-forty-one-

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„Das hat er wirklich behauptet? Für was braucht ein Cop Wechselklamotten auf der Arbeit? Er darf doch sowieso nur mit seiner Uniform raus."

Mabel sieht mich von der Seite an, während sie am Steuer sitzt. Sie hatte mich um kurz nach elf bei mir eingesammelt und nun fahren wir zum Forest Park. Die Fahrt dauert eine gute Stunde, doch es lohnt sich auf jeden Fall. Die Wanderwege dort sind bequem zu laufen, man befindet sich vollkommen im Wald und wenn wir es nach ganz oben schaffen ohne umzukippen, erreichen wir einen Wasserfall, den wir in unserer Kindheit einmal entdeckt haben. Mal sehen, ob Mabel und ich uns den Weg von früher gemerkt haben. Jetzt wäre eine Spur aus kleinen Kieselsteinen, wie es in dem Märchen steht, sehr hilfreich.

Dad hatte recht. Im Keller standen tatsächlich noch meine Wanderschuhe, ich hatte ganz vergessen, dass ich welche besitze. Sie sind mir vorne ein wenig zu eng, doch das stört mich nicht weiter. Zu den Schuhen trage ich eine schwarze lässige Hose und einen grauen Pullover. Falls es zu warm werden sollte, was ich bezweifle, da wir die meiste Zeit im Wald sind und nur im Schatten laufen, trage ich ein Top darunter. Meine Haare habe ich, wie Mabel auch, zu einem Dutt gebunden. So eben erzählte ich meiner besten Freundin von dem Ereignis, der sich heute Morgen in der Küche abspielte.

„Ja, das frage ich mich auch. Ich wollte ihn aber nicht mit meinen Fragen löchern." Wir gelangen an die Schnellstraße und für einen Samstag ist der Verkehr ganz angenehm. Jedenfalls rechne ich mit keinem stau. Die Sonne versteckt sich die meiste Zeit hinter den Wolken und kommt nur wenige Male hervor.

„Wenn du mich fragst hat er ein date." Grinsend schaue ich zu ihr rüber, da ich nicht die einzige bin die das denkt.

„Krass. Ich kann mir deinen Dad nicht auf einem date vorstellen. Ob er der Frau davor Blumen kauft?" Ich lache und sehe wieder nach vorne an die Straße.

„Kann schon sein. Er ist Sherriff und muss charmant sein." Streng genommen kann ich mir meinen Dad nicht wirklich bei einem date vorstellen. Ob er dann nervös ist? Küsst er die Frau direkt? Schnell vertreibe ich diese komischen Gedanken, sonst erleide ich noch an einem Lachflash. Mein Dad ist in Anwesenheit einer Frau richtig schüchtern und deswegen kann ich mir gut vorstellen, was das für eine Überwindung für ihn kosten muss.

„Wenn ich das nächste Mal bei euch bin werde ich ihn ausfragen." Sie dreht die Musik lauter und zusammen wippen wir zu Taylor Swift. Meine Stimme hört sich schrecklich an und Mabel ist echt die einzige die mich so hören darf. Meine Mom hatte mich einmal als eine verrückt, kreischende Robbe bezeichnet. Mit dem Singen wird das also nichts bei mir. Allerdings hört sich Mabels Stimme nicht übel an, schon damals haben wir beide auf der Playstation Singspiele gespielt. Sie hatte immer gewonnen und ich verloren. Wer hätte es gedacht?

„Denkst du es wird heute noch regnen? Nicht, dass wir noch nass werden." Mein Blick haftet an dem Himmel, denn von der Sonne fehlt nun jede Spur und etwas dunklere Wolken verbreiten sich. „Du bist doch nur zu faul um den Berg hochzulaufen." Ich schnaube verächtlich und schaue sie empört an. „Stimmt gar nicht." Sie gibt ein lautes Lachen von sich und regelte die Musik noch lauter.

Mühsam mache ich einen Schritt nach dem anderen. Früher, als wir noch jünger waren war der Aufstieg auf dem Forest Park definitiv nicht so anstrengen wie jetzt. Mabel und ich laufen erst seit einer Stunde den Wanderweg entlang, doch wir keuchen so, als wären wir den halben Tag schon unterwegs gewesen. Abgesehen von unserer nicht vorhandenen Ausdauer genieße ich es hier zu sein. Um uns herum stehen große Bäume, die Wurzeln haben sich so stark ausgebreitet, sodass wir manchmal aufpassen müssen, nicht darüber zu stolpern. Wenn man nach oben schaut kann man den Himmel kaum erkennen, da die langen Äste und Blätter die Sicht größtenteils versperren.

Außerdem bringt derAufstieg hoch zu den Wasserfällen Erinnerungen hoch. Früher hat entweder MabelsMom oder mein Dad uns hier her gefahren, da wir früher noch keinen Führerscheinbesaßen. Von früh bis spät schlenderten wir durch die Bäume, spieltenverstecken und manchmal taten wir auch so, als begeben wir uns auf einerschwierigen Mission. Wir schmuggelten immer alle möglichen Süßigkeiten vonZuhause mit und dazu jede Menge Capri Sonne. Spät nachmittags wurden wir wiedereingesammelt, doch erzählten unseren Eltern nie was wir getan haben. Es war unser Geheimnis.

„Du hast nicht zufällig Capri Sonne dabei, oder?" Lachend hebe ich meinen Kopf vom Boden und sehe Mabel zu, wie sie vor mir über einen Baumstamm klettert. „Ach, man. Ich wollte dich oben am Wasserfall überraschen." Sie bleibt stehen, dreht sich zu mir herum und zieht etwas aus ihrem Rucksack heraus. Mir fallen beinahe die Augen raus, denn sie hält da gerade wirklich zwei Capri Sonnen in den Händen. „Das ist nicht wahr, oder? Ich habe das eben nur als Witz gesagt und du?"

Sie grinst mich an und reicht mir eine rüber. „Kirsche richtig?" Ich nicke so heftig mit dem Kopf, dass ich sie fast verschwommen wahrnehme. Sie kann sich wirklich noch an meinen Lieblings Geschmack erinnern. „Du bist unmöglich", sage ich und steche den Strohhalm in das dafür gesehene Loch. „Ja, ich habe dich auch lieb."

-Weil ich es dir nicht sagen konnte-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt