Markttag

69 6 3
                                    

Gemeinsam schlenderten wir durch den Ort und ließen uns von dem bunten Trubel in Urlaubsstimmung versetzen. Trotzdem hatte ich Hemmungen, zum Beispiel einfach nach Smudos Hand zu greifen oder ihm einen Kuss zu geben, wenn mir danach war. Es war bei mir einfach noch so drin, dass wir in der Öffentlichkeit aufpassen mussten und niemand merken durfte, wie viel wir einander bedeuteten. So liefen wir nebeneinander, aber ohne weiteren Körperkontakt.
Wir kamen an einem kleinen Markt vorbei, auf dem es frisches Obst und Gemüse, aber auch Fleisch und Fisch und sogar einen Stand mit Wein gab. Smudo liebte frische Zutaten und so genügte ein Blick zu ihm, dass ich wusste, dass wir gar nicht erst noch in den Supermarkt zu gehen brauchten. Smudo hatte Appetit auf Fisch und so schlenderten wir über den Markt und beluden unsere zwei mitgenommenen Stoffbeutel mit Einkäufen für das Essen. Ich ließ ihm dabei freie Hand, dafür suchte ich dann den Wein aus.

An einem Olivenstand blieben wir auch hängen, da der Verkäufer echtes Talent dafür hatte, die Menschen zum Stehenbleiben zu bringen. Wir kosteten verschiedene Sorten von Oliven mit den unterschiedlichsten Füllungen. Der Großteil der Leute hier sprach englisch, was ich sehr begrüßte. Wir hatten uns bereits mit zwei gekauften Dosen verabschiedet und Smudo war schon fast beim nächsten Stand.
„Hey! Another one for you, sweetie?", rief mich der Oliven-Mann zurück und zwinkerte dabei.
„Sure."
Er hielt mir wie eben auch schon einen Zahnstocher mit aufgespießter Olive hin, doch als ich diesmal danach griff, wich er mir aus und hielt ihn etwas weiter links erneut vor mich. Er grinste mich an und ich grinste automatisch zurück.
„You have a lovely smile, honey. You give me a call?"
Er hielt plötzlich einen kleinen Zettel statt einer Olive in der Hand. Darauf war eine Handynummer zu lesen. Mir wurde bewusst, dass er mit mir flirtete.
„I'm already taken", sagte ich und schüttelte den Kopf.
„Ooooh, too bad. Your boyfriend must be lucky...", meinte der Oliven-Mann und sah tatsächlich etwas geknickt aus.
„I guess, he is", antwortete ich lächelnd, dann stockte ich. „How did you know, I'm..."
„That you're gay? Honey, this is Gran Canaria! And I wasn't sure about you and the other guy. You act so shy with him. Had to take my chance", erklärte er und zwinkerte schon wieder.
„Michi? Kommst du dann?", hörte ich Smudo rufen und ich schaute mich nach ihm um.
„Michi, hm? Wait a second. Your olive", kam es von dem Verkäufer und er reichte mir nach ein paar Sekunden erneut die Olive mit Zahnstocher, diesmal aber ohne seine Hand wegzuziehen.
„Thanks."
„You're welcome."

Damit entfernte ich mich von dem Olivenstand und ging zu Smudo. Währenddessen schob ich mir die Olive in den Mund und bemerkte dabei, dass um den Zahnstocher der kleine Zettel von gerade eben fein säuberlich aufgewickelt war. Ich rollte ihn ab und las die Nachricht:
„If you change your mind... Just call me, honey. Fabio", außerdem hatte er seine Handynummer aufgeschrieben und hinter seinen Namen ein Herz gesetzt. Ich lachte. Der gab nicht so leicht auf.
„Was hast du denn da?", fragte Smudo neugierig, als ich ihn erreichte und den Zettel eigentlich gerade in den Müll werfen wollte.
„Der Oliven-Verkäufer wollte ein bisschen mehr als nur Oliven verkaufen", meinte ich lachend und zeigte ihm den Zettel. „Ich hab' ihm dann gesagt, dass ich vergeben bin, aber so wirklich interessiert scheint ihn das nicht zu haben."
Auf Smudos Stirn bildeten sich Zornesfalten.
„So ein Wichser! Was bildet der sich ein, wer er ist? Der tickt doch nicht richtig!", schimpfte er und riss mir den Zettel aus der Hand.
„Chill mal, ich wollte den Zettel eh gerade wegwerfen", versuchte ich, ihn zu beschwichtigen, doch es nützte nichts.
„Warte hier", knurrte Smudo, stellte seinen Beutel mit Einkäufen neben mir ab und stapfte dann zurück zum Olivenstand.
Ich sah wie erstarrt zu, wie Smudo Fabios Gespräch mit einem potentiellen Käufer unterbrach, indem er ihm den Zettel auf die Theke knallte und sich dann auf englisch lautstark darüber aufregte, wie er es wagen könnte, seinen Freund trotzdem noch weiter anzubaggern, obwohl er wusste, dass es da für ihn nichts zu holen gab. Er beschimpfte ihn und warf ihm Respektlosigkeit und noch vieles mehr vor, bis er sich wütend wieder von dem Stand entfernte. So hatte ich Smudo wirklich selten erlebt.
„Haben wir nicht schon genug gekauft? Lass uns zurück in die Ferienwohnung gehen", sagte er und man merkte ihm dabei deutlich an, dass er innerlich immer noch kochte.
„Gern, wartest du... Jetzt bleib doch mal stehen!", rief ich, als Smudo schon losstiefelte.
Ich rollte mit den Augen und versuchte, ihn wieder einzuholen.
„Smudo! Stopp!", sagte ich laut und stellte mich ihm in den Weg.
„Was ist?", fragte er genervt.
„Ich... wir haben Urlaub, ich will nicht, dass du dich so aufregst."
„Er hat dich angemacht! Ich teile dich nicht!", stellte Smudo entschlossen klar.

Das... Wow, ist das süß.

„Du musst mich auch nicht teilen. Mit niemandem. Niemals. Aber das war ein bisschen too much, gerade."
„Fand ich nicht. Wenn man vergebene Leute anflirtet, muss man damit rechnen, dass sowas passiert. Ich habe ihm nur gesagt, was ich davon halte", sagte Smudo eingeschnappt.
„Völlig okay, aber in der Lautstärke?"
„Ja natürlich in der Lautstärke! Soll jeder wissen, was das für ein Schwein ist!"
Ich atmete kurz durch, so kamen wir hier nicht weiter.
„Gut, vielleicht hast du Recht", lenkte ich ein. „Ich fand es übertrieben, aber das musst du selbst wissen."
„Ich möchte dich mal sehen, wenn sich jemand an mich ranmachen würde. Wir wissen beide, dass du der Explosivere von uns beiden bist."
Eine Pause entstand. Ich wusste nicht, wie ich reagieren würde. Sicherlich konnte ich auch eifersüchtig sein, aber Uli hatte mir wirklich selten ein Grund gegeben, eifersüchtig zu sein. Ich hatte ihr dahingehend völlig vertraut, dass sie wusste, was sie tat. Und es war allseits bekannt gewesen, dass wir verheiratet waren, sodass sich kaum einer überhaupt getraut hatte, sich an Uli ranzumachen. Und mit Smudo war ich eben noch nicht in so eine Situation gekommen. Klar, wir erhielten beide ab und an Nachrichten von Fans, aber die Anzahl an Liebesbekundungen hatte schon vor vielen Jahren drastisch abgenommen und wir wussten beide, dass wir sowas nicht ernst nahmen.
„Entschuldige bitte. Eigentlich bin ich ziemlich beeindruckt von deinem Einsatz gerade, muss ich sagen...", beichtete ich ihm, woraufhin ein kurzes Lächeln über Smudos Gesicht flog. „Lass uns nach Hause gehen, Smu", sagte ich dann.
Es kostete mich viel weniger Mut, als ich gedacht hätte, ihn danach in aller Öffentlichkeit zu küssen. Es war nur ein kurzer Kuss, aber es war der erste, den wir nicht heimlich oder hinter verschlossenen Türen ausgetauscht hatten und das machte ihn zu etwas besonderem. Smudo lächelte wieder.
„Das ist schön", murmelte er und drückte mir gleich noch einen Kuss auf die Wange.
Dann nahm er seinen Einkaufsbeutel in die rechte Hand und griff mit der anderen Hand nach meiner freien rechten Hand. Grinsend vor Freude, dass wir das einfach so tun konnten, machten wir uns auf den Heimweg.

Das Leben - Angenehm und irre kompliziertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt