-fifty-four-

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„Warum willst du nicht zum Spiel?" Ich drehe mich herum und sehe wie mein Dad von der Couch aufsteht und auf mich zukommt. Toll, noch jemand der mich mit dieser Frage nerven kann.

„Ich muss noch lernen", sage ich zum gefühlt dritten Mal und räume seinen verschmutzen Teller in die Spülmaschine. „Schade, ich dachte wir könnten zusammen hinfahren."

Mit aufgerissenen Augen wende ich mich meinem Dad zu, stemme meine Arme vor die Brust und in meinem Kopf erscheint ein Bild, wo mein Dad das Footballteam mit lautem Geschrei anfeuert. Eine echt peinliche Vorstellung.

„Du willst sie wirklichanfeuern und dabei ein Bier trinken? Ich dachte das wäre ein Witz gewesen." Erlacht und krempelt sein Hemd ein wenig nach oben. „Das war auch ein Witz. Ichbin nicht zum Spaß dort. Ich soll für Ordnung Sorgen falls etwas passiert." Ich nicke anerkennend und starte die Spülmaschine. Dann werde ich später allein sein und das Haus für mich haben. Also kann ich faul auf der Couch rumliegen, während mein Dad Liam beim Sport zuschaut. Scheint mir irgendwie nicht gerecht, aber was ist das schon im Leben?

„Und wann hast du wieder ein Date mit deiner Flamme?" Grinsend sehe ich zu wie mein Dad mich warnend anschaut und wieder auf die Couch flüchtet.

„Sie ist keine Flamme, sondern eine normale Freundin", murmelt er unverständlich und ich laufe kichernd die Treppen zu meinem Zimmer hinauf. Oben angekommen werfe ich mich in mein Bett und drehe mich solange hin und her bis ich es bequem finde. Meine Gedanken schweifen an das Footballspiel ab, welches bald beginnen müsste. Ungewollt stelle ich mir Liam mit seiner engen Sporthose, dem Schutzanzug und seinen verschwitzen Haaren vor, die ihm bestimmt in die Stirn fallen werden. Genervt atme ich aus, drehe mich auf meinen Rücken und starre die Decke an. Es ist fast eine Woche her, seitdem ich ihm das letzte Mal begegnet bin und trotzdem geht er mir nicht aus dem Kopf. Vor allem wenn ich nichts zu tun habe und einfach nur nachdenke, taucht sein Name direkt in Glitzerschrift vor meinen Augen auf.

Hätte ich mich darauf eingelassen mit Mabel heute Abend zu dem Spiel zu gehen hätte ich ihn wieder sehen können. Allerdings weiß ich ganz genau, dass er mir dann noch tiefer im Nacken sitzen wird, da er vor mir stehen würde und ich dann keine andere Wahl habe als an ihn zu denken. Irgendwie sehne ich mich nach London zurück. Dort war ich ein Außenseiter, habe nur für die Schule gelernt und nie an Typen gedacht. Bis auf die eine Nacht, die ich so gerne vergessen möchte, bin ich nie mit anderen ausgegangen und sehnte mich nicht danach.

Stunden vergehen, in denen ich so gut wie nichts tue, außer durch das leere Haus zu laufen und an das laufende Spiel zu denken. Es kam sogar so weit, dass ich den Fernseher anmachte und nachschaute, ob sie das Spiel womöglich ausstrahlen. Dann fiel mir wieder ein, dass es nur ein Spiel auf dem College ist und nicht für die Weltmeisterschaft.

Bereits nach elf Uhr liege ich gelangweilt auf der Couch und versuche meine Mom anzurufen. Die Zeitumstellung beträgt knappe acht Stunden und bei ihr ist es schon früh am Morgen. Wenn ich Glück habe ist sie bereits wach, obwohl ich da keine Zweifel habe, denn sie steht immer relativ früh auf. Nach wenigen Klingeln hebt sie schon ab und auf der anderen Leitung erklingt ihre raue Stimme.

„Guten Morgen, Evelyn." Aus dem Hintergrund kann ich die Kaffeemaschine laufen hören, also sitzt sie in der Küche. Der Gedanke an meine Mom mit einer Zeitung und Kaffee in der Hand bringt mich zum Lächeln. „Ich habe noch nicht geschlafen, Mom."

„Oh stimmt. Das habe ich total vergessen. Wieso schläfst du noch nicht?" Ich setze mich aufrecht hin und schalte den Fernsehen komplett aus, da er noch läuft.

„Dad arbeitet noch und ich bin nicht müde." Ich erinnere mich an das Gespräch mit ihr am Montag. Sie hatte mich direkt angerufen, als ich vom College zurück kam und mich mit tausend Fragen bombardiert. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie traurig darüber gewesen ist, weil mir das College gefällt. Sie möchte mich wieder bei sich haben, traut sich allerdings nicht es auszusprechen. Ich vermisse sie auch unglaublich und will sie wieder um mich haben, aber ich muss mein Leben unter Kontrolle bringen und dazu gehört ein gutes College.

„Und wie war sonst dein Tag? Warum unternimmst du nichts mit Mabel, ihr habt euch doch solange nicht gesehen."

„Sie ist bei ihrem Freund und wir können nicht Tag und Nacht aufeinander sitzen, oder? Wie läuft es bei dir? Musst du gleich zur Arbeit?"

So verläuft unser Gespräch immer weiter und ich weiß nicht wie viele Minuten oder Stunden vergehen. Plötzlich kommt mir ein Licht ins Visier und ich wende mich den Fenstern im Eingangsbereich zu. Das sind Scheinwerfer von einem Auto und ich erhebe mich endlich von der Couch.

„Ich lege auf, ich glaube Dad ist zuhause. Viel Spaß auf der Arbeit." Sie hatte kaum die Chance sich zu verabschieden, denn ich lege schnell auf und werfe mein Handy auf die Couch. Mein Herz fängt an zu pulsieren und ich renne beinahe auf die Tür zu. Ich habe extra gewartet, dass Dad nach Hause kommt, damit er mir von dem Spiel erzählen kann. Mabel schläft heute nämlich bestimmt bei Taylor und kann mir erst morgen von den Ereignissen erzählen und jetzt kommt es schon so weit, dass ich meinen eigenen Dad über ein Footballspiel ausquetschen muss. Eigentlich möchte ich nur wissen, welches Team gewonnen hat und wie gut Liam gespielt hat.

Die Scheinwerfer verschwinden und es wird dunkel. Voller Vorfreude und Neugier ziehe ich die Tür in Windeseile auf, doch kann auf den ersten Blick niemanden erkennen. Ich kann mich nicht geirrt haben, es war definitiv ein Auto hier. Wieder einmal rege ich mich über die Straßenbeleuchtung bei Nacht hier auf. Denn die letzte Laterne ist knapp dreihundert Meter von unserem Haus entfernt und bringt uns so gut wie gar nichts. Dafür, dass mein Dad hier Sherriff ist hätte er echt eine schönere Lage verlangen können, oder sehe ich das Falsch?

Enttäuscht möchte ich die Tür wieder schließen und überlege in Gedanken schon wen ich noch anrufen könnte, da erscheint ein Seufzen und ich schrecke kräftig zusammen. Langsam ziehe ich die Tür erneut komplett auf und suche nach der Person, die eben geseufzt hat.

-Weil ich es dir nicht sagen konnte-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt