Kapitel 108

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Für Sirius konnten die Ferien gar nicht schnell genug vorbei gehen. Er lief am Tag der Abfahrt nach Hogwarts schon früh durch sein Zimmer. Er konnte es kaum erwarten, seine Freunde endlich wiederzusehen. Nicht ein Wort hatte er über die Ferien von ihnen gehört, Orion und Walburga hätten alle Briefe von ihnen abgefangen, da war er sich sicher. Er öffnete sein Fenster und ließ etwas frische Luft in das stickige Zimmer. Nur noch wenige Stunden, dann hätte er für ein halbes Jahr Ruhe.

Die schwache Wintersonne beschien einige Äste einer großen Kastanie, die wunderschön glänzten. Ein Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken. „Ich muss mit dir reden.", sagte Walburga streng und schloss die Tür hinter sich. „Was gibt es? Ist etwas passiert?", fragte Sirius nervös. Plötzlich war er nicht mehr der fünfzehnjährige Halbstarke, der mutig durch die Korridore Hogwarts spazierte und Lehrern Streiche spielte. Plötzlich war er der kleine Junge, der seine Eltern enttäuschte. Er war der Junge, dessen größte Angst die Person war, die in genau diesem Moment vor ihm stand.

„Während des Balls haben wir uns mit einigen Gästen unterhalten, deren Kinder ebenfalls nach Hogwarts gehen. Wir mussten uns den ganzen Abend anhören, was du dort treibst. Wir haben von Dingen erfahren, die wir lieber nicht gehört hätten.", sagte sie. Ihr Gesichtsausdruck war wie eingemeißelt. „Was meinst du?", fragte Sirius nervös, ohne seinen Blick auf Walburga zu richten. „Wenn du von den Streichen sprichst, ich -", begann er, doch Walburga unterbrach ihn abrupt. „Mich kümmern diese kindischen Streiche nicht. Sehr wohl interessiert mich die lange Liste der Mädchen, mit denen du in Hogwarts angebandelt hast!", sagte sie streng. „Das ist eine Schande. Du verhältst dich wie eine gewöhnliche Straßenhure. Was ist nur aus dir geworden?!", fragte sie und mit jedem Wort verfinsterte sich ihr Gesicht.

Sirius holte tief Luft. Dieses Gespräch war schon unangenehm genug, wäre er in einer normalen und liebenden Familie gewesen, doch all das war nur ein weiterer Grund für Walburga, Sirius zu hassen. „Mutter, ich -", brachte er heraus, bevor die erste Träne seine Wange hinabrollte. „Du bist jemand in dieser Welt. Du kannst jemand sein! Wirf deine Möglichkeiten nicht weg.", sagte Walburga und zückte ihren Zauberstab. „Dein Verhalten ist für diese Familie untragbar!", rief sie. Sirius war kurz davor, einzuknicken, ihr zuzustimmen, doch als er tief Luft holte, durchfuhr es seinen ganzen Körper wie ein Blitz: Er musste sich das nicht gefallen lassen!

Er hob seinen Blick und öffnete den Mund. „Nein.", sagte er und lief an ihr vorbei aus dem Zimmer. Auf seinem Weg riss er die Tür zu. „Knall nicht die Tür vor mir zu!", rief sie wütend. „Ich knalle was und wen ich will!", rief er durch die geschlossene Tür und rannte die Treppen hinab. Er griff nach seiner Jacke und war kurz davor, das Haus zu verlassen, doch Walburga kam ihm zuvor und schloss die Tür mit einem Schwenk ihres Zauberstabes ab. „Du gehst nirgendwo hin.", sagte sie wütend und wusste genau, wie hilflos Sirius sich in diesem Moment fühlte. „Dieser Abend den wir für dich organisiert haben war eine Chance für dich, endlich jemanden zu finden, mit dem du eine angemessene Zukunft haben kannst!", keifte sie. „Eine angemessene Zukunft? Mit jemandem verheiratet zu sein, den man nicht liebt? Gefangen zu sein in einem Leben, das man nie wollte?", schrie er zurück. „Wag es ja nicht, Junge!", brüllte sie und hob ihren Zauberstab.

„Crucio!", rief sie und ein zuckender, reißender Schmerz erfüllte Sirius gesamten Körper. Er versuchte zu schreien, allerdings schaffte er es nicht einmal zu atmen. Zuerst fiel er auf die Knie, mit letzter Kraft versuchte er noch, Haltung zu wahren, ihr nicht die Macht über ihn zu geben, doch seine Kraft reichte nur wenige Sekunden, bevor er mit der Schulter auf die kalten Steinfliesen schlug. In dem Moment senkte sie den Zauberstab. „Du kannst froh sein, dass wir dich überhaupt noch nach Hogwarts gehen lassen. Wage es nie wieder, deine Stimme gegen mich zu erheben.", sagte sie, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand im Nebenzimmer.

Sirius wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis er endlich wieder durch Hogwarts spazieren würde, trotzdem schoss ihm der Gedanke in den Kopf, dass er mit seinen Eltern zum Bahnhof apparieren müsste. Er müsste die Frau, die ihn gerade noch schwer verletzt hatte, die Hand geben und so tun, als wäre nichts weiter geschehen. Natürlich war es schon zu spät, um allein loszulaufen, er wäre niemals pünktlich zum Bahnhof gelangen. Er rappelte sich langsam auf und lehnte sich müde gegen die Steinmauer in ihrem Eingangsbereich.

„Sie liebt mich. Sie ist nur angespannt.", sagte er sich leise immer und immer wieder. Seine Stimme wurde mit jedem Mal leiser, unsicherer. Ihm schoss die Stimme seiner Mutter in den Kopf: „Ich weiß, dass ich sie lieben müsste, aber sie sind mir egal!" Diese Worte wurden lauter, drangen immer weiter nach vorn in seinem Kopf, übernahmen die Kontrolle. Er atmete tief durch, stützte sich an der Wand ab und stand auf. Er richtete sein weißes Hemd und klopfte ein wenig Staub von seinen Knien.

Es dauerte nicht lange, bis Regulus neben ihm stand. „Endlich wieder nach Hogwarts!", strahlte er. Bevor er seinen Bruder auf seine wässrigen Augen ansprechen konnte, standen Orion und Walburga neben ihnen, griffen die Arme ihrer Kinder und apparierten zum Bahnhof.

Orion rümpfte die Nase, als er Fleamont und Euphemia Potter in der Nähe stehen sah. Fleamont versuchte gerade noch, James letzte Abschiedsworte mitzugeben, doch der war bereits auf der Suche nach Remus und Peter. „Ja, Dad. Ich passe gut auf mich auf!", grinste er und winkte die Familie Lupin zu sich. Die Jungen fielen sich in die Arme und Lyall und Hope begrüßten Fleamont und Euphemia mit einem freundlichen Handschlag. „Wir sollten schon reingehen, sonst sind die besten Plätze weg!", drängte James, als er Peter erblickte. Er versuchte, ohne eine große Verabschiedung in den Zug zu gelangen, doch Euphemia schaffte es noch, ihm einen Kuss auf die Stirn zu drücken, bevor er durch die Türen verschwand.

„Wir sollten wirklich gehen.", sagte Sirius, ohne seine Eltern anzusehen. „Meinetwegen. Können wir diesmal zusammensitzen? Ich stelle dir auch meine Freunde vor!", schlug Regulus vor und merkte sofort, wie Sirius die Augen zusammenkniff. „Das ist ein guter Vorschlag, mein Sohn. Sirius, du solltest dich zu deinem Bruder setzen.", sagte Walburga streng. „Regulus Freunde sind allesamt jünger als ich! Ich würde viel lieber bei den Jungs in meinem Jahrgang sitzen!", sagte Sirius schnell. „Keine Diskussion. Sucht euch ein Abteil an dieser Seite des Zuges!", sagte Orion schnell und schickte seine Söhne dann zum Zug. Sirius ließ sich ein kurzes Augenrollen nicht nehmen, stieg dann aber ohne ein weiteres Wort zu sagen ein.

Er ging an dem Abteil seiner Freunde mit einem kurzen Schulterzucken vorbei, was James sofort verstand. Regulus führte Sirius dann in ein Abteil mit mehreren Slytherins aus der dritten Klasse.
Zwei der Mädchen wurden plötzlich sehr nervös und während Sirius noch sein Handgepäck verstaute, lehnte sich eines der beiden zu Regulus. „Woher kennst du denn bitte Sirius Black?", fragte sie, sofort rollte Regulus mit den Augen. „Er ist mein Bruder!", antwortete er genervt. „Wirklich? Ich hätte gedacht, seine Familie würde genauso aussehen wie er!", sagte das andere Mädchen verträumt, was Regulus sehr zu stören schien.

„Und wer seid ihr?", fragte Sirius charmant und blickte in die Runde. „Ich bin Laila Avery!", sagte das blonde Mädchen sofort. „Ist Edith deine Schwester?", fragte er interessiert und schon redeten sie über Lailas Familie. Regulus schaute nur genervt drein, er hasste es, dass Laila schon jetzt so sehr an Sirius hing.

Die Rumtreiber - die ganze GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt