Kapitel 162 - Brüder

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Es regnete im Strömen, als Sirius allein durch den leeren Korridor streifte. Er war eigentlich auf dem Weg zu Professor McGonagall gewesen, doch irgendwie hatte er sich in seinen Gedanken verloren. Nun schaute er aus dem Fenster und genoss den Anblick des frischen Grases. Er wollte gerade weitergehen, als er ein Geräusch hörte und augenblicklich herumfuhr.

Vor ihm stand Regulus mit seiner grünen Krawatte und einem schwarzen Hemd. Er riss die Augen auf. „Hey, Reg.", sagte Sirius leise. Die Brüder hatten seit Weihnachten kein Wort mehr miteinander geredet, sie waren sich stets erfolgreich aus dem Weg gegangen. „Wie – wie geht's dir? Wie waren die Ferien zuhause? Hast du mein Gesicht auf dem Wandteppich vermisst?", fragte er schüchtern und leise. Sein Körper war verkrampft, er konnte Regulus nicht in die Augen sehen. „Halt den Mund, Sirius.", sagte Regulus kalt. „Was versuchst du zu erreichen? Nach allem, was du gesagt hast, wagst du mich zu fragen, wie es mir geht?! Du hast mich und deine Mutter als Mörder beschimpft. Du kannst nicht einfach deine Familie verraten und so tun, als gäbe es keine Konsequenzen!", rief Regulus wütend. Sirius spürte eine Wut in sich aufkommen. Eine Wut, gemischt mit tiefster Trauer.

„Du hast bekommen, was du wolltest. Du bist deine widerliche Familie losgeworden, nicht wahr? Also tu das, was du schon immer gemacht hast und lass mich allein.", sagte Regulus hasserfüllt und bohrte seinen Blick in Sirius Augen fest. „Aber – aber du bist noch immer mein Bruder.", sagte Sirius leise. Sein ganzer Körper war zusammengesackt. Er hatte mit vielem gerechnet, doch das hätte er sich nicht in seinen schlimmsten Träumen ausmalen können. Regulus hatte ihn abgeschrieben. „Nein! Du hast aufgehört mein Bruder zu sein, als du mich in diesem Haus zurückgelassen hast.", sagte Regulus und preschte an ihm vorbei. „Was? Nein! Reg – Regulus! Du verstehst nicht, warte doch! Lass mich das erklären!", rief Sirius verzweifelt, doch sein Bruder ging ohne zurückzublicken weiter. „Wag es ja nicht jemals wieder mit mir zu sprechen.", sagte er und bog um eine Ecke. „Regulus, bitte!", rief Sirius. „Warte.", flüsterte er nun und spürte Tränen in sich aufkommen.

Sirius hatte nun alles vergessen. Er hatte nur noch ein Ziel: James finden. Sirius rannte los in Richtung Gemeinschaftsraum. Er rannte die Treppe hoch, schnappte nach Luft und nannte das Passwort, bevor er in den Gemeinschaftsraum stolperte. „James!", sagte er schnell, sein Kopf hochrot. „was ist passiert?", fragte James sofort und ging zu seinem besten Freund. „Was ist los, Tatze?", fragte Remus und sprang auf. „Ich muss mit dir reden.", sagte Sirius und zog James mit in den Schlafsaal. Remus schaute den beiden nach.

„Was ist passiert, Sirius?", fragte James besorgt, als er seinen Freund auf dem Bett sitzen sah. Schweißperlen tropften von seiner Stirn, Tränen rollten unkontrolliert seine Wangen hinab. „Regulus – er – er hasst mich.", brachte er hervor, bevor er wieder in Schnappatmung geriet. „Das tut er sicher nicht! Was ist überhaupt passiert?", fragte James. „Ich habe ihn im Korridor gesehen. Ich dachte, es wäre an der Zeit, miteinander zu reden – über das, was passiert ist!", sagte er aufgelöst. James ging näher zu ihm und schloss ihn in eine Umarmung. „Du trägst keine Schuld, Sirius. Vergiss das nicht.", sagte er ruhig und streichelte seinem besten Freund über den Kopf.

„Es ist alles einfach so unfassbar viel. Ich weiß nicht, wohin mit mir.", murmelte Sirius unter Tränen. „Du gehörst genau hierhin. In diesen Moment. Du gehörst in die Mitte deiner Freunde, du gehörst nach Hogwarts.", sagte James. Sirius schluchzte und ließ sich an die Schulter von James fallen. Eine ganze Weile saßen sie gemeinsam auf dem Bett. „Er hat gesagt, dass ich nicht mehr sein Bruder bin.", erzählte Sirius. Seine Augen wirkten leer, er war so unfassbar erschöpft. James atmete tief durch. „Das tut mir leid, Tatze.", antwortete er. Sirius antwortete nicht. Er saß wie eine leere Hülle auf dem Bett, seine Augen rot, der Blick gesenkt.

Als James seinen besten Freund auf diese Art und Weise sah, nahm er sich vor, etwas zu unternehmen. Er wartete, bis Sirius sich beruhigt hatte und auf seinem Bett döste, bevor er aufstand und den Schlafsaal verließ. Ein letzter Blick auf Sirius zeigte ihm, dass es seinem besten Freund sehr schlecht ging. Er musste etwas tun.
Im Gemeinschaftsraum wurde er sofort von Remus abgefangen. „Was ist los? Wie geht es ihm?", fragte er sofort. „Er braucht Ruhe.", erklärte James und ging weiter. „Ruhe? Was ist denn überhaupt passiert?", fragte er, während er neben James herlief. „Das muss er dir selbst beantworten. Ich muss jetzt gehen.", gab James zurück und verließ den Gemeinschaftsraum. Lily sah, wie Remus im Begriff war, den Schlafsaal zu betreten, doch se hielt ihn zurück. „Komm mit, Rem. Ich brauche frische Luft und du siehst auch etwas blass aus. Lass uns gehen.", sagte sie und zog ihn mit sich aus dem Gemeinschaftsraum.

Remus und Lily ließen sich auf einer Bank nieder und genossen die kühle Luft. „Ich will nicht, dass er dich verletzt.", murmelte Lily. „Was?" Remus wusste nicht, worüber sie sprach. „Er spielt mit dir, Rem. Du hast ihm dein Herz ausgeschüttet und er sagt, dass er nichts von dir will. Dann kommen diese ständigen Andeutungen von ihm. Im nächsten Moment verschwindet er mit irgendwelchen Mädchen in einem Besenschrank." „Er hat schon seit Wochen niemanden mehr getroffen.", murmelte Remus. „Du sorgst dich zu viel um ihn. Er möchte keine Beziehung, das hat er doch selbst gesagt, nicht wahr?" Remus blieb einen Moment lang still, bevor er langsam nickte. „Ich will nicht, dass er dir wehtut.", sagte sie und lehnte sich an seine Schulter. „Gib ihm keine Macht über dich.", fügte sie hinzu und schaute dann wieder in die Ferne.

Währenddessen durchforstete James jeden Zentimeter der Karte auf der Suche nach Regulus. Er klappte die Karte um und wieder zurück, viel zu schnell, um etwas zu erkennen. Endlich fand er ihn in einem Korridor und rannte los. Kurz bevor er in den Korridor bog, blieb er stehen. Er hatte sich nicht überlegt, was er sagen sollte. Tausend Gedanken rasten durch seinen Kopf. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Als er sie wieder öffnete, stand Regulus vor ihm. Sein Gesicht war ernst, doch seine Augen schienen freundlicher. Er hatte wirklich eine überraschende Ähnlichkeit mit Sirius, doch gleichzeitig gar keine.

„Hey.", sagte Regulus mit schwacher Stimme. „Hi.", antwortete James und zwang sich zu einem Lächeln. „Ich denke, du bist wegen Sirius hier.", vermutete Regulus und schaute auf den Boden. James nickte. „Können wir darüber reden? Vielleicht an einem ruhigeren Ort?", bat er und öffnete die Tür zu einem Klassenzimmer neben ihnen. Sie gingen hinein. Regulus stellte sich neben die Tür, während James sich an einen Tisch lehnte. „Es geht ihm nicht gut.", erzählte James. Er erinnerte sich an die leeren Augen seines besten Freundes und dachte: Nicht gut, das ist die Untertreibung des Jahrhunderts.

„Das ist nicht mehr mein Problem.", sagte Regulus. Er atmete tief durch. „Er ist dein Bruder, Regulus. Er liebt dich." „Ich werde dir dasselbe sagen, was ich ihm bereits gesagt habe: Er hat aufgehört mein Bruder zu sein, als er mich in diesem Haus zurückgelassen hat.", sagte er. Seine sonst so sichere, kontrollierte Stimme war schwach und brüchig. „Ich kann dir helfen, Regulus. Lass mich dir bitte helfen.", sagte James ruhig. „Und wie genau willst du das tun? Ich bin einer von ihnen. Ich gehöre nicht zu euch.", sagte er, drehte sich um und verließ den Raum. James ließ er zurück, völlig entmutigt und enttäuscht.

Die Rumtreiber - die ganze GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt