55.Kapitel

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Andreas:

Theresa merkte mir beim zuhören schon an das ich mir Vorwürfe machte, weil ich ihn nicht hatte gehen lassen. Mein Gefühl sagte mir nämlich immer mehr dass das ein Fehler war und ich Schuld an diesem Unfall bin. Aber ob das dann trotzdem passiert wäre kann keiner wissen. Nun war es aber geschehen und wir müssen jetzt das best mögliche daraus machen, denn wir können es nicht mehr rückgängig machen.

Meine Frau nahm mich in den Arm und gab mir jetzt den Halt den ich brauchte und sofort regulierten sich auch meine Werte wieder. Meine Mutter hatte auch das Gespräch mit verfolgt und ich merkte wie es immer mehr in ihr kochte. Ihr ging es da genauso wie mir. Sie machte sich Sorgen um ihren Sohn und ich um meinen Bruder. Aber weder sie noch ich konnten die Zeit zurück drehen und etwas ändern. So lange hier kein Arzt aufkreutzte, hieß es für uns, für Chris Daumen drücken das er wieder lebend aus dem OP kommen wird. Es war nun schon Abend und es gab noch immer keine Nachrichten von Chris was uns allmählich beunruhigte.

Mama konnte ihre Wut auf Sandra nicht verbergen, das spürte sogar ich. Ich möchte heute nicht in Sandras Haut stecken, wenn meine Mutter sie sieht und zwischen die Finger kriegt. Hätte sie vor der Show nicht so einen Mist gebaut, wäre das heute vielleicht anders ausgegangen. Meine Frau ging dann mit meiner Mutter wieder Heim, weil die Kinder auch versorgt werden mussten. Da es heute schon spät war, hatte sie sich vorgenommen morgen mit ihr zu reden und dann sollte sie besser in Deckung gehen. Doch wenn sie bei Chris vor der Tür steht, wird sie eine Überraschung erleben. Denn weder von ihr noch von ihrem Auto wird es eine Spur geben.

Chris ist bisher immer geduldig gewesen und hat alles runter geschluckt und hat ihre Eifersucht als Liebesbeweis gedeutet. Doch auch er konnte seine Wut rauslassen wenn es mal sein musste und dann heißt es auch bei ihm Gnade dir Gott. Er frisst manchmal viel in sich hinein aber wenn es knallt dann richtig. Da bin ich nicht anders. Dann kracht es und danach ist alles wieder gut. So wie ich Chris kenne würde er auch dieses mal ihr Verhalten verzeihen, einfach weil er sie liebt. Sie weiß gar nicht was sie an ihm hat und das macht mich nicht nur wütend, sondern auch traurig.

Etwas später kam nach dem Schichtwechsel die Nachtschwester rein und wollte mir was für die Nacht geben. Doch ich lehnte ab, weil ich sofort zu Chris wollte sowie es Nachrichten von ihm geben würde. Das verstand sie auch, aber sie riet mir trotzdem es zu versuchen etwas zu schlafen. Ich schlief auch dann doch irgendwann ein, weil ich einfach fertig war nach diesem schlimmen Tag.

Ich wurde später etwas unsanft geweckt und schaute verwirrt auf die Uhr. Ich hatte etwa zwei Stunden geschlafen als neben mir ein Arzt stand und mich mit meinem Namen rief. Ich musste erst mal registrieren das ich nicht träumte, sondern das dort tatsächlich jemand stand. Er sprach mich an

Dr. Fuchs:
Hallo Herr Reinelt, ich bin der behandelnde Arzt von Ihrem Bruder. Man hatte mich gebeten Ihnen sofort Bescheid zu geben wenn ihr Bruder auf Station ist.
Andreas:
Das ist sehr nett von Ihnen. Wie geht es ihm?
Dr.Fuchs:
Er hatte eine sehr lange und schwere OP nach diesem Sturz. Das ist ein Wunder das er noch lebt. Danken sie seinen vielen Schutzengeln. Die wird er auch noch brauchen, denn ihr Bruder ist immer noch nicht außer Lebensgefahr. Die gute Nachricht ist das vorerst alle Blutungen zu stoppen waren, die vielen Brüche an den Beinen und den Armen konnten wir richten und versorgen aber die unzähligen Prellungen und Hämatome die er hat müssen von selbst heilen. Aber er liegt nach wie vor im Koma. Nicht in einem künstlichen, sondern in einem richtigen Koma, aus dem er selber aufwachen muss, wenn sein Körper soweit ist. Da spielt nicht nur der Körper mit rein, auch die Psyche. Wenn das beides nicht in Balance ist, wird es dauern bis sein Zustand sich ändert. Wir können ihn nur versorgen und abwarten. Er hat schwere Wirbelverletzungen im Hals und Nackenbereich die noch operiert werden müssen, was jetzt aber noch nicht möglich ist, weil alles geschwollen ist. Auch die Wirbelbrüche im Brust-und Lendenwirbelbereich müssen mit der OP noch warten bis die Blutergüsse sich zurück gebildet haben. Sollten sie sich nicht zurückbilden, müssen wir schauen wo das Blut her kommt und abziehen. Er liegt jetzt auf der Intensivstation und wird weiterhin, beatmet, beobachtet und mit den Medikamenten versorgt die er braucht, damit er keine Schmerzen hat.
Andreas:
Wann kann ich zu ihm? Wird er wieder laufen können?
Dr.Fuchs:
Heute wird das mit einem Besuch nichts mehr. Gönnen Sie sich auch noch etwas Ruhe. Ob er wieder Laufen kann, wird man erst sagen können wenn er wach ist und die OPs am Rücken durch sind. Wenn das Rückenmark nicht beschädigt worden ist, besteht zumindest eine Chance das er wieder laufen kann. In seinem jetzigen Zustand ist eine Querschnittlähmung aber leider nicht ausgeschlossen. Und eine geistige Behinderung kann aktuell leider auch nicht außer Acht gelassen werden, nach der schweren Kopfverletzung die er hat. Einer unser besten Neurochirurgen hat ihn mit seinem Team mehrere Stunden operiert und die kaputte Schädelplatte wieder dort zusammen gesetzt wie sie sein muss. Das wurde dann alles fixiert und mit Minischräubchen verschraubt. Es wird sich dann zeigen ob alles wieder zusammen wächst. Das war ein kompliziertes Puzzle, so wie er es mir zurück gemeldet hat. Die Schwellungen am Gehirn müssen jetzt auch erst mal zurück gehen, weshalb auch der Druck im Kopf kontrolliert werden muss. Wenn der zu hoch wird, wird er noch mal operiert werden müssen. Ich kann ihnen die Bilder vom MRT dann morgen zeigen wenn sie möchten. Sie sollten jetzt wirklich noch etwas schlafen und morgen können sie dann in Begleitung zu ihm. Heute bitte nicht mehr. Die OP war sehr anstrengend für seinen Körper. Er ist in guten Händen.
Andreas:
Danke Doktor Fuchs. Gute Nacht.

Ich konnte das gar nicht glauben wie schlecht es Chris wirklich ging. Aber ich konnte im Moment auch nichts für ihn tun. Alleine hätte ich da jetzt eh nicht zu ihm gekonnt und außerdem war es schon sehr spät. Ich habe schon etwas Angst ihn später zu sehen, aber es ist enorm wichtig bei Chris zu sein. Also versuchte ich zu schlafen nachdem ich meiner Frau und meiner Mutter noch die Etage und die Zimmernummer geschickt hatte. Ich hatte sie auch noch gebeten
Vorher zu mir zu kommen, weil ich gerne mit wollte. Da ich aber nur in Begleitung zu ihm darf, habe ich lieber meine Familie bei mir als eine fremde Stationsschwester.

So schloss ich meine mit Tränen gefüllten Augen mit dem Wissen das Chris ab jetzt kämpfen muss. Ich schickte noch ein Stoßgebet zu Papa und hoffte das er die Nacht ohne Komplikationen schafft. Doch am Morgen sollte mich jemand überraschen.

Nicht meine Mutter oder meine Frau kamen zur Tür rein sondern meine Schwester. Ich freute mich zwar sie zu sehen, aber ich wunderte mich doch. Ich fragte sie wo Mama und Ariane sind und wann sie kommen wollen. Sie berichtete mir dann das Ariane mit Lysanne zum Arzt musste, weil es ihr gestern schon nicht gut ging und weil sie in der Nacht hohes Fieber hatte und das unsere Mutter nach Bielefeld gefahren ist wegen Sandra. Da horchte ich dann erst richtig auf. Was wollte meine Mutter in Bielefeld? Ob Sandra wirklich abgehauen ist, wie es Chris vermutet hatte? Das wäre jetzt echt der Gipfel, aber vielleicht weiß sie von allem noch nichts was passiert war. Meine Schwester wollte mich nicht im Stich lassen und sie wollte auch gerne zu ihm, weil sie ja gestern auf die Kids aufgepasst hatte und nicht kommen konnte.

Sie machte sich auch Sorgen um mich, weil ich nach dem Sturz von Chris auch so abgebaut hatte. Sie fragte bei mir auch gleich nach wie es mir heute gehen würde und setzte sich zu mir. Die Visite war noch nicht durch und so wusste ich auch noch nicht ob ich heute hier wieder raus kann oder nicht. Aber ich glaubte es nicht. Keine 10 Minuten später ging die Tür auf und der Arzt von gestern stand bei mir am Bett. Meine Werte waren jetzt im Moment relativ normal, aber bis morgen sollte ich doch noch bleiben, weil ich immer noch ziemlich schwach war. Offenbar hatte mir die Nacht nach der Nachricht was mit Chris los ist ohne das ich es merkte doch mehr zugesetzt als ich ahnte. Ich sagte ihm das ich heute bitte unbedingt zu Chris möchte. Er genehmigte es mir auch, aber nur im Rollstuhl und in Begleitung. Ich akzeptierte alles, hauptsache ich kann zu ihm. Ich sagte ihm das meine Schwester von Beruf Krankenschwester ist und das ich möchte, dass sie mich begleitet. Er fragte sie ob das stimmt und ließ mir einen Rollstuhl bringen. Daraufhin setzte ich mich auf und merkte schon das mir immer noch schwindelig ist und mir beim aufstehen immer noch die Beine sehr wackelig waren. Das entging auch dem Arzt nicht. So wurde ich wieder an den Tropf gehängt der auf dem Weg zu Chris hinten am Rollstuhl hing und durch den Zugang in meine Hand lief.

Ich hatte nicht so wirklich eine Ahnung was mich jetzt erwarten würde, wenn meine Schwester mit mir zu Chris geht.

Aber schon der erste Anblick durch die Tür versetzte mir einen Schlag in die Magengrube.

First LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt