-forty-eight-

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Evelyn

„So ein Mist", fluche ich über mich selbst und hebe die zerbrochene Vase auf, die bis eben noch auf meiner Fensterbank stand. Beim Fenster öffnen ist sie mir auf den Boden gefallen und nun liegen vereinzelte Scherben auf meinem Fußboden. Zum Glück sind es keine winzigen, kleinen Stückchen und ich kann sie mit den Händen aufheben und in die Mülltonne werfen. Nach dem Aufstehen kippe ich immer mein Fenster und lüfte einmal durch. Heute wird ein richtiger Sonntag also einfach nur chillen, etwas Essen und erneut chillen. Es ist schon nach elf Uhr, als ich mich auf den Weg in die Küche mache, um zu Frühstücken. Schon von oben kann ich den Fernseher brummen hören und es wundert mich kein bisschen, dass mein Dad schon wach ist.

Gestern hatte ich keine Möglichkeit mehr mit ihm zu reden und ich bin auch jetzt noch nicht bereit dazu. Unter meinen Augen liegen tiefe Augenringe, ich habe Hunger und bin schon sehr aufgeregt morgen zum ersten Mal aufs College zu gehen.

In der Küche schütte ichmir einen Kaffee ein, mache mir ein Müsli und setze mich an den Tisch. Heutewird es Zeit mein Auto aus der Garage zu holen um zuschauen, ob es nochfunktioniert und ob ich noch fahren kann. Ich habe ihn damals geschenktbekommen, nachdem ich meinen Führerschein gemacht habe. Anders als all dieanderen Jugendlichen fuhr ich nur wenn es nötig war mit dem Ding herum. Nicht,weil mein Auto ein Gebrauchtwagen ist, sondern, da ich nicht sonderlich gernefahre. Hauptsächlich fuhr ich nur zur Schule und zurück, zum Einkaufen, oderwenn ich meine Eltern irgendwohin kutschieren musste. Seitdem ich mich nach London aufgemacht habe steht mein Polo in der Garage herum und gerät somit in Vergessenheit.

In Gedanken versunken esse ich auf, trinke noch die Milch aus der Schüssel und räume die Sachen weg. Auf den Weg nach oben gehe ich am Wohnzimmer vorbei und wollte meinem Dad eben einen guten Morgen wünschen, doch im letzten Moment halte ich den Mund, denn er ist auf der Couch eingeschlafen. Lächelnd greife ich vorsichtig nach der Fernbedienung und stelle die Dokumentation über Wassertiere leiser, damit es ihn nicht weckt. Anscheinend war sein Date gestern so gut, dass er erst einmal verschnaufen muss. Soll mir recht sein, dann werde ich ihn später ausquetschen.

Oben angekommen mache ichmich im Badezimmer frisch, höre dabei laut Musik und bewege dabei meine Hüften.Bei einem Song von Dean Lewis indem es um Liebe geht muss ich an gestern Abenddenken, als Liam mit Taylor im Auto aufgetaucht sind. Ihn zu sehen brachtewieder alle meine Gefühle durcheinander und er war der Grund, wieso ich langenicht einschlafen konnte. Es machte mich wahnsinnig ihn zu sehen, doch kaum mitihm reden zu können. Immer wieder hatte er mich angestarrt, als wäre ichirgendein teures Auto, welches eben erst auf den Markt gekommen ist. DieSpannung zwischen uns war wie immer zum Greifen nahe und die röte stieg mir insGesicht. Gott sei Dank konnte man es nicht erkennen wegen dem schummrigen Lichtim Auto. Nachdem sie weiter gefahren sind konnte ich mich kaum auf den Podcastkonzentrieren, indem es über die ganzen Influencer ging, die jetzt in denSozialen Netzwerken so beliebt sind. Und das schlimmste war, dass ichuhrplötzlich keinen

Appetit mehr auf die leckeren Nudeln vom Diner hatte. Verflucht seist du Liam Adams!

Nachdem ich eine weitere Stunde im Bett gegammelt habe rapple ich mich auf, ziehe mir eine schwarze Jogginghose zu dem babyblauen Pullover, den ich schon trage, an und befestige meinen Dutt. Mit meiner Musikbox, einem Kabel und meinem Handy gehe ich die Treppenstufen hinunter und versuche ohne meine Hände in die Sneakers zu gelangen. Nach endlosen versuchen klappt es und erleichtert richte ich mich wieder auf. Neben der Haustür liegt auf der kommode, in denen unsere Schuhe verstaut sind, eine kleine Schale, in denen alle Schlüssel liegen. Bis ich meinen Autoschlüssel gefunden habe musste ich bis nach ganz unten wühlen. Mit meinem Ellenbogen öffne ich kompliziert die Tür und schiebe sie mit meinen Füßen auf. Heute ist das Wetter recht düster und die Sonne zeigt sich kaum am Himmel. Hoffentlich fängt es nicht an zu regnen das würde die ganze Sache mit dem Auto noch schwerer für mich machen. Auf nasser Fahrbahn zum ersten Mal seit fast einem Jahr mit meinem Auto wieder zu fahren ist der Horror.

Bei der Garage angekommenlege ich die Sachen in meinen Händen auf dem Boden ab und öffne die das Tor mitaller Kraft. Das muss dringend mal geölt werden oder ich muss mehr Kraftaufbauen... womöglich kann Liam mir was von sich abgeben? Kopfschüttelndvertreibe ich die Gedanken an ihn in der Hoffnung sie würden weg fliegen. Abjetzt ist er für mich ein Tabu -Thema. Sonst stelle ich mir immer weiterefragen über ihn. Was macht er? Wie geht es ihm? Denkt er auch manchmal anmich? Ist er auch so ein Nudelliebhaber, wie ich?

Mir würden noch tausende andere Fragen einfallen, doch das lasse ich nicht geschehen.

Erst als ich das Licht in der Garage einschalte erblicke ich meinen Wagen. Der Polo ist komplett schwarz und ganz schön staubig. Vielleicht sollte ich die Probefahrt in eine Waschanlage unternehmen und somit den Schmutz, der sich in all den Monaten gebildet hat, abzuwaschen. Mein Auto erinnert mich gerade eher an eine Mumie und ich bekomme ein leicht schlechtes Gewissen. Ich habe mich nicht gut um ihn gekümmert und an der linken Seite hat er unter der hinteren Tür eine leichte Beule, da ich in der ersten Woche nachdem ich ihn bekommen habe gegen eine Laterne gefahren bin. Eher gesagt vorbeigefahren, doch irgendwie war ich zu dicht dran.

Bevor ich schauen kann ob alles okay ist fahre ich das Auto in unseren Hof. Das wird nicht schwer, ich brauche es nur nach hinten rollen zu lassen, rede ich mir selbst ein, als ich schließlich im inneren des Wagens sitze. Nervös stecke ich den Schlüssel in das Zündschloss und im Nu erklingt der Motor, der mich zusammenfahren lässt. Komm schon, Evelyn. Es wird nicht schwer sein einfach nur rückwärts zu fahren und darauf zu achten nicht an den Wänden der Garage hängen zu bleiben.

Ich umgreife beinahe krampfartig das Lenkrad und nehme mein Bein von der Bremse. Das Auto rollt los und im Schneckentempo fahre ich es aus der Garage, stelle dann den Motor ab und atme erleichtert aus, da ich seitdem ich los gefahren bin den Atem angehalten habe.

Erleichtert schwinge ichmich aus dem Wagen, verknüpfe mein Handy mit der Box und spiele eine Playlistmit alten

Liedern ab. Es wäre sehr schön gewesen, wenn Mabel jetzt hier wäre und mit mir im Takt der Musik summt. Wir beide sind eher Fans von alter Musik, anstatt von dem ganzen Rap und die Musik mit dem viel zu lautem Bass. Meine beste Freundin kann heute leider nicht, da sie einen schönen Tag mit Taylor machen möchte. Die Beziehung von den beiden kam in letzter Zeit zu kurz und sie möchten noch so viel Zeit zu zweit verbringen wie es geht, bevor der Schulstress und das harte Training von Taylor wieder beginnt. Die beiden sind echt schnuckelig und ich war Mabel gestern echt dankbar, dass sie darauf verzichten konnte nicht mit zu James zu fahren. Einerseits wollte sie, wie ich auch, den Podcast gespannt zu Ende hören, dennoch hatte ich das Gefühl, dass sie schon gerne etwas mit ihrem Freund machen würde, nachdem sie mit mir den gesamten Tag verbracht hat.

Im Takt der Musik laufe ich um mein Auto herum, ziehe alle Türen auf und erkenne, wie viel Schmutz, leere Flaschen und generell viel Staub und Dreck auf dem Boden ist. Wie geht das, wenn ich nur sehr selten mit dem ding hier gefahren bin? Ich hasse es ein Auto zu Staubsaugen. Früher habe ich den Streifenwagen von meinem Dad putzen müssen und bekam dafür fünf Mäuse. Als Kind war das eine Menge Geld und lange hatte das Geld bei mir nicht überlebt, da ich immer sofort zum Kiosk gegangen bin, zu dem ich fast eine komplette Stunde laufen musste, und habe mir Süßkram gekauft. Mein Blick reicht gerade bis an die Dachspitze und die Antenne vom Auto ist eingeknickt, wahrscheinlich, weil die Garage so niedrig ist. Wenn ich Radio hören möchte wird mich dieses Rauschgeräusch in den Wahnsinn treiben, wenn ich sie nicht wieder aufrichte. Auf Zehenspitzen versuche ich mich so groß wie möglich zu machen, doch ich komme einfach nicht dran. Vorsichtig steige ich auf den Boden des Autoinneren bei der Fahrertür, verlagere mein Gewicht auf die Beine und strecke meine Arme so weit wie es geht zur Antenne aus. „Fuck", entfährt es mir.

Natürlich bin ich zu klein.

„Brauchst du vielleicht Hilfe?" Erschrocken verliere ich den Halt und knalle unsanft zurück. In der letzten Sekunde kann ich mein Gleichgewicht noch halten und mich rechtzeitig an der offenen Tür festkrallen.

„Shit. Hast du dich verletzt?" Mit einer Hand an meinem Kopf drehe ich mich zu der Stimme herum, obwohl ich schon längt weiß, wer meine Mission stört. Liam steht einige Meter von mir entfernt, hinter ihm sein Auto mit der offenen Fahrertür.

-Weil ich es dir nicht sagen konnte-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt