Liam
"Jetzt zieh doch nicht so ein Gesicht", mahnt mich mein bester Freund und reicht mir ein Bier. Schon seit vier Uhr hocke ich bei ihm Zuhause, da ich beim Aufbauen geholfen habe. Inzwischen ist es schon nach neun Uhr und das Haus und insbesondere der Garten wurden von Taylors Freunden in Beschlag genommen.
In einem Zug kippe ich diese widerliche Flüssigkeit hinunter, verziehe das Gesicht und stelle das Bier auf den Tresen ab. Wie ein Wrack sitze ich in der Küche, vor mir stehen alle Getränke, die man sich vorstellen kann, doch schon beim Gedanken an Alkohol könnte ich kotzen. Dieses bisschen Bier schmeckt zwar grauenvoll, beschreibt aber meine Laune.
Ganze zwei Wochen habe ich nichts von Evelyn gehört. Ganze zwei Wochen hält sie mich schon hin und ich habe keine Ahnung, was in ihr vorgeht. So oft wollte ich mich einfach in mein Auto setzen und zu ihrem Haus fahren. Ich muss sie doch zur Rede stellen, oder etwa nicht? Sie kann mir doch nicht einfach aus dem Weg gehen und so tun, als würden wir uns nicht kennen. Nach dem klärenden Gespräch mit Catrice war ich so zuversichtlich, dass es nun offiziell mit Evelyn und mir klappt. Tja, falsch gedacht.
Mabel meinte ihr ging es nach dem Ausflug nicht gut und dass ihre Mom sie besuchen kommt. Sie hat mir ausdrücklich verboten die Zweisamkeit zwischen Evelyn und ihrer Mom zu stören und ich fand es heftig, wie direkt Mabel sein kann. Taylor hat sich ein Mädchen ausgesucht, die echt Feuer unterm Arsch hat.
Mir fiel es mehr als schwer Evelyn nicht aufzulauern, aber sie tat alles um mir aus den Weg gehen zu können. Ich habe die Hoffnung schon längst aufgeben, dass sie vielleicht heute hier auftauchen wird. Wenn sie mich nicht sehen möchte wird sie ganz sicher nicht zu dem Geburtstag von meinem besten Freund kommen.
Ich habe nie gewusst, wie sich Liebeskummer anfühlt. Ehrlich gesagt hätte ich auch niemals damit gerechnet mich so sehr zu verlieben. Alles was ich die letzten Tage gemacht habe, haben keinen Spaß gemacht. Beim Footballtraining hatte ich keinen Ausdruck auf meinem Gesicht und bin einfach nur wild umher gelaufen. Nichts hat mich zum Lächeln gebracht, ganz gleich was ich tat. Auch wenn ich etwas mit Taylor unternommen habe, oder in einer Gruppe mit anderen Freunden. Nichts hat geholfen.
Es heißt doch eigentlich "ausden Augen, aus dem Sinn", aber das ist eine Lüge. Oder dieses Sprichwort lässtsich nicht auf die zwei Wochen einigen. Jedenfalls wurde die Sehnsucht zu ihr immer schlimmer, bis ich nur noch in meinem Zimmer saß und darüber nachdachte, was ich falsch gemacht habe. Vielleicht bereut sie es mir von dem Ereignis in London erzählt zu haben.
"Wenn du kein Bock mehr hast kannst du in mein Zimmer gehen. Dort steht ausdrücklich, dass keiner rein darf. Da hast du deinen Freiraum."
Taylor drückt mir die Schulter, denn er weiß ganz genau, wie es mir geht. Er hatte schon öfters Liebeskummer und weiß, wie es sich anfühlt. Ehrlich gesagt hatte ich erhofft, dass Mabel ihm Sachen erzählt, die Evelyn bedrücken und weshalb sie meinen Kontakt so meidet. Aber nichts. Mabel schweigt gegenüber ihm wie ein Grab. Was eigentlich nur zeigt, wie loyal sie Evelyn gegenüber ist, dennoch hätte ich es besser gefunden, etwas zu erfahren.
"Danke."
"Ich gehe mal schauen, wer noch dazu gestoßen ist." Taylor verlässt die Küche und eine andere Person kommt stattdessen hinein. Ashley, die Freundin von Catrice kommt breit lächelnd auf mich zugelaufen und nimmt viel zu dicht neben mir Platz. Ihre fake Wimpern sind viel zu riesig für ihre Augen und ich unterdrücke mir ein kichern. Sie trägt ein trägerloses Top, dazu eine sehr kurze Hose, die gerade noch so alles verdeckt.
"Was machst du hier so allein?", begrüßt sie mich und schnappt sich sitzend eine Flasche Bacardi, öffnet den Verschluss und kippt ihn pur runter. Schon beim Anblick verziehe ich das Gesicht.
"Keine Ahnung."
"Willst du auch?" Sie reicht mir die Flasche hin, doch ich schüttle mit meinem Kopf. Ich weiß nicht so recht, ob sie schon angetrunken ist. Wie sie redet, würde ich es nicht behaupten, aber wie wacklig sie die Flasche hält, lässt mich denken, sie sei schon besoffen. Damit nichts geschieht, nehme ich ihr die Flasche weg und stelle sie zurück auf den Tresen.
"Und was hast du die letzten Tage so getrieben?" Sie rückt ein kleines Stückchen näher an mich heran und der Gestank von Bacardi breitet sich aus. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, weshalb sie sich zu mir gesetzt hat. Sonst hatten wir nichts miteinander zu tun, außer wenn Catrice dabei war. Ob sie auch hier ist? Ich denke nicht.
"Nicht viel", antworte ich knapp und nehme einen schluck von meinem Bier. Plötzlich legt sie mir eine Hand auf mein Bein und lässt sie dort verweilen. Ich runzle die Stirn und sehe, wie sie mich angrinst.
"Ich habe gehört, dass es zwischen dir und Catrice aus ist. Was ist vorgefallen?" Augenblicklich ringe ich nach Luft und verstehe endlich, wieso sie hier ist. Catrice und ich haben uns darauf geeinigt, dass wenn uns jemand auf unsere Beziehung anspricht wir sagen, es sei aus. Wir haben es nicht an die große Glocke gehängt, aber da sich eh alles schnell rumspricht, wissen es fast alle. Allerdings finde ich es zeitlich dreist von Ashley sich an mich ranzumachen, da ich der ex ihrer Freundin bin. Catrice hat sowas nicht verdient. "Ashley, was soll das?" Ich drücke ihre Hand von meinem Bein, doch ihr grinsen verschwindet nicht. Dann hebt sie wieder ihre Hand und streichelt mir über die Wange.
"Du hattest eh was besseres verdient", flüstert sie. Völlig perplex sehe ich mich hilfesuchend um und bleibe an zwei wunderschönen Augen hängen. Mein Blut gefriert und ich kann mich nicht bewegen.
"Sorry. Ich wollte euch nicht stören." Evelyn bekommt die Worte nur schwer über die Lippen, bevor sie sich umdreht und in der Menschenmenge im Wohnzimmer verschwindet. Wie lange stand sie schon in der Tür?
Schlagartig reiße ich mich von Ashley los, stehe auf und stürme aus der Küche. Mein Körper wird von dem Adrenalin angetrieben, der sich in mir aufgestaut hat. Meine Brust hebt und senkt sich unregelmäßig und in meinem Kopf dreht sich alles. Eben ging alles viel zu schnell und ich komme nicht hinterher.
Wie ein irrer rase ich durch das Wohnzimmer, drücke mich durch die ganzen Leute hindurch und suche jeden Zentimeter nach Evelyn ab. Es ist, als sei sie vom Erdboden verschwunden. Zum Schluss laufe ich raus in den Garten und sogar zur Straße, doch nichts! Sie ist nicht aufzufinden. Auf meiner Suche nach ihr bin ich auf so viele Füße getreten und bin gegen viele Leute gelaufen, sodass ich mit dem Entschuldigen nicht hinterher kam.
Verzweifelt stehe ich auf dem Bürgersteig vor Taylor Haus. Es kann doch nicht sein, dass sie sich so schnell in Luft aufgelöst hat. Sie hatte keine zehn Sekunden Vorsprung, bevor ich ihr nach gerannt bin. Meine Wangen sind heiß und ganz bestimmt auch rötlich gefärbt, obwohl die kalte Nachtluft über mich weht.
Oh man, was sie sich wohl gedacht hat, als sie mich so mit Ashley gesehen hat? Vermutlich wollte sie sich in der Küche was zum Trinken holen und was findet sie vor? Ashley, wie sie die Hand auf meinem Bein hat und ich habe nichts dagegen getan. Hoffentlich hat sie das Gespräch mitgehört und interpretiert nichts Falsches hinein.
Unser Wiedersehen habe ich mir eigentlich total anders vorstellt. In meinen Gedanken endete es jedenfalls nicht so, dass sie vor mir weg läuft und ich sie wie einen Irren suche. Obwohl ich sie nur wenige Sekunden betrachten konnte, ist ihr Auftreten bei mir hängen geblieben. Sie sah wunderschön aus, ganz gleich wie verwirrt ihr Gesichtsausdruck war. Man, ich muss sie finden, sonst drehe ich durch. Ich brauche sie.
Wütend trete ich gegen den Gartenzaun, bevor ich wieder stur auf das Haus zugehe, mich durch die ganzen Menschen drängle und die Treppen nach oben laufe. Ich brauche ruhe und möchte keine anderen Leute gerade sehen. Es ist der Geburtstag meines besten Freunds und was mache ich? Ich verkrieche mich in seinem Zimmer, anstatt mit ihm zu feiern. Er hat einen besseren Freund verdient und ich schwöre hiermit, dass ich höchstens zwanzig Minuten hier oben bleibe und danach gute Laune bekomme, um mit Taylor und den anderen eine tolle Nacht zu haben.
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-Weil ich es dir nicht sagen konnte-
RomanceDen Glauben an die Liebe verloren zieht Evelyn Parker zurück nach Portland um auf's College zu gehen. Sie möchte einfach ihre Vergangenheit vergessen und nach vorne blicken. Dabei kommt ihr allerdings jemand in den Weg und zerstört ihre Vorsätze. Li...