-seventy-two-

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Nach weiteren zwanzig Minuten kommen wir unten an und endlich kann ich Mabels Auto erblicken. Erleichtert atme ich aus und freue mich bald zuhause zu sein. Mein ganzer Körper ist verschwitzt und meine Klamotten riechen nach Rauch.

Im Auto angekommen dreht Mabel die Musik auf, damit die Stille zwischen uns nicht unangenehm erscheint. Während also Beyoncé mit ihrer hohen Stimme durch den Lautstärker dröhnt, konzentriert sich Mabel auf die Straße und ich zähle in Gedanken auf an wie vielen Bäumen wir vorbei fahren, damit mein Kopf wenigstens etwas zu tun hat. Als hätte ich die letzten vierundzwanzig Stunden nicht genug Bäume gesehen.

„Soll ich noch mit rein kommen und dir einen Tee oder so machen?", fragt sie als wir nach einer stillen Fahrt vor meinem Haus zum Stehen kommen.

„Nein, alles gut. Mein Dad ist Zuhause, du brauchst dir keine Sorgen zu machen." Ich schlage die Tür auf, steige aus und schnappe mir meinen Rucksack von der Rückbank.

„Sicher, dass alles okay ist?"

Sie hat den Motor abgestellt und ist ausgestiegen. An der Fahrertür gelehnt sieht sie mich skeptisch an, als glaube sie mir nicht, dass ich mich nicht gut fühle und womöglich krank werde. Was ja auch nicht der Fall ist.

„Ja, es ist alles gut. Ich rufe dich später an." Ich ringe mich zu einem Lächeln, glaube allerdings nicht, dass sie es mir abkauft.

„Okay."

Ich spüre ihren Blick aufmeinem Rücken, während ich durch den Hof und dann zur Haustür laufe. DerSchlüssel fliegt irgendwo in dem Rucksack herum und ich habe keine Lust jetzt zu wühlen. Also klingle ich und zwinge somit vermutlich gerade meinen Dad weg vom Fernseher.

Wenige Sekunden später wird die Tür aufgezogen und mein Dad steht mit einem Lächeln im Türrahmen. Gleich darauf verzieht er sein Gesicht und wedelt mit seiner Hand vor seiner Nase herum, als würde er etwas ganz Schlimmes riechen.

„Du riechst als hättest du einen Fisch ausgenommen und dich anschließend mit ihm Grillen lassen", entgegnet er und macht mir Platz, damit ich ins Haus kann. Normalerweise würde mich so ein Spruch zum Lachen bringen, aber heute ist mir nicht danach.

Hinter mir höre ich Mabels Auto aufbrummen, drehe mich dann zu ihr herum und schaue zu, wie sie die Straße entlang fährt. Heute Abend muss ich sie unbedingt noch einmal anrufen und ihr erzählen, was geschehen ist. Sie hat keinen Schimmer, wieso ich so schnell von den Jungs weg wollte und das mindeste, was ich machen kann, ist ihr von der Nachricht auf Liams Handy zu erzählen.

„Hast du nicht genug schlaf abbekommen, oder wieso bist du so still?" Ich streife mir meine Schuhe ab und fühle mich plötzlich so befreit. Diese Wanderschuhe haben sich beinahe angefühlt, als wären sie an meine Füße gewachsen.

„Ja", lüge ich und gehe in die Küche. Ich höre, wie mein Dad die Tür zu macht und mir in die Küche folgt. Kann er sich nicht wieder auf die Couch setzen und sich Sport reinziehen? Gerade habe ich keine nerven ihm von dem Ausflug zu erzählen.

„Wie war es? Habt ihr die Sternschnuppen gesehen?" Während ich mir ein Glas Wasser einschütte, nimmt er am Tisch platz und beobachtet mich ununterbrochen.

„Die Bäume haben uns die Sicht auf den Himmel größtenteils verdeckt. Aber sonst war es ziemlich lustig." Ich stelle das leere Glas in das Waschbecken und drehe mich zu meinem Dad.

„Ich bin ziemlich müde und kaputt. Ich gehe jetzt Baden und wir reden später weiter, okay?" Ohne eine Antwort von ihm abzuwarten, mache ich kehrt, schnappe mir meinen Rucksack und gehe hastig nach oben. Sofort steuere ich auf das Badezimmer zu und lasse das Wasser einlaufen. Meine Sachen stinken echt krass, am besten hänge ich sie später noch kurz draußen auf, damit dieser Rauchgeruch ein wenig abnimmt.

Während das heiße Wasser vollläuft, kippe ich den kompletten Inhalt meines Rucksacks auf den Boden, bis ich mein Handy finde. Es ist komplett ausgeschaltet, also schalte ich es ein und ziehe meine Klamotten währenddessen aus. Endlich wird mir eine Uhrzeit angezeigt. 11:23 Uhr.

Es fühlt sich nicht so an, als hätten wir erst halb zwölf. Es fühlt sich eher so an, nein, keine Ahnung wie es sich anfühlt. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Nachdem ich mein Handy mit dem Internet verbunden habe, ploppen die ersten Nachrichten auf.

Einige sind von meiner Mom,die sich fragt, wie es mir geht und was ich mache. Man, ich bin eine echt mieseTochter. Wir telefonieren und schreiben schon öfters, aber es könnte definitivhäufiger vorkommen. Nach dem Baden werde ich sie anrufen und ihr ausführlichvon dem Ausflug erzählen. Nur den Teil in Taylors Auto werde ich vermutlich lieber weglassen, sonst löchert sie mich mit Fragen.

Außerdem kann ich beim Telefonieren meine Traurigkeit und Wut besser verbergen, als wenn sie vor mir stehen würde. Endlich ist das Wasser vollgelaufen und ich lasse mich erleichtert in der Badewanne nieder, schließe direkt meine Augen und genieße die Wärme um meinen Körper. Mein Körper fühlt sich von außen recht warm an, doch innerlich wie gefroren. Ich hoffe die Zeit hier im heißen Wasser bringt mein Immunsystem wieder zum Laufen und hoffentlich kann ich mich entspannen und die Nachricht auf Liams Handy verdrängen.

Jedenfalls kann ich es versuchen.


-Weil ich es dir nicht sagen konnte-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt