Kapitel 70

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Übermüdet betrete ich den Raum. Fabi liegt in dem Krankenhausbett unter der weißen Decke. Er ist blass, einige Schnitte zieren sein Gesicht und ein großes Pflaster bedeckt die Platzwunde auf seiner Stirn. Ich muss schwer schlucken und meine Hand schlingt sich noch etwas fester um den Kaffeebecher in meinen Händen.

Ich habe keine Ahnung wie lange ich bereits wach bin. Lang genug auf jeden Fall, aber einschlafen ist keine Option. Mom und Dad waren zwischenzeitlich zuhause, haben sich etwas ausgeruht und ein paar Sachen geholt. Felix hat im Wartebereich etwas geschlafen. Mario ist auch immer mal wieder eingeschlafen, aber ich habe mich gezwungen wach zu bleiben.

Auf dem Stuhl neben dem Bett nehme ich Platz. Mein Blick fährt auf die Monitore die hier herum stehen. Alle Linien wirken sehr gleichmäßig, nichts ungewöhnliches. Das ist doch schon einmal ein gutes Zeichen, oder nicht?

Zaghaft greife ich nach der Hand meines Bruders. Ich bin vorsichtig, da irgendetwas darin steckt.

"Es tut mir so leid Fabi. Ich hätte es dir sofort sagen sollen, dass ich wieder mit Leon zusammen bin. Ich hatte bloß so Angst vor deiner Reaktion. Du willst nur das Beste für mich, ich weiß. Aber ich liebe Leon, das tue ich wirklich. Bitte verzeih mir", hauche ich und schlucke mit Mühe den Kloß in meinem Hals herunter. Vorsichtig drücke ich seine Hand etwas fester und schaue in sein blasses Gesicht.

Er sieht wirklich schlimm aus. Die Verzweiflung macht sich noch breiter in meinem Körper. Die Nacht ist noch nicht vorbei. Noch sind es ein paar Stunden, zwar wenige aber sie sind immer noch da. Fabi muss sie immer noch überbrücken.

Ich lege meinen Kopf auf der Matratze neben seinem Körper ab. Die Tasse Kaffee stelle ich unbeachtet zur Seite. Ich habe schon Liter von diesem Zeug getrunken und langsam findet mein Herz das nicht mehr lustig. Zwar habe ich es auf die momentane Situation geschoben aber ich denke es pocht so schnell wegen dem vielen Koffein in meinem Körper.

Mein Kopf liegt einige Zeit auf dem Bett. An einschlafen ist nicht zu denken, ganz egal wie bequem es ist. Stattdessen kreisen meine Gedanken.

Fabi und ich hatten irgendwie immer eine etwas komplizierte Beziehung. Die letzten Jahre war sie wirklich gut aber ich habe sie wieder kaputt gemacht und das geht mir einfach nicht aus dem Kopf.

Es gab so viele Tage an denen wir uns völlig unnötigerweise gestritten haben. Ich wünschte ich könnte die Zeit zurück drehen und alles ungeschehen machen. Einfach mal eine normale kleine Schwester sein, die nicht ständig widerspricht oder denkt sie hätte alles im Griff wenn dies offensichtlich nicht der Fall ist. Oh Gott, ich bin so eine schlechte Schwester.

Ich spüre wie sich Fabis Hand bewegt und hastig fahre ich wieder hoch. Seine Augenlider zucken und abwartend schaue ich ihn an.

"Fabi?", frage ich zaghaft und tatsächlich öffnet er seine Augen. Er blinzelt ein paar Mal und schaut sich verwirrt um "Du hattest einen Autounfall, du bist im Krankenhaus. Es wird alles gut"

Mein Bruder scheint sich etwas zu entspannen und schließt kurz seine Augen, bevor er sie wieder öffnet. Rein nach meinem Gefühl her würde ich sagen er hat Kopfschmerzen. Jedenfalls passt sein Gesichtsausdruck dazu.

"Kann ich dir was bringen? Brauchst du was? Soll ich Mario oder Felix holen?", frage ich leicht nervös und will schon aufstehen. Doch ich kann mich nicht entfernen. Fabi hält meine Hand fest und lässt nicht zu, dass ich gehe. Also setze ich mich wieder. Er schaut mich gequält an.

"Es tut mir so leid. Ich bin so ein Idiot", murmelt er mit schwacher Stimme und es scheint ihn sehr anzustrengen. Sofort fühle ich mich schlecht. Klar die letzten Tage wollte ich eine Entschuldigung hören. Aber jetzt liegt er hier und das Letzte was er tun sollte ist sich bei mir zu entschuldigen.

"Schon gut, denk da nicht weiter drüber nach. Das ist momentan unwichtig", rede ich auf ihn ein und schenke ihm ein schwaches Lächeln.

"Nein, Maddie, nein. Als der Unfall passierte warst bloß du in meinem Kopf und, dass ich mich schon wieder wie ein Arschloch aufgeführt habe. Du bist kein kleines Kind mehr", murmelt Fabi, verzieht angestrengt das Gesicht und bricht plötzlich ab obwohl ich weiß, dass er noch weiter reden wollte.

Seine Augen rollen sich erst nach hinten und schließen sich dann. Die Monitore beginnen zu blinken und piepen, die meisten Linien verändern sich und Panik übernimmt meinen Körper. Ich greife den Knopf und drücke so lange bis eine Schwester in den Raum kommt. Bei ihr ein Arzt.

"Bitte verlassen Sie den Raum. Wir kümmern uns um ihren Bruder", ordnet mir die Schwester an und schiebt mich einfach aus dem Zimmer. Perplex starre ich die Tür an, als sie sich vor mir schließt und kann gar nicht richtig begreifen was gerade passiert ist.

"Mads? Alles gut?", taucht Mario neben mir auf und legt seine Hand auf meine Schulter. Erschrocken zucke ich zusammen und wende mich ihm zu. Er ist genauso blass wie bereits den ganzen Tag. Seine Augenringe sind kaum zu übersehen und er sieht wirklich nicht gut aus.

"Er ist wach geworden und hat sich bei mir entschuldigt. Und auf einmal da haben sich seine Augen einfach zurück gerollt, dann geschlossen und die ganzen Monitore gingen los. Ich weiß nicht was los ist aber wenn ihm etwas passiert dann.... dann ist das meine Schuld", meine ich aufgeregt und mein Herz schlägt noch schneller als vor ein paar Minuten. Tränen versuchen sich aus meinen Augen zu kämpfen.

"Ganz ruhig Süße", meint Mario mit sanfter Stimme und zieht mich in eine feste Umarmung. Sanft presst er meinen Kopf gegen seine Schulter und dann kann ich es nicht mehr aufhalten. Tränen laufen meine Wangen hinab, ich kralle mich in seinen Pullover und schluchze auf.

"Es ist nicht deine Schuld und Fabi wird nichts passieren. Es wird alles gut", murmelt Mario und fährt mit seinen Händen über meinen Rücken. Der wenige Schlaf hat ihm scheinbar ganz gut getan. Er wirkt selbst wieder etwas ruhiger.

Mein großer Bruder hält mich einfach und fährt immer wieder über meinen Rücken. Ich weine mich eine ganze Zeit an seiner Schulter aus und habe wirklich Schwierigkeiten mich zu beruhigen.

"Leon hat mich angerufen", erzählt Mario irgendwann und verwundert hebe ich meinen Kopf. Ich löse mich von ihm, streiche die Tränen von meiner Wange und ziehe verwirrt meine Augenbrauen zusammen.

"Er macht sich Sorgen um dich. Ich habe vorher nicht darüber nachgedacht, tut mir leid. Aber du solltest wirklich auf dich aufpassen und ich tue es ab sofort auch wieder. Mach dir keine Gedanken um Felix, ihm geht es schon etwas besser und Fabi wird auch wieder gesund", lächelt er sanft und schaut mich aufmunternd an.

Ich hoffe so sehr, dass er Recht hat.

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Roommates // Leon Goretzka FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt