Kapitel 90

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"Und dann ist er einfach gegangen", beende ich meine Erzählung, lasse einen Seufzer frei und schiebe Fabi die Kaffeetassen entgegen. Er nimmt sie und trägt sie rüber zu unserem Esstisch, während ich mit meinen Krücken folge. Neben Felix nehme ich Platz, während Fabi sich neben Mario setzt.

"Aber ich kann dich völlig verstehen. Es bringt nichts wenn Leon alles in sich hineinfrisst und darin zerbricht. Und mit wem sollte er reden wenn nicht mit seiner Verlobten und der Mutter seines Kindes?", pflichtet Felix mir bei und nimmt einen Schluck.

"Natürlich aber wie wir wissen ist er ein Sturkopf, genau wie unser Schwesterherz. Vermutlich hat er das Gefühl das alleine verarbeiten zu müssen. Er hat auch seinen Stolz, das musst du verstehen", murmelt Mario und schaut mich mitfühlend an.

"Das verstehe ich ja. Aber er hat die Nacht bei Manu verbracht, er ist einfach so gegangen und hat Taro und mich alleine gelassen. Das hat nichts mehr mit Stolz zu tun", entgegne ich.

"Das stimmt. Ich meine das Haus ist groß genug, ihr habt zwei Gästezimmer in denen er hätte übernachten können wenn er wirklich Abstand braucht. Aber einfach zu gehen und dich jetzt mit Taro alleine zu lassen, wenn du so eingeschränkt bist, ist unverantwortlich. Wenn etwas ernsthaftes passiert wäre dann hätte das schlimme Konsequenzen haben können", gibt auch Fabi seine Meinung dazu. Er hat Recht. Im Notfall hätte es böse ausgehen können. Schließlich bin ich nicht sonderlich gut unterwegs zu Fuß.

"Und was macht ihr jetzt?", fragt Felix sanft und besorgt.

"Ich habe keine Ahnung. Ich weiß ja nicht einmal wann oder ob überhaupt er hier wieder auftauchen wird. Mit Leon reden bringt ja scheinbar nichts außer Streit", seufze ich und raufe mir kurz die Haare. Natürlich habe ich heute Nacht so gut wie gar nicht geschlafen. Irgendwann habe ich einfach Felix angerufen.

Er wollte unbedingt vorbei kommen und hat dann auch gleich noch den beiden anderen Bescheid gesagt. Vor gut zehn Minuten standen sie dann vor der Haustür. Ich bin froh nicht ganz alleine mit Taro zu sein. Ihn ins Bett zu bringen war eine Herausforderung, das steht außer Frage.

"Er wird hier wieder auftauchen, vermutlich noch heute. Schließlich liebt er dich und so groß sein Stolz auch sein mag, seine Liebe zu dir ist stärker. Ihr werdet sicherlich eine Lösung finden, sonst reden wir auch gerne mit ihm", meint Mario ernst und der letzte Teil klingt mehr nach einer Drohung als nach etwas anderem.

Fabi klopft dem Jüngeren auf die Schulter.

"Locker Mari, die beiden packen das schon. Leon ist an sich ein wirklich vernünftiger Kerl. Vielleicht brauchte er diese Auswärtsübernachtung um wieder klar denken zu können", überlegt Fabi und Felix stimmt ihm nickend zu. Ich hoffe es. Denn um ehrlich zu sein halte ich das so alles nicht aus.

Wir reden noch kurz etwas über Leon und mich, bevor das Thema umschlägt. Es ist erleichternd und ein gutes Gefühl etwas abgelenkt zu werden und, wenn auch nur für wenige Augenblicke, von den momentanen Ereignissen abgelenkt zu werden.

Nach einer guten Stunde höre ich allerdings wie sich die Haustür öffnet. Die Jungs hören es auch und sofort verstummt das Gespräch. Wir alle schauen in die Richtung des Flurs. Leon taucht Sekunden später dort auf, wirft seine Schlüssel auf die Arbeitsfläche und greift nach einem Glas welches er mit Wasser füllt. Wir beobachten ihn schweigend dabei.

Als er das Glas ansetzt und beginnt zu trinken nimmt er uns wahr. Ich sehe wie sich seine Miene verfinstert, kein gutes Zeichen. Leon lässt sich Zeit, trinkt das gesamte Glas leer. Dann stellt er es vor sich ab, leckt sich kurz über die Lippen, stützt die Hände auf der Arbeitsfläche ab und atmet tief durch. Seine Hand wird von einem Verband geziert. Es ist die Hand, die er gestern auf die Arbeitsfläche geschlagen hat. Es hörte sich nach einer Verletzung an, aber den Verband zu sehen macht das alles viel realistischer.

"War ja klar, dass ich die Götze Geschwister gemeinsam vorfinde. Kannst du deine Brüder nicht mal raushalten?", seufzt Leon genervt, verdreht leicht seine Augen und schaut mich verärgert an. Egal was ich tue alles ist falsch. Jetzt darf ich nicht einmal meine Brüder hier haben.

"Achte auf deinen Ton! Maddie kann hier nicht einfach alleine sein mit Taro. Sie wurde vor ein paar Tagen aus dem Krankenhaus entlassen, ist dir eigentlich alles egal?", mahnt Fabi und erhebt sich von seinem Stuhl. Leon richtet sich zu seiner vollen Größe auf und ein ganz ungutes Gefühl kommt in mir auf.

"Fabi, setz dich bitte wieder. Das hat doch keinen Sinn", murmel ich leise und schaue meinen ältesten Bruder bittend an.

"Mir ist nicht alles egal. Aber sie wird ja wohl mal in der Lage sein sich eine Nacht um den Kleinen zu kümmern. Die meiste Zeit schläft er sowieso", giftet Leon meinen Bruder an. Ruckartig erhebt sich auch Felix, der Stuhl quietscht über den Boden und er geht mit schnellen Schritten zu Leon herüber.

"Sie wurde angeschossen, deine Verlobte und die Mutter deines Kindes wurde angeschossen, zweimal in die Beine! Wie soll sie sich bitte um Taro kümmern wenn sie selbst kaum gehen kann? Du bist so ein ignorantes selbstsüchtiges Arschloch gerade", fährt Felix den Lockenkopf an und ehe ich mich versehe steht er vor ihm und holt mit der Hand aus.

Ein lautes Klatschen ertönt und Leons Kopf fliegt zur Seite.

"Felix!", keuche ich erschrocken und schaue meinen Bruder verwirrt an. Das war nun wirklich nicht nötig.

Leon packt das Handgelenk des Blonden und ich sehe den bitterbösen Blick. Kurz bewegt er seinen Kiefer, ein leises Knacken ist zu vernehmen und dann schaut er Felix direkt in die Augen.

"Verschwinde aus meinem Haus oder ich rufe die Polizei. Ihr alle drei", zischt Leon und schaut am Ende zu Fabi und Mario herüber.

"Leon, sie gehören zur Familie", erinnere ich den Lockenkopf, in der Hoffnung er würde sich das noch einmal überlegen und das Gesagte wieder zurück nehmen. Diese Geste bringt meine Brüder nur noch mehr gegen ihn auf und das ist definitiv kontraproduktiv. Aber Leon schenkt mir bloß einen weiteren bösen Blick der darauf schließen lässt, dass er es sicherlich nicht zurück nehmen wird.

"Wenn wir gehen dann kommen Maddie und Taro mit uns", meint Mario ernst und entschlossen, als er aufsteht.

"Das tun sie nicht. Taro ist mein Sohn und das hier ist Maddie's Zuhause", entgegnet Leon kühl.

"Wir lassen sie nicht mit dir alleine, keinen der beiden. Du bist nicht du selbst und im jetzigen Zustand würdest du sicherlich auch nicht davor zurück schrecken einen der beiden zu verletzen", wirft Felix meinem Verlobten an den Kopf. Sofort zieht er dessen Blick auf sich und Sekunden später presst Leon den Blonden gegen unseren Küchenschrank.

Sein Arm drückt dabei, so wie es aussieht relativ fest, auf Felix Hals und so weit oben wie er ist berühren seine Füße sicherlich nicht mehr den Boden.

"Leon! Lass das! Lass ihn runter!", rufe ich, greife nach den Krücken und beginne zu den beiden rüber zu hasten. Leon schaut Felix einfach nur böse an, drückt aber scheinbar immer fester. Mein Bruder wird immer röter im Gesicht und versucht den Arm zu lösen.

"Leon, hör auf mit dem Mist! Wieso tust du das?", frage ich verzweifelt und ziehe mit einer Hand an Leons Shirt. Auch Mario und Fabi kommen zu uns herüber. Mario schiebt mich sanft zur Seite, dann packen die beiden den Lockenkopf und ziehen ihn von unserem Bruder weg.

Keuchend sinkt Felix auf den Boden, reibt sich die Stelle am Hals wo bis vor kurzem noch Leon's Arm lag und sieht ziemlich fertig aus. Mit etwas Mühe beuge ich mich zu ihm herunter und mustere ihn besorgt. Mario und Fabi ziehen Leon aus dem Raum heraus.

"Geht es dir gut? Es tut mir so leid", murmel ich besorgt.

"Ist ja nicht deine Schuld. Geht schon", entgegnet Felix etwas außer Atem. Ich helfe ihm wieder auf die Beine und gebe ihm ein Glas Wasser, welches er schnell leert.

"Mads, du kannst nicht hier bleiben. Nicht mit Leon. Lass uns hoch gehen und Sachen für dich und Taro holen. Ihr könnt bei einem von uns unterkommen", meint Felix sanft und schaut mich mitleidig an. Kurz halte ich inne, bevor ich seufzend nicke. Er hat ja Recht. Leon ist nicht er selbst.

Wenn er Felix schon so verletzt und der Ton in dem er mit mir spricht. Hier zu bleiben wäre falsch. Leon kann Taro so nicht gegenüber treten.

Ein neues Kapitel :)

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Roommates // Leon Goretzka FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt