-seventy-six-

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Im Obergeschoss ist nichts los. Taylor hat extra jedem gesagt, dass es tabu ist nach oben zu gehen, da hier die Schlafzimmer sind und es keinen etwas angeht. Ich, als sein bester Freund darf mich jedoch hier aufhalten, ohne Ärger zu kassieren.

Taylors Zimmer ist ganz am Anfang des Flures und die Tür ist zu. Langsam ziehe ich sie auf, gehe hinein und laufe wie von selbst zu seinem Schreibtisch und knipse die kleine Lampe, die auf der Tischplatte steht, an. Ich war schon so oft im Dunkeln in diesem Zimmer gewesen und ich weiß ganz genau, wie grell sein normales Licht ist. Außerdem kenne ich Taylor und sein Fenster steht weit offen. Wenn ich das grelle Deckenlicht anschalte, fliegen die Viecher hier rein und das erspare ich ihm.

Mit einem seufzten drehe ich mich herum und zucke kräftig zusammen, als ich jemanden auf der Bettkante sitzen sehe. Ich muss mehrmals mit den Augen blinzeln, denn ich kann nicht glauben, dass das wunderschönste Mädchen der Welt gerade auf Taylors Bettkante sitzt und mich erschrocken ansieht.

Evelyn ist ganz an das Ende gerückt, als hätte sie Angst die Bettwäsche zu berühren. Zugegeben, Taylor hat keine Couch in seinem Zimmer, da er gegenüber noch eins hat, woraus er ein eigenes Wohnzimmer gemacht hat. Als sein großer Bruder vor einem Jahr nach Denver aufs College gegangen ist hat er sein Zimmer übernommen.

"Du bist hier", hauche ichvöllig überfordert und kann meinen Blick nicht von ihrem Gesicht abnehmen. DasLicht reicht gerade noch aus, um zu sehen, dass auch sie mich ununterbrochenanschaut. Mein Herz schlägt viel zu schnell, doch ich kann keinen Schritt nachvorne oder nach hinten machen. Ich stehe mitten im Raum herum und starre Evelyn an. Sie hat die Hände auf ihrem Schoß verschränkt und auch sonst sieht sie ziemlich angespannt aus. Sie hatte vermutlich nicht damit gerechnet jemanden hier anzutreffen. Kein Wunder, dass ich sie nicht gefunden habe.

Sie ist vor mir geflüchtet.

"Ich wollte dich nicht stören", spreche ich weiter und schaffe es einen Schritt auf das Bett zuzumachen. Sie hingegen erhebt sich langsam von der Bettkante und spannt ihren Oberkörper an.

"Alles gut. Ich wollte sowieso gerade gehen."

Ihre Stimme klingt ähnlich wie meine. Aufgeregt, nervös und als würde sie gleich brechen. Es versetzt mir einen stich in die Brust zu hören, wie sie von mir gehen möchte. Sie hat echt keinen Bock mit mir zu sprechen.

"Können wir nicht reden?" Ich mache noch einen Schritt auf sie zu und richte meinen Arm zu ihr aus, doch sie zuckt fast zusammen und geht einen Schritt nach hinten, sodass sie mit ihrem Rücken gegen den Nachttisch kracht.

Ihr Mund ist zu einer schmalen Linie gezogen und sie verschränkt die Arme vor die Brust. In meinem Hals bildet sich ein Kloß und ich fühle mich plötzlich wie der schlimmste Mensch der Welt. Hat sie Angst vor mir? Wie sie vor meiner Bewegung ausgewichen ist, versetzt mir einen weiteren Stich. Diesmal noch tiefer.

"Was ist denn los mit dir?" Verzweifelt fahre ich mir durch die Haare, mache noch einen kleinen Schritt auf sie zu und sie versucht weiter Abstand von mir zu nehmen, kann es aber nicht.

"Was habe ich gemacht? Warum meidest du mich?"

Aus ihrem Mund ertönt ein spöttisches Lachen und mein ganzer Körper krampft sich schmerzlich zusammen. Sie lacht mich aus und hat starke Tränen in den Augen.

"Das fragst du noch?" Sie funkelt mich mit ihren gläsernen Augen an und schaut dann eilig weg auf den Boden. Ich kann mich nicht regen, ihr sarkastisches Lachen hallt in meinem Hinterkopf und auch ich senke meinen Blick. Es tut mir verdammt weh nicht zu wissen was in ihr los ist und es tut verdammt weh, wie sie mich behandelt. Ich meine, wir haben uns geküsst und über viele vertraute Dinge geredet. Mir hat es so viel bedeutet, dass wir auf dem Ausflug so viel Zeit miteinander verbracht haben und ich habe mich unsterblich in sie verliebt. Und jetzt behandelt sie mich wie Müll und ich kenne den Grund dafür nicht einmal.

Mit leeren Augen starre ich sie wieder an und auch sie nimmt mich wieder ins Visier. Sie versucht wütend auszusehen, vor allem wie sie ihre Arme vor die Brust gestemmt hält. Allerdings kann ich in ihren Augen sehen, dass sie verletzt ist. Und das bricht mir mein Herz.

"Evelyn..." Wieder mache ich einen Schritt auf sie zu, bis uns nur noch ein Meter voneinander trennt. Sie löst ihre Arme von der Brust und zeigt mir mit einem Arm, dass ich stehen bleiben soll. Ich hingegen halte meine Luft an und mache weitere Schritte auf sie zu, sodass ich schon ihren wundervollen Geruch in mir aufnehmen kann. Ohne zu überlegen greife ich nach ihrem Arm und halte diesen behutsam fest. "Sag mir was dich bedrückt. Was ist los mit dir? Wieso stößt du dich von mir weg? Ich kann nicht ohne dich..." 

Bevor ich meinen Satz aussprechen kann landet ihre Handfläche auf meiner Wange und ich ziehe scharf die Luft ein. Ich taumle ein wenig zurück und greife an meine Wange. Ich nehme nicht vor den schmerzen Abstand, denn sie wird mir körperlich nie richtig weh tun können. Allerdings fühle ich den schmerzen in meinem Körper. Sie sieht mich wutentbrannt an und schaut auf ihre Handfläche. Ich könnte Wetten, dass ihre Hand jetzt weh tut und ihr Schlag gegen mich nicht den gewünschten Effekt hatte.

"Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen? Verdammt, ich bin nicht wie die anderen Mädchen, mit denen du spielen kannst! Das hätte dir von Anfang an klar sein müssen und trotzdem hat es dich nicht aufgehalten mich auszunutzen."

Sie schreit durch das ganze Zimmer und am Ende schluckt sie und versucht ihre Tränen zu unterdrücken. Mit ihrem Handrücken wischt sie sich über die Augen, schubst mich weg und stürmt stolpernd aus dem Zimmer raus.

Völlig baff lasse ich mich auf dem Bett nieder und starre die offene Tür an, obwohl sie schon längst weg ist und garantiert nicht zu mir zurück kommen wird. 

-Weil ich es dir nicht sagen konnte-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt