Andreas:
Die nächsten Tage wirkte Chris noch etwas angespannt, nach dem Gespräch mit Melanie, vor allem im Umgang mit ihr. Er war sehr in sich gekehrt und dachte viel nach, denn immer wenn sie zu ihm kam, war es wie ein neuer Stich ins Herz für ihn. Er sah es immer wieder bildlich vor sich wie sie ihn enttäuscht hat und wie sein Vertrauen zu ihr zunehmend mehr schwindet. Man kann es leider nicht ungeschehen machen und das wissen beide nur zu gut. Sie hat versucht ihre Familie zu schützen und das würde Chris genauso tun, wenn es um unsere Mutter gehen würde. Sie hatten sich zwar was den Vorfall betrifft ausgesprochen, aber ein Vertrauensbruch war es für Chris trotzdem.
Ich war mir nur nicht sicher ob er ihr in der Sache wirklich verzeihen würde. Da Melanie Chris Behandlungsstand am besten wusste hatte er sich entschieden das sie die Therapie weiter fortsetzen soll. Er hat auf jeden Fall um Nachdenkzeit bei ihr gebeten, denn das war ein echt harter Brocken für ihn. Es ging ihm vieles durch den Kopf was die Beziehung zwischen den beiden und was seine Kinder betrifft. Er hatte schon immer eine lebhafte Fantasie und so träumte er dann meistens auch in den Nächten. Er schläft wieder öfter unruhig und wacht schweißgebadet auf. Ich saß seit einer Woche bald jede Nacht bei ihm und beruhigte ihn wieder und wieder weil er wieder Albträume hat. Ich weiß nicht was sie ihm gesagt hat, jedenfalls bleibt alles in ihm bildlich vorhanden, als ob er den Schuss abgegeben hätte und nicht sie. Vielleicht kann der Psychologe mit ihm daran arbeiten, dass er wieder zur Ruhe kommen und wieder durchschlafen kann.
Selbst die normal recht starken Schlafmedikamente ließen ihn nicht durchschlafen und das machte erneut klar wie sehr ihn das doch innerlich beschäftigt. Ich möchte jetzt am aller wenigsten mit ihm tauschen, denn ich wüsste nicht was ich an seiner Stelle tun würde. Das hindert mich aber trotzdem nicht daran für ihn da zu sein. Ich weiß das Chris viel Musik hört wenn er mit sich selbst am kämpfen ist.
Ich erinnerte mich wo sein IPod in seinem alten Zimmer liegt und den holte ich ihm jetzt in der Nacht. So konnten wir beide doch etwas runter kommen und ich noch ein wenig schlafen. Auch wenn Chris seelisch schwer angeschlagen war, hatte er sich vorgenommen doch mitzuarbeiten und die für ihn schmerzhaften Übungen über sich ergehen zu lassen. Er ist durch das lange liegen total steif und sie hat es geschafft ihn wieder gelockert zu bekommen, auch wenn die Therapiezeit seit dem Vorfall recht kühl wirkt. Man sieht es Chris an, dass es in ihm arbeitet und ihr sieht man an das sie auf eine Entscheidung von Chris wartet, damit sie auch weiß woran sie ist. Mein Gefühl sagt mir aber das er ihr verzeiht, auch wenn es noch Zeit braucht.
Ich habe von Melanie erfahren das die Waffe inzwischen für ihren Seelenfrieden entsorgt worden ist, um nicht wieder alte Wunden aufzureißen und auch ihre Mutter ist nach langer Zeit bereits wieder auf dem Weg der Besserung. Das besserte auch unwillkürlich Chris seine Laune gleich mit. Ich hatte auch so das eine oder andere Gespräch mit meinem Bruder wegen Melanie. Er fühlt sich zwar wieder sicherer, aber er zögert noch immer was die Beziehung mit Melanie angeht. Dabei denkt er auch an seine Kinder die er in Sicherheit wissen möchte, denn die sind das einzigste was ihm von Sandra noch geblieben sind und das wäre das schlimmste für ihn wenn den beiden was passieren würde. Auch wenn er mit Louisa noch zögert, liebt er sie. Je mehr er von uns über sie erfährt und je mehr er sie sieht, um so mehr geht ihm das Herz auf und der Wille in ihm ist geweckt zu kämpfen und alles andere hinten anzustellen. Wenn er sie sieht fragt er sich immer wieder, ob er nicht eifersüchtig genug war um ihr zu zeigen wie sehr er sie liebt, oder ob sie zu übermäßig Eifersucht in sich trug um ihn für sich zu behalten. Er hofft seit Papas Tod immer wieder darauf das seine Träume ihn leiten und ganz oft ist das auch so. Er braucht einen väterlichen Rat, den ich ihm aber nicht geben kann. Ich hoffe das Papa seine Gebete erhört und er ihm den richtigen Weg weist.
Er hatte noch nie solche Existenzängste wie grade in diesem Moment. Es dauert immer lange bis er sich verliebt, aber bei Melanie ist es anders. Es hat ihn unvorbereitet erwischt, aber er wehrt sich momentan noch zu sehr dagegen zu verzeihen. Da ist aber die Frage wie lange das noch gut geht bis Melanie selbst eine Entscheidung trifft und sie Chris wieder frei gibt. Dann hat er ganz sicher die Chance vertan, doch noch mal glücklich zu werden. Papa hat es gesehen das die zwei füreinander bestimmt sind, jetzt müssen beide nur noch einen Schritt aufeinander zugehen. Chris fühlt sich verraten das er es aus den Medien erfahren musste und Melanie macht sich Vorwürfe das sie es ihm nicht schon eher gesagt hat. Sie weiß wie Chris reagiert und sieht schon alle Fälle dahin schwimmen. Ich habe ihr gesagt das sie ihm Zeit geben soll, sonst hat hat sie ihn ganz sicher verloren. Nur ist Geduld nicht ihre Stärke. Aber das ist jetzt die beste Gelegenheit sie zu üben wenn sie noch eine Chance bei Chris haben möchte.
Als ich heute Abend zu Hause war hatte Chris Musik in den Ohren und Tränen in den Augen. Er hörte Musik die ihn an Sandra erinnerte und da war mir klar das er wieder in Erinnerungen schwelgte. Ich setzte mich zu ihm und fragte ihn an was er grade denkt.
Andreas:
Du musst sie endlich los lassen Chris.
Chris:
Ich weiß, aber es fällt mir so schwer. Sie ist durch die Kinder immer wieder präsent. Sie lebt in ihnen weiter. Sieh dir die beiden an. Fabi ist ihr Ebenbild und so bildhübsch wie sie gewesen ist und Louisa ist auch schon eine ganz hübsche Maus. Ich weiß nicht was ich wegen Melanie machen soll. Sie hat mich so enttäuscht. Es wäre alles anders gewesen hätte sie es mir selber gesagt. Sie weiß von mir alles und was weiß ich von ihr? Was verbirgt sie noch alles vor mir? Ich dachte ich kenne sie, aber anscheinend kratze ich grade mal an der Oberfläche bei ihr. Ich liebe sie aber es fällt mir schwer, ihr wieder voll zu vertrauen.
Melanie:
Ich wollte es Dir sagen. Die Medien waren einfach nur schneller und das tut mir furchtbar leid. Ich schäme mich dafür, aber es ist passiert und ich kann es nicht mehr rückgängig machen. Für meine Mutter hätte ich das jederzeit wieder getan und wenn Du in Gefahr gewesen wärst hätte ich ebenso gehandelt, weil ich dich liebe und dich beschützen würde, genauso wie Fabienne und Louisa. Sie gehören zu dir und deiner Vergangenheit. Ich hab auch meine Vergangenheit und ich kann die leider nicht zurückdrehen. So gerne ich das auch tun würde. Dann hätte ich dafür gesorgt das meine Mutter meinem Vater keine zweite Chance geben würde. Dann wäre alles anders. Mein Vater hätte uns zu Tode geprügelt hätte ich nicht reagiert. Es war keine Zeit um die Polizei zu rufen. Bis die da gewesen wäre, wären meine Mutter und ich tot gewesen. Ich bin nicht stolz darauf, aber es gehört zu meinem Leben jetzt dazu und du musst dich entscheiden ob du damit leben kannst. Ich würde deine Kinder genauso schützen wie dich. Bitte glaub mir das. Ich habe mit mir gerungen das sagen zu müssen, weil es für mich auch nicht leicht war. Ich muss genauso damit leben und ich habe nachts auch immer wieder Albträume von dieser Nacht. Es kommt immer wieder hoch und wenn ich dann an dich denke beruhige ich mich wieder, weil du mir den Halt gibst den ich brauche, auch wenn wir im Moment viele Hürden überwinden müssen um zusammen zu finden. Ich sehe eine Chance für uns beide wenn du sie mir gibst.
Andreas:
Sei bitte in Zukunft ehrlich zu ihm und gib ihm Zeit. Du hast jetzt was dazu gesagt. Das muss er erst mal verdauen.Melanie stand plötzlich mitten im Gespräch bei uns. Sie hatte nasse Augen, weil sie gehört hat was Chris gesagt hatte. Sie versucht die Beziehung zu retten und hofft darauf das Chris seinem Herzen den letzten Stoß gibt und das er ihr vergibt. Mich hat das Gespräch ziemlich getroffen, denn so offen und verletzlich kenne ich meinen Bruder sehr selten.
Ich bin gespannt wie und wann er sich entscheiden wird. Wir sind seit diesen Nachrichten alle sehr angespannt und versuchen wieder Ruhe ins Haus zu bekommen. Zeit zum Nachdenken hat Chris ja mehr wie genug. Dieser Vorfall hat ihn veranlasst sich wieder mehr in den sozialen Netzwerken umzuschauen, was so über uns und besonders um ihn rum berichtet wird. Er wollte jetzt einfach keine weiteren bösen Überraschungen mehr erleben. Das mit Melanie hatte ihn wirklich hart getroffen, grade weil er sie liebt und er sich eigentlich schon für sie entschieden hat und er mit ihr sein Leben verbringen wollte. Nun waren aber alle Entscheidungen für ihn auf Null gesetzt und sie muss sein Vertrauen neu gewinnen. Mit dem Laptop kommt er schon sehr gut zurecht und das ist schon ein großer Vorteil für uns, um uns mit ihm verständigen zu können.
Was mein Bruder Melanie allerdings für eine Entscheidung mitteilen wird, liegt ganz alleine an ihm selbst und wenn es soweit ist, wird die beiden auch niemand stören.
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First Love
FanfictionDiese Geschichte beginnt noch vor dem bahnbrechenden Erfolg der Ehrlich Brothers. Jeder der beiden hat sein eigenes Studium mit Abschluss hinter sich und arbeiten in einer festen Anstellung in einem Gymnasium und in einem Internat. Allerdings hegen...