Kapitel 167 - Anschuldigungen

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Es dämmerte bereits, als die Schüler und Schülerinnen ihrem Ausflug nach Hogsmeade ein Ende setzten. Die jüngeren Schüler erwarteten einige der Älteren, die sie gebeten hatten, ihnen etwas aus dem Honigtopf zu besorgen. Die große Halle füllte sich langsam mit hungrigen Kindern.

James und Peter setzten sich zu Marlene, Dorcas, Mary, Alice und Lily, während Sirius sich von Malia verabschiedete. „Ich hatte wirklich eine wunderbare Zeit heute.", sagte Sirius und umarmte sie. „Ich auch. Ich hätte niemals gedacht, dass es sich so schnell wieder nach guter Freundschaft anfühlen kann!", sagte sie mit einem Lächeln auf den Lippen. „Jetzt setz dich schon zu Timothy! Sonst verhext er mich noch aus der Ferne.", grinste Sirius und ging zu seinen Freunden.

„Wo ist Remus?", waren die ersten Worte, die er an seine Freunde richtete. James zuckte mit den Achseln. „Ich bin doch auch gerade erst wieder da.", sagte er und schaute sich um. „Marls, warst du nicht den ganzen Tag hier?", fragte Sirius. Sie war gerade dabei, sich Bohnen auf den Teller zu laden. „Ja, Dorcas und ich haben ihn vorhin im Gemeinschaftsraum gesprochen. Er sagte, dass er keinen Hunger hat.", berichtete sie. Sirius seufzte. Dann kräuselte sich seine Stirn. „War er denn beim Mittagsessen?", hakte er weiter nach. „Keine Ahnung, mum. Ich glaube nicht, ich bin nicht sein Babysitter!", antwortete sie und begann, ihr Schnitzel kleinzuschneiden. Sirius nahm sich vier Brote. „Woah, du kannst auch nacheinander deine Brote schmieren, wie der Rest von uns! Das hat etwas mit Manieren zu tun!", warf James ein. Sirius schüttelte genervt den Kopf. „Die sind nicht alle für mich. Remus war auch schon beim Frühstück verschwunden, erinnerst du dich?", fragte er und als er auf allen Broten Marmelade verteilt hatte, stand er mit dem Teller in der Hand auf und eilte aus der großen Halle.

Auf dem Weg traf er einige Mitschüler und Mitschülerinnen, doch er bahnte sich so schnell es ging seinen Weg an ihnen vorbei. Viele hatten  sich bereits im drei Besen oder im Honigtopf sattgegessen. Er nannte der fetten Dame schnell das Passwort und schon stand er im Gemeinschaftsraum. Der Raum war fast leer, das Kaminfeuer war zum größten Teil heruntergebrannt und vor dem glühenden Holz saß ein Junge auf dem Sofa.

Sirius blickte ihn einen Moment an und ging dann vorsichtig zu ihm. „Hey, du musst Hunger haben.", flüsterte er und stellte den Teller mit dem Brot vor Remus auf den Couchtisch. Remus seufzte und schob den Teller mit seinem Fuß von sich weg. „Ich habe dir in Hogsmeade Drachenmilchschokolade gekauft, der Honigtopf hatte eine brandneue Lieferung.", lächelte er sanft und holte die Packung aus seiner Tasche. „Ich will deine Schokolade nicht.", zischte Remus und stand auf. Er knüllte den Tagespropheten zusammen und warf ihn in den Kamin, der sofort begann, das Papier mit seinem Feuer zu verschlingen. Das flackernde Licht des Kamins fiel auf Remus Gesicht. „Hast du etwa geweint?", fragte Sirius, als er die getrockneten Tränen auf seinen Wangen sah. „So ein Quatsch. Nicht jeder heult, wenn du mal einen Tag nicht anwesend bist.", keifte er und ging Richtung Schlafsaal. „Ich denke wirklich, dass du etwas essen solltest, Remus.", sagte Sirius bestimmt. „Erinnerst du dich daran, dass ich nach deiner Meinung gefragt habe? Ich mich auch nicht.", sagte er und drehte sich zu Sirius.

„Was ist dein Problem, Remus?", fragte Sirius aufgebracht und hob fragend die Hände. „Plötzlich ist alles mein Problem, nicht wahr? Du baust scheiße und ich habe ein Problem. Als wärst du nicht der verdammte Grund dafür, dass es mir beschissen geht!", schrie er. Sirius zuckte zusammen, sein Atem wurde flach, sein Körper angespannt. „Du hast also nichts dazu zu sagen? Bei Merlin – was ist falsch bei dir?", schrie Remus. Sirius öffnete den Mund, doch er schaffte es nicht, einen Satz zu bilden – die Worte flogen wild durch seinen Kopf. Ihm wurde schlecht. Sein Magen schien sich umzudrehen, bei jedem Knacken des Kamins zuckte er erneut zusammen. „Weißt du, ich versuche wirklich alles, um die Dinge aus deiner Perspektive zu betrachten, die ganze Sache mit Malia und all den anderen. Allerdings schaffe ich es einfach nicht, meinen Kopf so tief in meinen Arsch zu stecken!", brüllte er, drehte sich abrupt um und stampfte die Treppen zum Schlafsaal hinauf. Im Bruchteil einer Sekunde stellte sich Sirius Körper in einen Überlebensmodus um. Er brach zusammen, lehnte sich gegen den Sofarücken und presste mit den Armen seine Beinen gegen seinen Oberkörper. Seine Atmung schien sich einfach nicht zu beruhigen, er zitterte am ganzen Körper und die flackernden Lichter lösten Angst und Unruhe in ihm aus. Er wippte vor und zurück, die Augen starr nach vorn gerichtet.

Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis das Portrait zur Seite schwang. Es hätten Stunden sein können – Sirius hätte es nicht bemerkt. Es war pures Glück, dass James und Peter den Gemeinschaftsraum als erstes betraten. Sie plapperten fröhlich und bemerkten Sirius erst nach einigen Sekunden.

„Was ist passiert, Kumpel?", fragte James, der sich sofort zu ihm kniete. Ein Gefühl der Enge kam in Sirius auf, sein Hals und Mund waren so trocken, dass er kein Wort herausbrachte. „Wir müssen ihn zu Madam Pomfrey bringen!", sagte Peter, es klang, als wäre er in weiter Ferne. Der verschwommene Umriss von James bewegte sich näher zu Sirius, es schien, als nickte er.

Remus, der scheinbar die Stimmen unten bemerkt hatte, wagte es, einen Blick zu riskieren. Er wollte wissen, was Sirius ihnen erzählen würde. Was er jedoch sah, verschlug ihm den Atem. „Was bei Merlin ist passiert?!", zischte er und rannte die Treppe hinab. Er stürzte sich zu Sirius, dessen Fingernägel tief in seinen Beinen vergraben waren. Vorsichtig nahm er Sirius Gesicht in seine Hände. „Ganz ruhig, atme tief durch.", flüsterte er, sein Gesicht nur wenige Zentimeter von Sirius entfernt. Sirius Zittern wurde schlimmer. „Wir müssen ihn zu Madam Pomfrey bringen, Remus.", sagte James schnell. Er stützte seinen Freund von der einen Seite und Remus übernahm die andere. Sie beeilten sich, zu Madam Pomfrey zu kommen.

„Was ist geschehen?", fragte sie, während sie den Jungen auf ein Bett setzte. „Ich habe ihn so gefunden! Er lag im Gemeinschaftsraum, seitdem hat er kein Wort gesagt.", brabbelte James los. „Okay, ruhig bleiben, meine Herren. Er steht unter keinem Fluch. Es scheint mir, als hätte er eine Panikattacke.", sagte sie ruhig. James schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Er nickte. „Das ist nicht die erste Panikattacke, die er hat.", murmelte er. „Ich werde mich um ihn kümmern. Bitte warten Sie in Ihrem Gemeinschaftsraum.", sagte sie und schob die Jungen vor sich her.

Remus sagte kein Wort. Er fühlte sich schuldiger denn je.

Die Rumtreiber - die ganze GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt