Die anderen denken sich sicherlich auch, was ich für ein kleines Kind bin und wegen sowas einen Aufstand mache, aber sie verstehen nicht was das in mir auslöst. Liam hat mich geküsst, es war mein erster Kuss und er hat eine Freundin. Ich habe angst mich zu verlieben und verletzt zu werden. Außerdem habe ich immer das Gefühl, ich würde gleich explodieren, wenn er in meiner nähe ist.
Die frische Luft, die von den Bäumen kommt, lässt mich wieder aufatmen und ich lege meinen Kopf in den Nacken. Ich fühle mich wieder sicher und bin froh allein zu sein.
„Evelyn?"
Mabels Stimme ertönt zwischen den Bäumen und ich verdrehe meine Augen bis zum Anschlag. Ich will nicht mit ihr reden, aber wenn ich mich entscheiden muss, dann rede ich lieber mit ihr als mit Liam.
„Ich möchte nicht reden."
„Es tut mir leid, okay? Hätte ich das was du mir vorhin erzählt hast früher gewusst, wäre ich niemals auf die Idee gekommen ihn hier her einzuladen!"
Sie eilt zu mir rüber und stellt sich direkt vor mich hin. Ich hingegen schaue ihr nicht eine Sekunde in die Augen und verschränke meine Arme demonstrativ vor die Brust.
„Wieso hast du ihn überhaupt eingeladen? Du wusstest doch genau, dass ich ihn nicht sehen möchte."
„Und genau deswegen habe ich es gemacht. Du kannst dem Problem nicht aus dem Weg gehen und so tun als wäre nichts geschehen. Ihr müsst darüber reden und er hat Taylor gefragt ob er mitkommen kann, weil du ihm aus den Weg gehst."
Jetzt schaue ich meiner Freundin ins Gesicht und lasse ihre ausgesprochenen Worte auf mich wirken. Liam wollte von sich aus mitkommen und wurde nicht von den beiden aufgefordert? Mein Herz flackert auf und ich erinnere mich an seinen flehenden Gesichtsausdruck von gerade eben zurück. Er möchte mit mir darüber sprechen und nicht wie ich den Dingen aus den Weg gehen. Ich weiß nicht, ob ich bereit bin darüber zu reden und wenn ja, keine Ahnung was ich dann sagen soll. Am Ende labere ich nur scheiße oder bekomme keine ganzen Sätze raus.
„Ich wollte dir nur etwas Gutes tun und dir nicht damit schaden. Früher oder später hättet ihr euch sowieso irgendwo getroffen und das wäre dann schlimmer als hier."
Sie greift nach meiner Hand und streichelt behutsam über meinen Handrücken. Sie hat recht. Einerseits bin ich wütend, weil sie das alles hinter meinem Rücken veranstaltet hat, andererseits hätte ich das an ihrer Stelle womöglich auch getan. Sie will mir nur helfen und vielleicht ist es heute wirklich soweit darüber zu sprechen.
„Okay. Ich verzeihe dir", flüstere ich und bereite mich schon einmal emotional darauf vor mit Liam allein zu sein.
-Liam's Sicht-
„Das war eine scheiß Idee!", motze ich meinen Freund an und lasse mich in den Campingstuhl nieder. Wie konnte ich auch nur denken, dass Evelyn sich darauf einlassen würde ausgerechnet heute mit mir zu reden und dann auch noch so plötzlich und ohne Vorwarnung.
Als Taylor mir von dem Ausflug erzählt hat ging mir die Idee direkt in den Kopf und ich habe ihn gebeten mich mitzunehmen. Auch diese ganze Geheimnistuerei war allein meine Idee, denn Mabel wollte ihr zuerst davon erzählen und Evelyn fragen, ob es denn okay ist, wenn ich auch komme. Sie hätte allerdings definitiv dicht gemacht, oder wäre selbst Zuhause geblieben.
„Stimmt doch gar nicht. Sie wird sich schon beruhigen und auf dich zukommen, außerdem redet Mabel gerade mit ihr. Mach dir keinen Kopf und entspann dich."
Taylor kann gut reden. Er hat sich nicht so in die Scheiße geritten wie ich. Ehrlich gesagt erinnere ich mich nur vage daran, was am vergangenen Freitag geschehen ist, aber an drei Sache kann ich mich noch ganz deutlich erinnern.
An Evelyns Lippen auf meinen.
An ihre Wärme die sie ausgestrahlt hat.
Und dass ich verrückt nach ihr bin.
Ich erinnere mich noch an das Footballspiel. Während des Spiels habe ich mich andauernd bei der Tribüne umgeschaut und habe nach Evelyn Ausschau gehalten. Deswegen konnte ich mich nicht auf das Spielen konzentrieren und war abgelenkt. Ich war wütend auf mich selbst, aber nicht unbedingt wegen meiner schlechten Leistung, sondern, weil ich meine Gedanken nicht mehr im Griff habe. Ich muss ununterbrochen an sie denken und das raubt mir so viel Energie.
Und wie mein Kopf es so wollte bin ich einfach in mein Auto gestiegen und bin zu ihr gefahren. Davor haben wir noch alle zusammen getrunken und die Jungs hatten ihren Spaß. Ich hingegen hockte wie ein Looser an der Bar und kippte mir eine Flüssigkeit nach der anderen in den Mund. Ich wollte wieder die Macht über meinen Kopf bekommen und Evelyn vergessen. Doch je mehr ich trank desto mehr sehnte ich mich nach ihr. Wieso bin ich so? Noch nie habe ich mir so viele Gedanken um ein Mädchen gemacht. Ich möchte immer wissen was sie macht und wie es ihr geht. Dabei kennen wir uns noch nicht so lange, trotzdem könnte ich ihr Tag und Nacht zuhören, wie sie über ihr Leben spricht und ich würde nicht genug bekommen.
Irgendwie habe ich es dann geschafft heil bei ihr anzukommen und ab dem Moment weiß ich nicht mehr viel. Nur noch, wie sie im Türrahmen stand und sich erschreckt hat, weil ich dort war.
Wie ich nach Hause gekommenbin weiß ich nicht mehr, jedenfalls erinnere ich mich nicht an die Autofahrtdorthin. Aber die Erinnerungen an meine Auffahrt, das schummrige Licht der Laternen und Evelyns Atem auf meiner Haut erscheinen ganz klar in meinem Kopf.
Immer wenn ich daran denke fangen meine Lippen an zu kribbeln und ich könnte mit meiner Faust irgendwo reinschlagen. Die ganze vergangene Woche dachte ich nur daran und suchte jeden Flur am College ab. Immer wieder überlegte ich was ich ihr sagen kann, bis jetzt habe ich noch keine Ideen.
Sie gerade gesehen zu haben machte mich innerlich so glücklich und ich konnte meinen Blick nicht von ihr nehmen. Sie hat etwas an sich was ich in noch keinem anderen Mädchen erkannt habe und sie zieht mich an. Es klingt ziemlich merkwürdig und wenn ich einmal meine Gedanken laut aussprechen würde, würde man mich sicherlich in die Klapse verfrachten.
Taylor habe ich erst im laufe der Woche erzählt was passiert ist. Nicht, weil es mir peinlich oder unangenehm ist, sondern weil ich selbst nicht weiß, wieso es geschehen ist. Ich habe keine Erklärung dafür, warum ich mich so sehr nach ihr gesehnt habe. Ich kann es nicht auf den Alkohol schieben, obwohl ich sie nicht geküsst hätte, wenn ich nüchtern wäre.
Oder vielleicht doch?
Ich habe null Ahnung.
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-Weil ich es dir nicht sagen konnte-
RomanceDen Glauben an die Liebe verloren zieht Evelyn Parker zurück nach Portland um auf's College zu gehen. Sie möchte einfach ihre Vergangenheit vergessen und nach vorne blicken. Dabei kommt ihr allerdings jemand in den Weg und zerstört ihre Vorsätze. Li...