„Nur weil er vergeben ist heißt es nicht, dass er andere nicht heiß findet und glaub mir, ich habe mich nicht geirrt. Zwischen euch beiden herrschte Feuer." Kann sie mich nicht mit dem Thema in Ruhe lassen? Wenn sie so weiter macht springe ich in das Wasser von dem Wasserfall, um mir die Hitze abspülen zu können, die Liam mal wieder verursacht. Und dass, obwohl er nicht einmal hier ist. Er ist Kilometer weit entfernt und trotzdem kribbelt mein Bauch. „Können wir über etwas anderes sprechen? Du hast dir das alles nur eingebildet. Zwischen uns läuft nichts und es wird auch nie etwas laufen", sage ich eindeutig zu schnell. Wenn ich das ausspreche kann ich es vielleicht irgendwann selbst glauben. Ich weiß, dass zwischen Liam und mir nichts läuft, aber ich bin nicht blöd und weiß genau uns verbindet etwas. Vielleicht wird es eine tiefgründige Freundschaft, oder wir haben uns eines Tages so lieb wie Geschwister. Okay, nein. Das letztere Beispiel ist sehr unwahrscheinlich, da ich seine Grübchen liebe und das sonst komisch wäre.
„Du kannst sagen was duwillst, aber ich kenne dich schon so ziemlich lange. Wenn du über ein Themanicht sprechen willst liegt es meistens daran, dass du es dir nicht eingestehenkannst." Sie erhebt sich, klopft ihre Hose von dem Gras ab und wendet sich mirwieder zu. „Aber damit du es weißt. Wenn du in Zukunft darüber reden möchtest,höre ich dir gerne zu." Kurz schenkt sie mir ihr warmes lächeln und geht dannauf den Zaun zu. Sie duckt sich vorsichtig unter ihn durch, klettert denkleinen Abhang hinunter und kommt an dem kleinen Bach an. Früher sind wir auchimmer darunter gegangen und haben unsere nackten Füße in das eiskalte Wasser gehalten. Das haben wir nie gegenüber unseren Eltern erwähnt, da sie es mit Sicherheit verboten hätten. Wir könnten ausrutschen, ganz in das Wasser fallen oder uns an irgendeinem Gestein den Kopf anstoßen.
„Hast du deine Stimme verloren? Na los, komm zu mir." Wie auf Stichwort stehe ich auf, lasse meine Tasche auf der Wiese zurück und gehe auf den Zaun zu. „Wie bist du bitteschön unter den Zaun durchgekommen?" Ich betrachte das brüchige Holz und kann mich erst nicht dazu überwinden darunter zu klettern. Als kleine Kinder kommt mir das weniger Gefährlich vor.
„Es ist nicht schwer, du schaffst das. Ich wiege eindeutig mehr als du und ich habe es hinbekommen. Solange du das Holz nicht sehr berührst, bricht es nicht zusammen." Sie hat bereits ihre Schuhe ausgezogen und macht sich an die Socken heran. Ein hämmernder Schlag durchzieht meine Brust und meine Aufregung steigt. Früher war ich definitiv mehr abenteuerlustig.
„Okay, ich schaffe das." Ich setze mich in die Hocke und mache mini kleine Schritte unter dem Zaun hindurch. Immer wieder kralle ich mir am Boden fest und spüre schon die ganze Erde in meinen Fingernägeln. Meinen Kopf ducke ich so weit möglich nach unten, beiße die Zähne zusammen und erlange endlich auf die andere Seite. Erleichtert atme ich auf und klettere den kleinen Abhang genau wie Mabel hinunter. „Siehst du, es war ganz einfach." Mabel legt ihre Schuhe und Socken auf eine trockene stelle und hält den linken Fuß ins Wasser. Super schnell zieht sie ihn wieder heraus, weswegen ich mich beinahe erschrecke. „Es ist verdammt kalt!"
„Und ich dachte schon dich hat ein Blutegel gebissen." Ich komme bei ihr an und ziehe meine Schuhe aus. Dabei passe ich auf, dass ich nicht ins Wasser kippe, sonst werden die Befürchtungen unserer Eltern von früher noch wahr werden. „Weißt du noch als einer sich an dich gehängt hat? Du bist so schnell aus dem Wasser gerannt, das nur noch eine Staubwolke von dir übrig blieb!" Sie lacht los und ich funkle sie warnend an. Ich möchte nicht daran erinnert werden. Nach diesem Ereignis bin ich wochenlang nicht mehr in das Wasser gestiegen.
„Ja lach mir nur aus. Als würdest du keine Panik bekommen, wenn dir sowas passieren würde." Ich schaue sie an, doch sie streckt mir nur die Zunge heraus.
„Ich verhungere gleich!Hoffentlich haben die in dem Diner Chicken Burger mit extra viel Salat!",stöhne ich und lasse mich gegen die Sitzlehne gleiten. Wir sind gerade auf demWeg zurück nach Hause, nachdem wir noch etliche Stunden umher gewandert sind,ohne ein wirkliches Ziel zu haben. Inzwischen haben wir nach neunzehn Uhr unddie Sonne ist nun dabei ganz hinter den Wolken zu verschwinden. Erst hatten wirvor zum Wendy's zu fahren, doch solange halten wir beide es nicht mehr aus ohneNahrungsstoffe. Meine Sandwiches und Mabels Capri Sonne haben uns nicht langeden Magen gefüllt. Deswegen haben wir uns entschieden in ein Diner in der nähemeines Hauses zu fahren. Als Kind war ich dort immer mit meinem Dad, da erverrückt nach der Lasagne dort ist. Ich hingegen habe immer nur Pommesbestellt, wie glaube ich, jedes Kind. Nie hatte ich auf etwas anderes Appetit, doch jetzt könnte ich so ziemlich alles verdrücken.
„Wem sagst du das. Nächstes mal nehmen wir einen ganzen Rucksack mit Essen mit." Mein Kopf tut weh und nach dem Diner möchte ich so schnell es geht ins Bett. Morgen werde ich mich kein Stück bewegen und denn letzten Tag der Ferien im Bett verbringen. Nach weiteren zwanzig Minuten hält Mabel endlich vor dem Diner am Straßenrand und wir steigen aus. Mein Blick gleitet über den kleinen Parkplatz und der letzte Wagen sticht mir besonders ins Auge. Warum steht der Streifenwagen meines Dads hier draußen? Die Polizeiwache ist Meilen entfernt und um diese Uhrzeit müsste er schon Zuhause sein. Dann fällt mir ein, dass er ja heute mit einem „Kollegen" verabredet ist und meine Neugier steigt. „Siehst du das?" Ich deute auf den Wagen und im ersten Moment scheint Mabel gar nicht zu verstehen was ich meine. Dann blitzt etwas in ihr auf und sie scheint ganz aus dem Häuschen zu sein. „Dann wollen wir doch mal sehen mit wem sich dein Dad trifft!" Gut gelaunt steuert sie bereits auf die Eingangstür des kleinen Diners zu, doch ich kann sie noch im letzten Moment davon abhalten.
„Glaubst du echt das es eine gute Idee ist? Ich möchte nicht in seine Privatsphäre eindringen und vielleicht hat er ja nicht gelogen und er isst zusammen mit einem Kollegen." Mabel starrt mich unglaubwürdig an und ich weiß, dass sie mir nicht glaubt.
„Das denkst du doch wohl selbst nicht! Wir schnüffeln ihm nicht hinterher. Also ich verhungere gleich und werde nicht nach etwas anderem suchen." Zögernd schaue ich abwechselnd zu ihr und zum Diner. Dort drinnen ist es nach meinen Erinnerungen ziemlich klein und übersichtlich. Es ist kaum möglich nicht aufzufallen, also wird mein Dad uns auf jeden Fall sehen können.
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-Weil ich es dir nicht sagen konnte-
RomanceDen Glauben an die Liebe verloren zieht Evelyn Parker zurück nach Portland um auf's College zu gehen. Sie möchte einfach ihre Vergangenheit vergessen und nach vorne blicken. Dabei kommt ihr allerdings jemand in den Weg und zerstört ihre Vorsätze. Li...