-sixty-seven-

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Wie ich es erwartet habe, öffnen sich wenige Sekunden später seine Augen und er braucht einen Moment bis er sich sammelt und meinen Blick schließlich auffängt.

„So könnte ich öfters aufwachen", nuschelt er unverständlich und reibt sich über das Gesicht. Mein Herz pocht bis zum Anschlag, seine Worte wiederholen sich in meinem Kopf und mein Mund ist vollkommen ausgetrocknet.

„Im Auto deines besten Freundes und das irgendwo im nirgendwo?", bringe ich so deutlich wie möglich hervor. Danach versuche ich mit meiner Zunge wenigstens ein bisschen Feuchtigkeit zurück in den Mund zu bekommen. Ich würde jetzt alles tun für ein Glas Wasser.

„Genau das meine ich", spottet er und streckt sich. Ich lache leise auf und drehe mich ganz herum. Durch den kleinen Schlitz der Kopfstütze kann ich auf das Armaturenbrett schauen und kann die Uhrzeit ablesen. 2:14 Uhr.

Verdammt, wir haben sehr lange geschlafen und vielleicht die Sternschnuppen verpasst. Außerdem sollten wir Mabel einen Pullover holen und was machen wir? Wir küssen uns und schlafen daraufhin ein. Was bin ich für eine schreckliche Freundin? Na ja, sie hat mich zuerst enttäuscht, indem sie Liam einfach ohne mein Wissen hier her eingeladen hat. Allerdings bin ich nun darüber sehr froh und würde es nicht rückgängig machen wollen.

„Haben wir die Sternschnuppen schon verpasst? Es ist schon nach zwei Uhr."

Ich wende mich wieder Liam zu, der mich keine Sekunde aus den Augen lässt und seine Hand an meinen Oberschenkel legt. Mit langsamen Kreisbewegungen lässt er mich erschaudern und ich schnappe nach Luft. In diesem Auto ist es ohnehin viel zu stickig.

„Taylor meinte die fliegen bis vier Uhr nachts über dem Himmel. Wenn wir uns beeilen können wir noch welche sehen, wenn wir Glück haben."

Ich nicke zusagend und klettere von seinem Schoß runter. Sofort fühle ich mich nicht mehr vollständig, als hätte sein Körper zu meinem gehört. Es fühlt sich an, als hätte ich ein Körperteil verloren, wie meinen Arm oder mein Bein. Mein Herz hat er ja schon. Ich muss wegen meinen eigenen Gedanken die Augen verdrehen und bin so froh, dass niemand meine verrückten Gedanken hören kann. Ich finde es einfach selbst viel zu krass, wie sehr er mich unter Kontrolle hat und wie sehr sich mein Leben nach ihm richtet. Es ist schwer zu erklären und ich verstehe es ja selbst kaum, aber ich würde einfach alles machen um an seiner Seite zu sein. Sogar die Gründe, weshalb ich den Kontakt zu ihm meiden sollte, halten mich nicht davon ab hier mit ihm zu sein.

„Ist der Pullover für Mabel im Kofferraum?"

„Denkst du echt, sie wird ihn jetzt noch brauchen? Ich meine es sind einige Stunden vergangen." Er lacht und steigt aus dem Auto. Ich ziehe auch die Tür auf und schwinge mich raus und wünsche mir sofort, es nicht so schnell gemacht zu haben. Meine Beine sind eingeschlafen und sind es nicht mehr gewohnt zu stehen. Hektisch greife ich nach der offenen Tür und bereite mir so weiteren halt, bis ich meine Beine wieder normal spüren kann.

Liam steht auf der anderenSeite des Autos und grinst mich an, da er genau mitbekommen hat was passiertist und wie ich beinahe wegen meinen eigenen Beinen gestolpert bin. Ha ha.

„Kein Kommentar, okay?" Er tut so als würde er seinen Mund mit einem imaginären Schlüssel schließen und anschließend zwischen den ganzen Bäumen schmeißen. Augenrollend widme ich mich dem Kofferraum zu und öffne ihn. Auch wenn ich den Pullover einige Stunden zu spät bringe ist es besser, als ihn gar nicht zu holen.

Im Kofferraum fliegen die verschiedensten Sachen herum. Football Sachen, viele Klamotten, leere Flaschen und ein Ball. Ich taste mich nach irgendetwas warmen, bis ich eine dickere Jacke von Taylor finde. Diese wird Mabel schon reichen.

„Wo ist jetzt eigentlich das Mückenspray?"

„Shit, ich dachte du hättest es schon vergessen. Du wirst schon nicht mehr gestochen. Dank deinem Stich an deiner Nase hast du gar nicht mehr genug Blut, also werden es dich Viecher eher auf mich absehen."

Verbittert kneife ich die Augen zusammen und strecke ihm den Mittelfinger entgegen. Komisch, obwohl wir vor einigen Stunden über einander hergefallen sind, sprechen wir völlig normal als wäre zwischen uns beiden nichts geschehen. Ich glaube das ist eines unserer Talente: Problemen aus den Weg zu gehen.

„Ich nehme dich beim Wort. Wenn sich auch nur ein Tierchen um mich herumfliegt, verkrieche ich mich in dem Pullover."

Liam kommt zu mir herum, greift nach oben zur Kofferraumtür und zieht sie fest zu. Meine Augen haften dabei an seinen Armmuskeln, die ich trotz der Dunkelheit gut erkennen kann.

„Nicht das du dich bei der Bewegung noch verrenkst", lacht er und schließt darauf hin das Auto komplett ab.

„Seit wann bist du wieder so gut gelaunt?", provoziere ich ihn, ziehe mir meine Kapuze weit ins Gesicht und laufe los. Als ich merke, dass er mir nicht folgt halte ich an und drehe mich zu ihm herum. Er steht immer noch beim Auto, doch ich kann nicht erkennen, wohin er schaut.

„Wie wäre es, wenn wir den richtigen Weg gehen würden?" Er streckt seine Hand aus und zeigt in eine komplett andere Richtung. Mein Gesicht läuft rot an und ich bin froh, dass er es nicht erkennen kann. Wie ein eingeschnapptes, kleines Kind laufe ich zu ihm zurück und gehe in die gezeigte Richtung.

„Ich wusste das", lüge ich und höre, wie er hinter mir herläuft.

„Ja, klar. Genau aus diesem Grund bin ich mit dir hergelaufen, weil ich mir schon gedacht habe, dass du keinen Orientierungssinn hast."

Er lacht schon wieder über seinen eigenen Witz, doch ich schenke ihm keine Beachtung. Soll er denken was er möchte, irgendwie hätte ich den Weg schon wieder zurück gefunden. Ich konzentriere mich, nicht über irgendwelche Äste zu laufen und andauernd bilde ich mir ein, dass sich etwas in meiner Nähe bewegt. Plötzlich sehe ich wie irgendein Tier vor mir schnell den Weg überquert und ich schreie auf.

„Da war was!" Ich drehe mich angeekelt um und renne auf Liam zu, der nur wenige Meter hinter mir läuft. Ich laufe ihm direkt in die Arme und er hält mich fest. Fast taumeln wir nach hinten, weil das gerade alles ziemlich schnell ging. 

„Das war nur eine Maus oder so." Durch seinen spöttischen Unterton merke ich ganz genau, dass er sich insgeheim über mich lustig macht.

„Das kannst du nicht wissen. Ich laufe nicht weiter." Ich mag keine kleinen Tiere und schon gar nicht nachts. Angst habe ich nicht, sonst hätte ich mich nie auf diesen Trip eingelassen. Vor allem sind sehr viele Tiere nachtaktiv und ich möchte gar nicht wissen, was hier nachts so rumläuft. Am Ende verfolgt uns noch ein Wildschwein. Tja, ich bin klein und könnte schnell auf einen Baum klettern. Wenn ich an die Äste dran komme.

-Weil ich es dir nicht sagen konnte-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt