? – aus dem Schlaf. Erschrocken rappelte ich mich auf.
„Hä?"
„Wir haben Probe heute und zwar in... 15 Minuten", klärte Smudo mich auf.
„Oh!"

Es war nicht so, dass wir immer überpünktlich zur Probe erschienen, aber wir mussten ja auch noch bis dorthin kommen.
„Äh... Hast du mal ein Shirt für mich?", rief ich Smudo aus dem Bad zu.
Er hatte mir in Windeseile eine Zahnbürste organisiert, die ich jetzt in Benutzung hatte.
„Kommt sofort", erhielt ich die Antwort, die ich mir erhofft hatte.
Wenig später flog ein schwarzes Shirt durch die offene Badtür zu mir.
„Danke!", rief ich und zog mich schnell um.
Meinen Sweater zog ich über das Shirt, dann hielt ich meine Hand kurz unter den Wasserhahn und fuhr mir damit im Anschluss durch die Haare, um wenigstens etwas Form in sie zu bringen.
„Wenn du Deo oder so brauchst, bedien dich", hörte ich Smudo rufen.
Ich entdeckte ein Deospray auf der Ablage neben dem Spiegel. Auch, wenn wir gestern geduscht hatten und ich ein neues Shirt trug – der Pullover war von gestern und gestern war ein anstrengender Tag gewesen. Wahrscheinlich war das gar keine so schlechte Idee.
„Danke", rief ich zurück und dieselte mich damit ein.

Mmh. Riecht wie Smudo.

„Gehst du so?", fragte Smudo amüsiert, da ich noch ohne Hose dastand.
Er hatte sich an den Türrahmen gelehnt.
„Vielleicht?", antwortete ich ironisch, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und überließ ihm das Bad, während ich mich selbst auf die Suche nach meiner Hose machte.
Nachdem ich fündig geworden war, schnappte ich mir in der Küche zwei von Smudos To-Go-Bechern und stellte sie unter seinen Kaffeevollautomaten.

„So. Fertig. Können wir?", ertönte es aus dem Flur.
Im selben Moment war auch der zweite Becher fertig befüllt und ich ging mit beiden Bechern in den Händen in den Flur.
„Kaffee?", fragte ich.
Smudos Augen wurden groß.
„Oooh ja. Danke, du bist ja..."
„Der Hammer? Der Wahnsinn? Der Mann deiner Träume?", entgegnete ich grinsend.
„Und zwar alles in einem, ja", sagte Smudo und gab mir schnell einen Kuss.
Das brachte mein Herz dann doch dazu, plötzlich heftig zu schlagen, denn eigentlich hatte ich das nur schnell so dahingesagt. Ich schlüpfte in meine Sneaker, zog mir die Jacke an, die Cap auf den Kopf und nahm Smudo einen der beiden Becher aus der Hand, die er in der Zwischenzeit gehalten hatte.
„Halt, Autoschlüssel!", sagte Smudo, kurz bevor er die Wohnungstür zuzog.
Ein kurzer Griff ins Innere der Wohnung genügte und er hielt den Autoschlüssel in der Hand.
„Schon öfter passiert?", fragte ich mit einem Grinsen im Gesicht, während er zuschloss.
„Zu oft", bestätigte Smudo meine Vermutung, dann eilten wir die Treppen nach unten.

Gebt uns 10 Minuten", schrieb ich in unseren Fanta4-Gruppenchat, als wir in Smudos Auto saßen und er Gas gab.
„So viel zum Thema ‚Müssen wir da morgen getrennt zur Probe fahren?'", meinte Smudo plötzlich amüsiert.
„Stimmt."
Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr fiel mir ein, was wir abgesehen davon eigentlich nicht hätten tun sollen: ich trug ein Shirt von Smudo, roch nach seinem Deo und wir tranken Kaffee aus den gleichen Kaffeebechern. Zu allem Überfluss griff Smudo an einer roten Ampel nach meiner Hand und hielt sie fest, während er weiterfuhr. Ich wollte protestieren, doch sein glückliches Lächeln im Gesicht hielt mich davon ab, ihn darauf hinzuweisen, dass es nicht gut wäre, wenn jemand ins Auto hineinsehen würde und uns händchenhaltend darin entdeckte.

Ich staunte nicht schlecht, als wir unseren Probenraum betraten, nachdem wir die Treppe hochgehetzt waren und noch niemand im Zimmer war.
Ich sah eine Zeitung auf dem Tisch liegen und blätterte sie schnell durch.
„Steht was über uns drin?", fragte Smudo.
„Glaub' schon, Moment..."
„Und?", fragte Smudo ungeduldig.

Michi und Smudo – Alles nur heiße Luft?
Wer ist die Neue von Michi Beck?

Ich seufzte erleichtert.
„Sie glauben uns", sagte ich.
„Gott sei Dank. Dann hat sich das Theater wenigstens gelohnt."
Ich nickte stumm und überflog den kurzen Artikel. Miriam stand nicht gut da. Und mein Knutschfleck, über den ich mich noch so aufgeregt hatte, schien das überzeugendste Argument gewesen zu sein. Ich wollte die Zeitung gerade wieder weglegen, als mir auffiel, dass sich unter dem Artikel ein kurzes Interview mit Uli anschloss. Neugierig las ich es.

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