Evelyn
Mit drückenden Kopfschmerzen wache ich in Mabels Schlafzimmer auf. Müde reibe ich mir am Haaransatz entlang und schaue mich um. Wir haben vergessen die Vorhänge zuzumachen, denn die Sonnenstrahlen scheinen direkt hier rein und haben verursacht, dass ich aufwache. Mit einem Ruck drehe ich mir herum und erkenne meine schlafende Freundin neben mir, die sich die Decke bis zu ihrem Gesicht hochgezogen hat. Ich hingegen habe fast ganz ohne geschlafen, da mir mehr als heiß war.
Gähnend greife ich nach meiner Tasche, die unter mir auf dem Boden liegt und fische mein Handy heraus. Es ist bereits 14:57 Uhr, also lasse ich mich seufzend zurück auf die Matratze gleiten. Wir waren bis fast sechs Uhr morgens bei Taylor, bis Liam uns hier her brachte. Mich hat es gewundert, dass sie nicht bei Taylor geblieben ist, aber sie musste mich vor dem Schlafen gehen noch ausfragen. Eine halbe Stunde haben wir darüber geredet, was zwischen mir und Liam geschehen ist. Sie war so fasziniert, dass sie gar nicht mehr müde war.
Am Ende schlief sie früher ein als ich, denn ich konnte nicht aufhören über Liam nachzudenken. Gefühlte Stunden lag ich einfach nur im Bett, starte an die dunkle Decke und grinste vor mich hin. Ich habe noch nicht verarbeitet was gestern, oder eher heute Nacht, geschehen war. Es klingt kindisch und übertrieben, aber es ist so. Ehrlich gesagt habe ich nicht mehr daran geglaubt jemals wieder seine Lippen auf meinen zu spüren und was ist nun? Wir sind ein waschechtes Paar. Andauernd bilde ich mir ein meine Haut würde von unserem gemeinsamen Akt kribbeln.
Wenn ich das Dad erzähle, wird er ausflippen. Ich hoffe er wird Liam dann immer noch mögen und ihm keine Rede halten, wie er mich zu behandeln hat. Obwohl, eigentlich wäre das ganz süß.
Jedenfalls habe ich es dannirgendwann geschafft einzuschlafen und nicht mehr an das schöne Grübchen inLiams Gesicht zu denken. Mein Handy vibriert und eine Sekunde später wird mireine neue Nachricht angezeigt. Als ich den Namen lese fange ich breit an zu lächeln und gehe schnell auf die Nachricht drauf.
Guten Morgen, süße. Wie hast du geschlafen? Ich fahre jetzt zurück zu Taylor und räume mit ihm auf. Sehen wir uns später?
Schnell tippe ich eine Antwort, solange er noch online ist und bezwecke damit, dass ich mich mehrmals vertippe.
Morgen! Bin eben wach geworden und gehe gleich Heim. Klar, können wir uns nachher sehen, ich freue mich. Und viel Spaß beim Aufräumen.
Nachdem ich die Nachricht abgeschickt habe, schalte ich mein Handy aus und bemerke, wie meine Wangen schmerzen vom ganzen Grinsen. Ich drehe mich langsam Mabel zu, die immer noch tief schläft und stehe leise auf. Unter keinen Umständen werde ich sie jetzt wecken und sie bitten, mich nach Hause zu fahren. Heute Nacht hatte sie ziemlich viel getrunken und hat vermutlich einen Kater. Ganz leise sammle ich meine Sachen zusammen, ziehe meine Schuhe an und stelle eine halbvolle Wasserflasche, die auf ihrem Schreibtisch steht, neben sie auf den Boden. Wenn sie später mit starken Kopfschmerzen aufwacht, hat sie wenigstens direkt was zum Trinken bei sich.
Wie ein Einbrecherschleiche ich mich aus dem Haus und steuere Zu Fuß den Heimweg an. Ich kannmich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal von hier nach Hausegelaufen bin. Als wir noch klein waren haben wir das viel öfter gemacht, dochich könnte mir gerade nichts Besseres vorstellen. Die Sonne verbirgt sich hinter den Wolken und der Wind weht mir durch die Haare. Es ist ziemlich angenehm und so bekomme ich genug Gelegenheit über alles nachzudenken und einfach abzuschalten. Nur sehe ich aus wie eine laufende Leiche, da wir es nicht mehr geschafft haben uns abzuschminken. Gott sei Dank habe ich bei Mabel nicht in den Spiegel geschaut, denn es fühlt sich an, als wäre mein ganzes Gesicht voll mit schwarzer Wimperntusche. Hoffentlich kommt mir niemand den ich kenne entgegen.
Mein Kopf schmerzt immer noch, aber ich merke, wie die frische Luft gut dagegen ankämpft.
Meine Gedanken schweifen an die komische Begegnung mit James ab. Als er Liam und mich händchenhaltend gesehen hat und plötzlich so komisch drauf war. Es kam mir vor, als würde ein ganz anderer Mensch vor mir stehen und nicht der James, den ich kennengelernt habe. Okay, ich wollte ihn gestern ausnutzen und Liam mit ihm eifersüchtig machen, aber ich bin nicht zu weit gegangen. Ich habe lediglich mit ihm getanzt und zum Glück bin ich umgefallen, bevor ich andere Sachen machen konnte. Ich hoffe Liam hat recht und James war nur so, weil er getrunken hatte. Denn ich sehne mich wirklich nach mehr Freunden, obwohl ich welche habe. Das James nicht zu weit entfernt von mir wohnt hat mich ziemlich gefreut und als ich ihn kennengelernt und gemerkt habe, dass er ziemlich nett ist habe ich mir vorgestellt, dass wir Freunde werden könnten.
Nach einem langen Fußmarsch komme ich endlich Zuhause an und krame in meiner Tasche nach meinem Schlüssel herum. Der Wagen meines Dads steht in der Einfahrt, also ist er Zuhause und liegt bestimmt wieder faul auf dem Sofa herum.
Als ich die Tür aufziehe, höre ich eine weibliche Stimme lachen. Sofort erhöhe ich meine Aufmerksamkeit und streife mir leise die Schuhe ab. Der köstliche Geruch von Zimt gelingt in meine Nase und ich runzle die Stirn. Dad kann nicht backen und auch wenn er es versuchen sollte, würde es nicht so gut riechen. Wieder ertönt ein Lachen durchs Haus und diesmal kann ich meinen Dad wahrnehmen.
Mit leisen Schritten mache ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer und dann in die Küche. Mir verschlägt es beinahe die Sprache meinen Dad mit einer anderen Frau am Tisch sitzen zu sehen.
»Evelyn! Du bist schon da!« Sein lachen verstummt, er steht ertappt auf und kratzt sich verlegen am Hinterkopf. Mein Blick wandert andauernd von der Frau zu ihm und ich bringe keinen Ton hervor. Ihre blonden Haare sind zu einem hohen Zopf gebunden und ihre weiße Bluse passt perfekt zu dem goldenen Armband, welches sie trägt. Wenn ich mich nicht komplett irre, dann ist es die Frau aus dem Diner.
»Das ist Candice. Candice? Das ist meine Tochter Evelyn.«
Die bildhübsche Frau erhebt sich von dem Stuhl und kommt mit einem warmen lächeln auf mich zu. Dann streckt sie die Hand raus, welche ich wenig später schüttle.
»Schön dich kennenzulernen, Evelyn.«
»Gleichfalls«, bringe ich so freundlich wie es geht hervor. Allerdings versuche ich gerade dieses Bild in meinen Kopf zu bekommen. Ich habe meinen Dad noch nie lachend mit einer Frau vorgefunden und plötzlich liegt auch auf meinem Gesicht ein großes Lächeln. Dad meinte, er muss sich erst sicher sein, dass es sich lohnt. Und jetzt? Sitzen sie zusammen lachend in seiner Küche und er stellt ihr seine Tochter vor.
»Ich habe Zimtbrötchen gebacken. Willst du welche?«
Candice deutet auf den Tisch und innerlich muss ich fast lachen, weil mir einfach von Anfang an klar war, dass sie unmöglich von Dad sein konnten.
»Ich nehme mir später einen, danke.« Sie lächelt mir noch flüchtig zu und setzt sich zurück an den Tisch. Bevor ich etwas Süßes zu mir nehme will ich mir erst die Zähne putzen und mich generell frisch machen. Wie peinlich, dass ich so an unserem ersten Treffen aussehe.
»Wie war die Party gestern? Hattet ihr Spaß?«
Dad nimmt sich noch ein Zimtbrötchen und sieht mich abwartend an.»Ja, es war toll.«
»Mein Sohn war gestern auch auf einer Party unterwegs«, fügt Candice strahlend hinzu und ab da hat mein Dad wieder nur Augen für sie. Ich denke es ist Zeit für meinen Abgang.
»Was ein Zufall.« Höre ich ihn noch antworten, bevor ich die Flucht ergreife und die zwei Turteltauben allein lasse.
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-Weil ich es dir nicht sagen konnte-
RomanceDen Glauben an die Liebe verloren zieht Evelyn Parker zurück nach Portland um auf's College zu gehen. Sie möchte einfach ihre Vergangenheit vergessen und nach vorne blicken. Dabei kommt ihr allerdings jemand in den Weg und zerstört ihre Vorsätze. Li...