Kapitel 70

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Sirius und Regulus standen bereit zur Abreise an der Haustür. Walburga rieb sich die Fingerknöchel, wenige Stunden zuvor hatte sie Sirius in seinem Zimmer zu Boden geprügelt. Sie wollte Kinder, die wussten, sich zu benehmen wussten, und keinen Sohn, der mit Gryffindors befreundet war und eine muggelgeborene Freundin hatte.

Sirius und Regulus nahmen den Arm ihrer Mutter und apparierten gemeinsam zum Bahnhof Kingscross, genauer zum Bahnsteig 9 ¾, an dem bereits ein reges Treiben herrschte. Sie versuchten, sich unauffällig zu verhalten, Sirius versteckte sich ein wenig hinter seiner Mutter, da er Angst hatte, von Malia entdeckt zu werden. Er wollte nicht, dass seine Eltern wussten, wer sie war. Er versteckte sich auch vor James, Remus und Peter, mit denen er seit dem Streich kein Wort mehr gewechselt hatte.

Die Brüder stiegen schnell in den Zug und suchten sich ein Abteil auf der gegenüberliegenden Seite der Fenster, die zum Bahnstieg zeigten. „Wieso hast du einen blauen Fleck?", fragte Regulus unwissend, als er den Arm seines Bruders sah. Es war ein riesiger, blutunterlaufener Fleck, den Sirius sofort mit dem Hemd überdeckte, das er anhatte. „Du solltest solche Fragen nicht stellen, Reg.", gab er zurück und schaute aus der Abteiltür. „Willst du nicht zu deinen Freunden gehen?", fragte Sirius unruhig, als er Malias Freunde vorbeilaufen sah. Regulus zuckte mit den Achseln und schüttelte den Kopf. „Ich bleibe viel lieber bei dir.", antwortete er und suchte Augenkontakt.

Ein leises „Hey!", ließ Sirius aufschrecken. Er drehte sich blitzschnell wieder zur Tür, in der Malia stand. Er begrüßte sie mit einem Kuss und zog sie zu sich auf die Bank. „Wollen wir nicht lieber in ein ungestörteres Abteil?", fragte sie mit kurzem Blick auf Regulus. „Hallo, Malia! Ich bin Sirius kleiner Bruder, Regulus!", stellte er sich höflich vor und reichte ihr die Hand. Leicht abwertend schmunzelnd nahm sie seine Hand, blickte ihm allerdings nicht in die Augen. „Dein Bruder und ich wollen etwas Privatsphäre, wenn du verstehst. Wir haben uns zwei Wochen nicht gesehen!", sagte sie in einem Ton, als würde sie einem Kleinkind etwas erklären. „Lass ihn doch.", begann Sirius, doch Regulus verzog sich schon aus dem Abteil.

„Das war wirklich unhöflich!", sagte Sirius und versuchte Abstand zu Malia aufzubauen. „Tut mir leid, wirklich.", sagte sie und legte ihre Hand auf Sirius Bein. „Wie waren deine Ferien?", fragte sie, während sie ihm immer näherkam. „Ich habe viel an Remus, James und Peter gedacht.", erzählte er und sie seufzte. „Ich habe dir doch gesagt, dass du das hinter dir lassen sollst. Ich bin jetzt da.", lächelte sie und begann ihn zu küssen. Sirius schob sie etwas von sich. „Wir sind noch nicht einmal losgefahren und die Abteiltür ist noch offen! Lass uns doch erst etwas reden!", schlug er vor und Malia lehnte sich in ihrer Bank zurück. „Ich habe in den Ferien auch nachgedacht. Ich finde, dass wir weit genug in unserer Beziehung sind, um über den nächsten Schritt nachzudenken.", sagte sie locker und blickte ihn mit offenem Blick an. „Den – den nächsten – den was?", fragte er verdattert, während seine Augenbrauen sich zusammenzogen.

Malia fing nun an zu lächeln. „Du weißt schon.", sagte sie und nahm seine Hände in ihre. „Wie – jetzt? Wann?", fragte er, schien allerdings mehr unwohl als aufgeregt. Sie warf ihre Haare über die Schulter. „In Hogwarts. Nach einem super romantischen Date-Tag. Wir schauen zusammen den Sonnenaufgang an, trinken dabei heißen Kakao und machen uns danach auf den Weg nach Hogsmeade. Während die anderen einkaufen gehen, werden wir bei Madam Puddifoot's sein und Tee trinken. Danach gehen wir wieder zum Schloss und – na du weißt schon.", plante sie. „Was hältst du davon?"

Sirius starrte sie überrascht an. „Das – das hört sich – gut an, denke ich.", stotterte er. Seine Unsicherheit schien Malia nicht im Geringsten zu bemerken, weswegen sie nun begann, seine Hände zu küssen.
Bevor Sirius etwas sagen konnte, setzte sich der Zug in Bewegung und Malias Freunde und Freundinnen öffneten die Abteiltür. „Ist hier noch Platz?", fragte Timothy, während er sich gegenüber der beiden hinsetzte, dicht gefolgt von Janine. Malia nickte und Sirius schaute sie überrascht an. „Für Regulus war hier kein Platz, aber für deine Freunde?", fragte er leise, sodass die anderen ihn nicht hörten. „Regulus und ich sind auch keine Freunde.", rechtfertigte sie sich, was Sirius nur den Kopf schütteln ließ. Natürlich mochte er ihre Freunde, allerdings hatte er häufig das Gefühl, dass alles nach Malias Nase tanzte. Ihr erster Kuss, ihre Freunde, ihr erstes Mal. Es fühlte sich an, als würde er in alles hineingezogen werden.

Die Fahrt fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Er beteiligte sich an einigen Runden Zauberschach und Zauberschnippschnapp, bevor sein Blick wieder aus dem Fenster auf die wunderschönen Berge und Seen fiel. „Was ist los? Willst du reden?", fragte Malia besorgt, als ihr auffiel, dass Sirius bereits für eine lange Zeit still gewesen war. Seine Antwort war ein müdes Kopfschütteln, also ließ sie es auf sich beruhen.

Endlich in Hogwarts angekommen hatte Sirius es erfolgreich geschafft, den Rumtreibern aus dem Weg zu gehen. Er saß mit Malia am Ravenclaw-Tisch und schaute nach vorn zu Professor Dumbledore, der seine Rede hielt.

„Ich denke nicht, dass ich euch an den Wert der Freundschaft erinnern muss. Gerade wenn die Welt dunkel wird, ist die Freundschaft ein Fünkchen im Dunkeln, das nur mit unserer Hilfe zu einem lodernden Feuer werden kann!", sagte er noch, bevor er in die Hände klatschte, und die Tische vollstanden mit köstlichem Abendessen.

Sirius hatte keinen Appetit und anders als James es immer getan hatte, brachte ihn hier niemand zum Essen. Er war nicht wütend darüber, es war nur eine Beobachtung. James wusste immer, was genau er brauchte, um nachts schlafen gehen zu können. Anstatt sich lange am Esstisch aufzuhalten, ging er so früh es ging in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Malia sah ihm kurz hinterher und versuchte ihn festzuhalten, doch er bestand darauf, zu gehen.

Nun saß er da, allein im Gemeinschaftsraum, ein Buch vor sich liegend, das einer seiner Mitschüler mit Sicherheit vor den Ferien dort vergessen hatte, doch es war nicht irgendein Buch. Es war „Quidditch im Wandel der Zeiten", James Lieblingsbuch. Also saß Sirius da und starrte auf den Buchrücken, den er sich zum tausendsten Mal durchlas.

Es dauerte nicht lang, da schwang das Portrait zur Seite. Zunächst bemerkte Sirius es nicht, doch als der erste Fuß in den Gemeinschaftsraum gesetzt wurde, begann sein Herz zu rasen. Zuerst betrat Peter den mit Kerzenlicht durchfluteten Raum. Er trug etwas, das wie ein heißer Kakao aussah, er wärmte sich die Hände daran. Sein Blick traf Sirius, doch bevor sie sich richtig sahen, betrat James den Raum, ebenfalls mit einem heißen Kakao in der Hand. Diesmal trafen sich ihre Augen, es schien, als wäre es ein warmer, herzlicher Blick, alle Feindseligkeit schien verflogen.

Als letztes betrat Remus den Raum. Seine hellbraunen welligen Haare waren das erste, das Sirius erkannte. Sein Herz machte einen Sprung. Nach und nach, es fühlte sich an, als würde alles in Zeitlupe abgespielt werden, kletterte er mit zwei Tassen heißem Kakao durch das Loch und suchte Sirius Blick.

Kurze Zeit geschah nichts. Sie starrten sich an, keiner wusste, was zu erwarten war, doch endlich stand Sirius auf. Während er auf Remus zuging, hielt dieser ihm eine der Tassen hin, doch Sirius konnte nicht anders. Er konnte den Blick nicht von ihm lösen, den gesamten Weg über. Anstatt nach dem Kakao zu greifen, streckte er beide Arme aus und umarmte seinen Freund. Sofort krallte Sirius seine Finger in Remus selbstgestrickten Wollpullover und vergrub seinen Kopf in Remus Brust. Es fiel auf, dass er in der letzten Zeit um einiges gewachsen war.

Remus stand da, noch immer zwei Tassen in seiner Hand haltend, doch glücklich lächelnd. James nahm ihm sofort den Kakao ab und Remus erwiderte die Umarmung herzlich. Sie standen da: zum ersten Mal seit Monaten wieder vereint, ohne voneinander loszukommen. Peter und James mussten, genau wie Remus und Sirius, sofort anfangen zu lächeln. Beide stiegen in die Umarmung ein, sie hatten sich vermisst. Es war, als hätte ihnen in den letzten Monaten etwas gefehlt, was nun endlich wieder da war. Sie waren endlich wieder zusammen.

Als sie sich wieder aus der Umarmung lösten, ließ Sirius noch immer seine strahlenden Augen nicht von Remus ab. „Es tut mir so unendlich leid.", sagte Sirius langsam und leise. „Vergeben und vergessen.", sagte Remus und hielt ihm nun den Kakao hin. Sirius nahm ihn dankend an und sie gingen hinüber auf das Sofa vor dem Kamin. „Ich habe euch vermisst. Unendlich vermisst.", begann Sirius und nahm einen Schluck aus der randvollen Tasse.

„Erzählt mir endlich von euren Ferien!", bat er und sog jedes Wort, das er von seinen besten Freunden hörte, begierig auf. Peter erzählte von langweiligen Familienessen, James zeigte stolz seinen brandneuen Besen, während Remus still daneben saß, lächelte und Sirius anstarrte. Er hatte ihn wieder und für nichts auf der Welt würde er ihn wieder hergeben.

Die Rumtreiber - die ganze GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt