-sixty-one-

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„Ich kann nicht mehr!", motze ich und lege meinen Kopf in den Nacken. Mabel und ich laufen schon seit über vierzig Minuten und mir kommt der Weg viel länger vor als das letzte Mal. Vielleicht liegt es daran, dass ich einen schweren Rucksack mit mir herum schleppe und ich andauernd nach hinten gezogen werde. Es fühlt sich an als würden die ganzen Lasten mit Liam an meinem Rücken hängen und durch den steilen Aufstieg werde ich nach hinten gezogen und drohe in den Abgrund gezogen zu werden.

„Stell dich nicht so an! Wir haben es doch bald geschafft!", ruft Mabel mir über die Schultern zu, da sie von uns beiden voran geht. Ich schaue in den Himmel und erkenne, wie sich die Sonne hinter den Wolken versteckt. Es ist nicht sonderlich warm, was gut ist, denn ich hätte gar keine Lust in der Hitze hier hoch zu laufen.

„Ich bekomme schon wieder Hunger."

„Taylor hat einen kleinen Grill mitgenommen, also bekommst du bald etwas zu Essen." Innerlich freue ich mich schon und benenne Taylor nun in meinen Gedanken als Lieferheld.

„Denkst du wir sehen die Sternschnuppen überhaupt? Was ist, wenn es zu benebelt ist oder wie ganzen Bäume die Sicht versperren?"

Immer wieder starre ich hoch in den Himmel, dann wieder auf den Boden um nicht auf einer Wurzel auszurutschen.

„Ich weiß es nicht. Egal, wenn nicht haben wir trotzdem eine schöne Zeit zusammen und dann kannst du weiterhin das Thema Liam meiden."

Abgrubt bleibe ich stehen, wie Mabel eine kurze zeit später. Sie hat gehört, dass ich nicht weiter laufe und dreht sich zu mir herum. Ich meide das Thema nicht, es gibt einfach nichts dazu zusagen.

„Das sollte sich gerade nicht blöd anhören. Ich finde nur, du solltest es mit ihm ausdiskutieren und nicht so tun als wäre nichts gewesen."

Sie kommt auf mich zu und muss versuchen nicht zu schnell zu laufen, da sie bergab geht.

„Ich meine was ist daran so schlimm, dass ein Junge sich für dich interessiert? Es ist doch voll süß." Mein Brustkorb zieht sich zusammen und ich denke an jenen Abend in London zurück. Mein Blick heftet sich links auf einen Baum und meine Fingerspitzen krallen sich in meiner Haut fest.

„Es ist schwer zu erklären", gestehe ich monoton und habe die Lippen zu einer schmalen Linie gezogen.

„Evelyn. Ich habe das Gefühl, dass du mir etwas verschweigst. Wir sind doch beste Freunde und du kannst mir alles anvertrauen. Was wäre ich für eine Freundin, wenn ich nicht auf deine Probleme und deine Lasten zurück greifen würde? Wir stehen alle Dinge gemeinsam durch, wir sind ein Team", sagt sich ruhig und greift nach meiner Hand. Ich versuche den riesigen Kloß in meinem Hals runterzuschlucken, doch bekomme es nicht hin. Mabel lässt ihren Kopf durch die Gegend schweifen und fokussiert einen liegenden Baumstamm, der womöglich bei einem Sturm umgefallen ist.

„Sollen wir uns kurzsetzen?" Langsam nicke ich und sie führt mich die wenigen Meter zu demBaumstamm und wir nehmen darauf Platz. Die Rinde ist schon ziemlich kaputt undlange wird sie uns nicht tragen können. Hoffentlich bricht der Stamm zusammen und wir rollen den Berg hinunter. Dann komme ich aus diesem Gespräch heraus.

„Komm schon. Erzähl mir, was dich bedrückt und wieso du niemanden an dich heran lässt. Ich meine es ist ja nicht nur Liam. Du lässt generell keinen Jungen an dich heran."

Sie redet extrem behutsam als würde sie glauben ich würde sonst zusammenbrechen. So langsam bricht meine Mauer in sich zusammen und ich lasse zu, dass alle meinen verdrängten Erinnerungen auf mich einbrechen und an die Oberfläche kommen wollen. Meine Beine fangen an zu zittern und ich lege meine Hand darauf, um den Stoß abzuwehren.

-Weil ich es dir nicht sagen konnte-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt