78.Kapitel

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Andreas:

Ich sah Sandra da schon seit Stunden stehen und beobachtete, wie sie immer wieder Worte mit dem Arzt wechselte, wenn er zu Chris wollte. Dr.Fuchs überwachte ihn in den letzten Stunden noch gründlicher weil seine Werte grade heute stark schwankten. Ich hielt das für keinen Zufall, eher als ein Zeichen das Chris mit etwas in sich kämpfte. Genauso war es kurz bevor Papa starb und er sich bei uns verabschiedet hatte. Kurz darauf war es vorbei.

Doch war es jetzt für Chris auch vorbei? Oder hatte Papa da wirklich wieder seine Finger mit im Spiel und er versuchte noch alles was für ihn möglich war, ihn zum kämpfen zu bewegen. Ich weiß es nicht.

Sandra hatte die Scheidung tatsächlich durchgezogen. Mama wusste es, ich und meine Schwester auch, aber Chris wollten wir das zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, denn ich vermutete das Chris sonst in seiner Entscheidung nicht zu kämpfen sich nur noch mehr bestärkt fühlen würde und wir sonst gar keine Chance mehr hätten an ihn ran zu kommen.

Doch in Chris ruhte etwas was wir nicht nachvollziehen können. In ihm ruhte die Liebe zu Sandra die ihn bisher kämpfen ließ und Papas Macht ihn zu beschützen und ihn vor Dummheiten zu bewahren.
Eigentlich habe ich ein Besuchsverbot für sie ausgesprochen, denn ich wollte Chris nicht noch mit ihrer Anwesenheit quälen. Er spürte sicher das Mama und ich wegen ihr sehr aufgewühlt sind und ich hatte Angst davor das sie was falsches sagen würde wenn sie bei ihm ist.

Das jetzt gleich alles was zur Lebenserhaltung von Chris entfernt werden muss tat Mama schon genug im Herzen weh, denn in seinem Zustand wird er nicht alleine atmen können und es ist sicher das dann unmittelbar der Herzstillstand folgen wird. Ich spürte wie der Schmerz in Mama arbeitete, sich immer mehr nach draußen drängelte und sich auf uns alle übertrug. Ich konnte sie nur stützen und hoffen das sie in wenigen Minuten nicht ganz zusammen brechen wird wenn sein Herz endgültig für immer stehen bleiben wird. Für sie war die Verfügung von Chris noch viel viel viel schlimmer, wie der Unfall an sich. Sie rechnete ja immer mit allem, wenn wir Auftritte hatten, aber sie wusste das wir gut abgesichert sind. Das dieser Unfall wegen Unachtsamkeit passiert war, tat ihr einfach nur im Herzen weh und das lag hier grade wie eine dunkle Wolke in der Luft.

Irgendwie sagte mir mein Gefühl das ich das Besuchsverbot aufheben sollte und sie dazu zu holen sollte. Ich spürte plötzlich eine tiefe Wärme in mir die von jemandem kam, von dem ich es nicht erwartet hätte.

Es passte weder zu Papa noch zu Chris, der mich da zu erreichen versuchte. Meine Blicke zogen mich instinktiv zur Tür vor der Sandra noch immer stand. Ich zog die Schalousie hoch, die meine Schwester vorher geschlossen hatte, weil ich mich beobachtet fühlte. Sie weinte und betete das Chris doch noch aufwacht. Ich spürte wieder diese Wärme wie eben und öffnete die Tür.

Ich bat sie dazu zu kommen. Es fühlte sich grade richtig an, als ob Sandra Chris seine letzte Chance ist ihn im Unterbewusstsein zu erreichen. Sie setzte sich zu Chris ans Bett und gab ihm einen liebevollen und zärtlichen Kuss auf die Stirn. Er reagierte nicht körperlich, aber seine Werte taten es und reagierten positiv auf ihre Berührung. Ich sah sie an und sagte zu ihr
,,Vielleicht kannst Du ihn erreichen und ihn zum zurückkehren bewegen. Ich hoffe es jedenfalls, das Papa es nicht zulassen wird. Das ändert aber nichts daran das Du Chris im Stich gelassen hast als er dich gebraucht hat. Sollte er die Abschaltung der Geräte jetzt wie durch ein Wunder überleben hast Du ihm zwar für den Augenblick das Leben gerettet aber ob Chris dir verzeihen wird steht dann auf einem anderen Blatt".

Grade als ich das sagte wechselte der Zeiger auf der Uhr auf 18:00 Uhr und Dr.Fuchs betrat das Zimmer. Die Papiere hatte er schon vorher abgeholt und jetzt wurde es ernst.

Wir mussten alle um ihn Platz machen. Jedenfalls auf der Seite auf der die Geräte standen. Es wurde alles ausgestellt was zur Lebenserhaltung diente. Infusionen wurden gestoppt, sämtliche Medikamentenzufuhr wurde angehalten und zum Schluss wurde die Beatmung gestoppt und der Schlauch aus Chris seinem Hals entfernt. Das Loch vom Luftröhrenschnitt wurde noch abgeklebt und der Sauerstoff den er noch in der Nase hatte wurde auch noch entfernt. Nur das Blutdruckgerät und das EKG blieb noch dran, denn so konnten sie noch sehen wann Chris sein Herz aufhören würde zu schlagen. Sandra hielt Chris noch an der Hand und legte sie auf ihren Bauch und ich hielt meine Mutter im Arm die mit jedem weiteren Schritt mehr die Fassung verlohr, in Trauer verfiel und sie immer mehr in einen tiefen Schock fiel, weil Chris gleich nicht mehr atmen und sein Herz stehen bleiben wird. Wir konnten auf den Monitoren mit zusehen wie seine Herzfrequenz langsam immer weiter fiel und nur wenige Sekunden später eine durchgezogene Linie zu sehen und zu hören war. Seine Brust hob sich noch ein letztes Mal und blieb dann mit dem letzten Herzschlag für immer gesenkt.

Jetzt war es bei meiner Mutter ganz vorbei und sie brach in meinen Armen zusammen. Dr. Fuchs klingelte mit dem Notknopf und ein weiterer Arzt kam herein und kümmerte sich um meine Mutter. Es wurde blitzschnell ein weiteres Bett hier ins Zimmer gefahren und meine Mutter wurde dort drauf gelegt und aus dem Raum gefahren. Sie wird gründlich untersucht und ich vermute das man ihr ein Beruhigungsmittel geben wird damit sie erst mal zur Ruhe kommen kann. Immerhin musste sie grade mit ansehen wie Chris grade gestorben ist. Der Arzt wusste ja nicht in allen Einzelheiten was wir mit Papa bereits alles schon mal durchmachen mussten. Nur das Papa wegen seiner Krankheit alleine gestorben war und das bei Chris auf seinen eigenen Wunsch alles beendet worden war und das konnte meine Mutter grade nicht verkraften, das Chris zu so etwas in der Lage war und das auch durchsetzen ließ. Es kam so alles in ihr wieder hoch und sie wird Zeit brauchen das zu verarbeiten. Antonia war mitgegangen um Mama nicht alleine zu lassen. Sandra lag nun bitterlich weinend auf Chris seinem leblosen Oberkörper und Dr.Fuchs und ich hatten es schwer sie da weg zu bekommen. Er schaute auf die Uhr und schrieb in seine Akte
,,Todeszeitpunkt nach Vollzug der Patientenverfügung von Christian Reinelt um 18:10 Uhr. Puls und Herzschlag nicht mehr nachweisbar."

Wir hatten beide schon damit gerechnet das er gleich zugedeckt wird und in die Pathologie gebracht wird, doch dann geschah etwas was ich bisher nur aus Filmen kannte.

Es war jetzt fünf Minuten her das alles abgestellt wurde. Dadurch das er den EKG noch immer dran hatte konnten wir sehen was wir nicht glauben wollten. Sein Herz schlug wieder, zwar langsam und noch sehr unregelmäßig, aber es schlug wieder. Dr.Fuchs riss nur ungläubig die Augen auf, weil er es nicht glauben konnte was er da grade sah, genauso wenig wie wir alle. Er zog Sandra hektisch von ihm weg und legte ihm sofort wieder Sauerstoff in die Nase, setzte den Tubus wieder in das dafür noch offene Loch und verklebte alles wieder dementsprechend. Er bekam wieder Infusionen mit Flüssigkeit angehängt und bekam Medikamente die seinen Kreislauf wieder stabilisieren sollen.

Dr.Fuchs war sich grade ratlos was da passiert war und fragte den anderen Arzt der grade rein kam um uns zu berichten das es meiner Mutter soweit gut geht und sie nach einem Beruhigungsmittel jetzt schläft, was er davon halten würde und wie die Behandlung jetzt weiter gehen soll? Die Verfügung war ausgeführt worden und Chris hat wie durch ein Wunder wieder angefangen zu atmen und bekommt so eine neue Chance. Seine Werte wurden zunehmend kräftiger und wurden nach einer Weile sogar recht stabil. Dr.Fuchs sagte uns das er es nicht ausschließen kann das er die nächsten Stunden von selbst aufwachen könnte. Wie das aber möglich sein kann, kann er sich nicht wirklich erklären.

Ich hatte jedoch eine Vermutung woran es möglicherweise lag. Ich spürte Papas Präsens die ganze Zeit hier im Raum und als Sandra ihn küsste, tat sich etwas in ihm. Das war Rettung in wirklich aller letzter Sekunde. Es wird aber noch lange dauern bis mir Chris sagen können wird was wirklich passiert war als er wieder zurück kam.

Ich hatte jetzt wieder neue Hoffnung, aber die Ärzte wollten sich jetzt erst mal schlau machen ob die Verfügung noch mal greifen darf oder nicht. Denn ohne die Verfügung wird man Chris nicht noch einmal sterben lassen dürfen. Aber wenn er es selber geschafft hat wieder zurück zu finden gehe ich davon aus das er kämpfen wird, mit allen Schikanen die ihm das Leben noch in den Weg schmeißen wird. Ich hab meinen Bruder wieder.

Noch kann ich das nicht fassen das es wirklich so ist. Und auch Mama und Toni wissen es noch nicht. Doch der Arzt der meine Mutter betreut, bekam von mir den Auftrag es schon meiner Schwester mitzuteilen, was er nach so einem Vorfall wirklich gerne übernahm. Das waren gute und unfassbare Nachrichten, mit denen wir nicht gerechnet hatten.

Keine zehn Minuten später kam sie zu Chris ins Zimmer gestürmt um sich selbst von dem Wunder zu überzeugen. Mir liefen die Tränen, aber diesmal vor Freude, nicht vor Trauer. Meine Schwester war genauso glücklich darüber und fiel mir in die Arme. Ich flüsterte ihr nur ins Ohr,,Das war sicher Papas Werk". Sie sagte nur ,,Ganz sicher, ich habs auch gespürt, warte bis Mama wieder wach ist und sie das erfährt".

Bis jetzt war nur sicher das Chris wieder aufwachen wird, doch der Zustand in dem er sich befindet wird nachdem er die Augen geöffnet hat, uns noch alle schocken.

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