-sixty-nine-

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Liam

Nach einer weiteren halben Stunde haben sich Mabel und Taylor dazu entschlossen schlafen zu gehen. Wir saßen die ganze Zeit noch am Lagerfeuer und haben über unnötige Sachen geredet. Irgendwie wird mir erst jetzt richtig klar, dass wenn man müde ist nur noch Müll aus dem Mund kommt.

Nun haben sich die zwei Turteltauben im Zelt versteckt und Evelyn und ich sind allein. Sie hat sich vor fünfzehn Minuten eine Decke aus dem Zelt geholt und hat sich in diese eingemummelt. Es sieht richtig süß aus, wie sie in dem Angelstuhl sitzt und in der Decke eingewickelt ist.

„Haben wir noch Marshmallows?", fragt sie nachdenklich und hält den Blick am Feuer fest. Ich schnaube amüsiert und warte, dass sie sagt es sei ein Witz. Ich kenne niemanden der um diese späte Uhrzeit noch Marshmallows essen möchte. Es wird nur noch ein, zwei Stunden dauern, bis die Sonne aufgeht. Leider haben wir keine Sternschnuppen mehr gesehen.

Ehrlich gesagt habe ich kein einziges Mal in den Himmel geschaut und nach ihnen Ausschau gehalten. Ich war zu sehr damit beschäftigt Evelyn anzustarren. Sie ist heute Nacht meine Sternschnuppe gewesen und mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen.

Oh man, seit wann bin ich so ein Romantiker? Wenn das so weiter geht werde ich zum Poeten. Große Neuigkeiten:

Liam Adams verlässt das Footballteam und wird zum Poeten. Die Schlagzeilen von morgen. Schnell schüttle ich mit dem Kopf und vertreibe diese irren Gedanken. Ich brauche dringend schlaf.

„Dein Ernst? Du willst jetzt Marshmallows essen?"

„Die Kohlen sind noch warm genug." Sie beugt sich leicht nach vorne um das Lagerfeuer besser sehen zu können. Na ja, ein Feuer kann man das nicht mehr nennen. Die Kohlen sind zwar noch rot, aber viel Wärme strömen sie nicht mehr aus. Kein Wunder, dass Evelyn sich in eine dicke Decke eingekuschelt hat. Ich hätte früher reagieren sollen und das Feuer wieder anstecken müssen. Wenn sie erfroren wäre, wäre es meine schuld gewesen.

„Bleib sitzen. Ich hole dir welche." Mit einem Ruck erhebe ich mich von dem Stuhl und gehe zu der Kühlbox. Irgendwo hier müssen sie liegen, denn ich bin mir ganz sicher, dass wir welche gekauft haben. Zur Hilfe wühle ich mein Handy aus der Hosentasche und schalte die Taschenlampe ein.

Schließlich finde ich die Marshmallows zusammen mit den anderen Süßigkeiten, die wir für die Mädels eingekauft haben. Aus der Tasche, in der wir den Grill hier hoch transportiert haben, ziehe ich einen Metallstab heraus. Für die paar Marshmallows muss der reichen.

„Willst du noch Gummibärchen oder Schokolade? Ich meine, wenn du schon mitten in der Nacht Lust auf Zucker hast, kannst du das auch noch Essen."

Ich höre Evelyn auflachen und deute dies als ein ja. Zusammen mit den Süßigkeiten und dem Stab gehe ich zurück zu ihr und lege die Sachen auf Evelyns Schoß ab.

„Jetzt sehe ich aus wie einVielfraß", kommentiert sie schuldbewusst und reißt die Marshmallow-Verpackungauf. Ich hingegen lasse mich wieder auf den Stuhl fallen und beobachte, wie sie die weißen Kalorienbomben auf den Stab aufspießt. Etwas ungeschickt bekommt sie es schließlich hin, legt die anderen Sachen behutsam auf den Boden und befreit sich aus der großen Decke. Tollpatschig steht sie auf und stützt ihr Gewicht auf ihr eines Bein, da ihr anderes vermutlich wegen des langen Sitzens eingeschlafen ist. Lachend strecke ich den Arm zu ihr aus um ihr im Notfall helfen zu können.

„Willst du auch welche?" Sie kniet sich vor die Kohlen und hält den Stab hinein. Immer wieder wendet sie diesen und wartet ungeduldig, dass ihr Essen braun wird.

„Nein, danke. Ich bin auf Anti Zucker Diät." Sie gibt ein verächtliches Schnauben von sich und schüttelt ihren Kopf.

„So ein bisschen Zucker macht dich nicht fett."

„Ich bin Sportler."

„Sind die meisten Footballspieler nicht sowieso etwas Fülliger? Nicht, dass du bald zu untergewichtig bist für das Team."

Touché. Sie hat nicht unrecht und diese Erkenntnis von ihr bringt mich zum Grinsen.

„Und du? Ich weiß ja, dass du viel Essen kannst. Aber wo geht das ganze Fett hin? Du hast ja fast nur Knochen an dir."

Ihr Rücken versteift sich vor mir und sie gibt keinen Ton von sich. Mehrere Sekunden vergehen, in denen sie nichts sagt und einfach nur stumm ihr Marshmallow hin und her dreht. Habe ich einen wunden Punkt getroffen? Ich wollte sie nicht traurig machen, oder sie an irgendwas erinnern.

„Evelyn? Ist alles okay? Habe ich etwas Falsches gesagt?"

Behutsam stehe ich auf und knie mich neben sie. Ihr Blick ist voll und ganz auf das Feuer gerichtet, ihre Lippen sind zu einer schmalen Linie gezogen und ihre Hände umgreifen den Metallstab eindeutig zu fest, sodass ihre Haut schon weiß anläuft.

„Ist alles okay?" Meine Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern und langsam dreht sie ihren Kopf in meine Richtung, schaut mir aber nicht in die Augen. Ich halte meine Luft an und kann mich kaum bewegen.

Als ihre Augen auf meine treffen ist es, als würde ich einen Blitzschlag abbekommen. Sie sind eisig kalt, ohne jegliche Emotionen und ihre Augenringe haben zugenommen.

„Evelyn, was ist los? Du machst mir eine scheißangst. Sprich mit mir. Was habe ich falsch gemacht, dass du jetzt so drauf bist?"

Sie sieht mich weiterhin an, öffnet leicht ihren Mund, doch bekommt keine Wörter heraus. Ich handle sofort, nehme ihr den Stab aus der Hand, lege es ins Gras und ziehe sie an den Hüften nach oben. Dann hebe ich sie leicht hoch, lasse mich auf dem Stuhl langsam nieder, sodass sie nun auf meinem Schoß sitzt.

„Erzähl mir was los ist", fordere ich sie auf und lasse sie keine Sekunde aus den Augen. „Es geschah in London." Sie muss hart schlucken und hatte schon Probleme diese vier Worte auszusprechen. In London? Das einzige was ich weiß, ist, dass sie lange dort gelebt hat, da ihre Mom dort wohnt. Mehr Geschichten aus ihrer Vergangenheit kenne ich noch nicht.

-Weil ich es dir nicht sagen konnte-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt