-forty-nine-

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Wenn ich mich nicht verhöre läuft der Motor noch und das Fenster steht unten. Wahrscheinlich hatte er mir den ersten Satz noch aus dem Auto zugerufen und als ich gefallen bin ist er schnell ausgestiegen. Mein Puls ragt in die Höhe und das nicht, weil ich beinahe auf den Asphalt geknallt bin.

„Nein. Mir geht es gut." Ich ziehe meine Hand von der Tür weg und stehe somit auf meinen eigenen Beinen, doch wegen der Aufregung, drohe ich wieder zu fallen. Er sieht mich skeptisch an und sein Blick wandert zögernd an mir hinunter und dann wieder hoch in mein Gesicht. Wenn er das immer macht werde ich noch verrückt werden, denn wenn er mich so anschaut und abscannt halte ich die Luft an und bekomme das Gefühl er könne mich mit seinen bloßen Blicken anfassen und mich berühren.

„Was machst du überhaupt hier?", bringe ich heiser hervor und sehe zu wie er sich am Hinterkopf kratzt und sich kurz zu seinem Auto umdreht.

„Ich habe gestern mein Handy bei James vergessen und habe es eben abgeholt. Eigentlich frage ich mich eher was du da eben probiert hast?" Er deutet mit einer Handbewegung auf das Dach meines Wagens und ich spüre wie sich meine Wangen rot färben.

„Die Antenne steht nicht richtig und ich wollte sie wieder gerade machen, aber ich komme nicht dran." Auf seinem Mund breitet sich ein Grinsen aus und er möchte anfangen zu lachen. „Wehe du lachst mich jetzt wegen meiner Größe aus!", warne ich ihn und er unterdrückt es so gut es ihm gelingt. „Soll ich dir helfen? Ich meine ja nur, ich bin eindeutig größer als du und könnte die Antenne wahrscheinlich sogar von hier aus aufrichten." Empört starre ich ihn an, verschränke meine Arme vor die Brust und lasse erst jetzt meinen Blick an ihm abwandern. Er trägt eine verwaschene Jeans mit einem schwarzen Gürtel, seine brauen Boots heben sich von dem Rest der Klamotten ab und der eng anliegende, schwarzer Pullover betonen seine breiten Schultern. Seine Haare fallen ihm unordentlich auf die Stirn und so gerne würde ich durch sie streicheln und sie ordentlich machen.

„Erde an Evelyn?" Perplexsehe ich hoch in seine Augen und die Hitze durchfährt meinen gesamten Körper.Hatte er eben mitbekommen wie ich ihn angestarrt habe? Wie peinlich und unangenehmkann das alles hier noch werden? Etwas nervös schaue ich ihn stumm weiter anund in meinem Kopf erklingt wieder seine Stimme wie er meinen Namen über seineLippen gebracht hat. Eine Gänsehaut bildet sich an meinen Armen und ich kremple verkrampft die Ärmel meines Pullovers weiter runter, sodass man nur noch meine Fingerspitzen erkennen kann.

„Sorry." Ich ringe mich zu einem schmalen Lächeln und vollende meinen Satz. „Es wäre schön, wenn du mir mit der Antenne helfen kannst." Er nickt anerkennend, läuft zu seinem Wagen zurück, steigt mit einem synchronen Schwung hinein und stellt den Motor ab. Wie ein Wrack stehe ich einfach rum, beobachte jeden seiner Bewegungen und vergesse dabei gleichmäßig zu atmen. Als ich nach draußen gegangen bin habe ich nicht damit gerechnet, dass ich einer Person die ich kenne begegnen würde. Und schon gar nicht habe ich damit gerechnet Liam hier anzutreffen. Die Schmetterlinge flackern in meinem Magen auf, als er auf mich zugelaufen kommt und mich nicht aus den Augen lässt.

„Ist das dein Auto?" Er läuft an mir vorbei und dabei weht sein Geruch in meine Nase und ich präge mir seinen Geruch ein. Er riecht nach einer Mischung aus Meeresbriese und nach einem angenehmen Aftershave.

„Ja." Mit einer halben Umdrehung richte ich mich zu ihm und sehe zu wie er überlegend um das Auto herumläuft und es mustert. „Du hast es aber nicht besonders gut behandelt. Stand es die ganze Zeit nur in der Garage herum?" Er bleibt vor der Motorhaube stehen.

„Ich konnte ja schlechtdamit rumfahren, als ich in London gelebt habe und nicht hier. Also ja, er standdie ganze Zeit in der Garage." Mit einer leichten Bewegung klappt er dieMotorhaube auf und ich kann sogar von hier sehen, wie eine Staubwelle in dieLuft fliegt. Verlegen schaue ich zu Boden, bevor ich auf ihn zu laufe. „DasAuto tut mir beinahe leid", lacht er und geht von dem Staub in Deckung. „Es ist nur ein Auto und kein Kind, welches ich in einem dunklen Raum vergessen habe", verteidige ich mich Schulterzuckend. „Aber beinahe."

Die Musik kommt mir plötzlich ziemlich laut vor, wahrscheinlich, weil ich mich bis eben gerade nur auf Liam konzentriert habe und nicht auf mein Umfeld. „Ich kann dir helfen die Karre wieder auf Vordermann zu bringen." Er dreht sich ganz mir zu. „Also nur, wenn du das möchtest."
„Hast du nichts Besseres an einem Sonntag zu tun?" Er schnaubt überlegend. „Nein, eigentlich nicht. Du kannst mir später Mittagessen kochen während ich hier die männliche Arbeit erledige." Er zwinkert mir vielversprechend zu und ich verpasse ihn einen Schlag an die Schulter. Wow, die ist echt hart.

„Wenn ich dir helfe musst du allerdings eine Sache für mich machen." Abwartend schaue ich ihn an und irgendwie werde ich total nervös, was soll ich machen? Wieso verlangt er etwas als Gegenleistung?

„Stell diese alte Musik von Justin Bieber bitte sofort ab sonst schlage ich meinen Kopf absichtlich gegen dein Lenkrad und stelle es als Mord da." Wir lachen beide gleichzeitig los.

„Dein Ernst? Als ob dich diese Musik so sehr stört. Das sind alte Klassiker."

„Überhaupt nicht. Diese Lieder hören sich an als würde sie eine Katze singen, die gerade einen großen Berg hinunter geworfen wird." Ich lege meinen Kopf in den Nacken und bringe ein lautes Kichern hervor.

„Du bist echt unmöglich,Liam!" Mein Blick wandert wieder zu ihm rüber, der mich siegessicher anlächelt,da er die Diskussion gewonnen hat. Mit wackligen Beinen schlendere ich zu der Musikbox, schnappe mir mein Handy und pausiere die süße Stimme von Justin Bieber als er noch ein kleiner Junge war.

„Und was möchtest du stattdessen hören?" Ohne mich zu ihm zu wenden scrolle ich durch meine Spotify Playlisten und warte auf eine Antwort. „Wie wäre es mit Deutschrap?" Angewidert drehe ich mich um hundertachtzig Grad herum und starre ihn an.

„Tu mir das nicht an. Ich dachte wir wären Freunde!", flehe ich und sehe zu wie er die Motorhaube gekonnt aufklappt und viel Staub in die Luft fliegt. „Also ich werde vermutlich an den Dämpfen deines Autos ersticken und du kannst mir nicht einmal meine Lieblings Musik anschalten?" Er deutet mit einer Handbewegung auf den Motor und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ich realisiere immer noch nicht, dass Liam mir wirklich beim Aufmotzen meines Autos hilft.

„Okay, ich gebe mich geschlagen." Augenrollend gebe ich in die Suchleiste seinen Wunsch ein und spiele die erstbeste Playlist ab. Liam scheint das Lied sofort zu erkennen, denn er schnipst mit der Hand und singt vereinzelte Wörter mit.

-Weil ich es dir nicht sagen konnte-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt