Kapitel 117

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Elli

Wir sind nun schon über einer Woche hier im Norden und ich muss sagen, mir tut es einfach gut. Aber nicht nur mir, ich merke auch richtig wie Wincent zur Ruhe kommt. Gerade sitze ich am Strand auf einer Decke und warte bis er wieder zurückkommt. Kurz schließe ich meine Augen und lausche dem Meeresrauschen direkt vor mir. Ich kann nicht verhindern das mir Tränen in die Augen steigen. Es ist nicht einfach und ich muss mir jeden Tag eingestehen, dass sich mein Leben verändert hat. Ich habe das Gefühl als hätte ich in diesen halben Jahr so viel verpasst und dazu habe ich das schreckliche Gefühl allen anderen zur Last zur fallen, besonders Wincent. ,,Kleine, was ist denn los?", höre ich plötzlich Wincent neben mir. ,,Es ist alles gut", sage ich schnell und wische mir dir Tränen aus dem Gesicht. ,,Deswegen sitzt du auch weinend hier", murmelt er und setzt sich neben mich auf die Decke. ,,Ich kann einfach nicht mehr", seufze ich und spiele mit dem Sand in meinen Händen. ,,Elli, komm mal her", flüstert er und zieht mich in seine Arme. ,,Ich weiß nicht wie ich das alles schaffen soll. Ich habe das Gefühl als würde ich niemals damit klar kommen",hauche ich an seine Brust. ,,Du bist so stark Elli. Du bist das stärkste Mädchen das ich kenne, natürlich wirst du das schaffen. Ich kann mir nicht im geringsten vorstellen wie du dich fühlst und wie das alles für dich ist, aber ich verspreche dir, ich werde dir so viel abnehmen wie ich nur kann. Ich werde immer für dich da sein und dich stützen", sagt er mit einer schwachen stimme und drückt mich enger an sich. ,,Du darfst dich aber nicht vergessen Wince. Du liebst deinen Job, du musst auch an dich denken", versuche ich eindringlich zu sagen. ,,Ich gebe mein Bestes", seufzt er und haucht mir einen Kuss auf die Schläfe.

An diesem Abend sind wir noch ganz lange am Strand sitzen geblieben und haben in Stille unsere Nähe genossen. Erst später als es schon richtig dunkel war, sind wir zurück ins Haus. Gestern Abend sind wir recht spät nach Berlin gefahren. Wie abgemacht begleite ich Wincent bei seinen Terminen. Denn ich kann mir momentan nicht vorstellen lange getrennt von ihm zu sein. Ich habe auch richtige Probleme damit, wenn mir andere außer Wincent bei körperlichen Dingen helfen. Gerade liege ich noch im Bett und blicke aus dem Fenster. Draußen regnet es und für diesen Tag im Spätsommer ist es recht kühl. Deswegen habe ich auch schon nach Wincents Hoodie geangelt, der er heute Nacht neben das Bett geworfen hat. Stöhnend setze ich mich ein bisschen auf und lehne mich ans Bettende. Das permanente Sitzen und Liegen hinterlassen so langsam ihre Spuren. Ich bin seit einigen Tagen richtig wund ab unteren Rücken und das muss nun auch noch regelmäßig behandelt werden. Als ich ein Murmeln neben mir wahrnehme, drehe ich mich um und beobachte Wincent wie er friedlich neben mir liegt und sich tiefer ins Kissen eingekuschelt. Lächelnd fahre ich ihm vorsichtig durch die verwuschelten Haare und lehne mich zurück. Ich greife nach meinem Handy und gerade als ich Instagram öffne, klingelt Wincents Wecker. ,,Och nö", seufzt er und dreht sich zu seinem Handy um. ,,Mein kleiner Morgenmuffel", kichere ich leise und lege mein Handy weg. ,,Oh, du bist ja schon wach", antwortet er leise und schaut über seine Schulter. ,,Ja, schon ein bisschen." ,,Warum hast du mich denn nicht früher geweckt?", fragt er und dreht sich zu mir um. ,,Du hast den Schlaf gebraucht", lächle ich leicht. ,,Erstmal guten Morgen", flüstert er leise und küsst mich innig.

Nachdem wir noch ein bisschen gekuschelt haben, stehen wir auf und machen uns erstmal fertig für den Tag. Mit Wincents Hilfe klappt es heute ziemlich gut. ,,Wir müssen noch mein Pflaster wechseln", seufze ich und deute auf meinen Rücken. ,,Okay warte, ich hole die Sachen und dann setzt du dich am besten aufs Bett", antwortet er und schaut sich um. ,,Die Sachen müssten noch in meinem Rucksack sein", sage ich und rolle aus dem Badezimmer. ,,Hab sie", antwortet er nachdem er er in meinem Rucksack gewühlt hat. ,,Dann komm mal her", lächelt er und legt vorsichtig seine Hände an meine Hüfte und hebt mich hoch. Als Wincent die Creme aufträgt stöhne ich schmerzverzerrt auf. ,,Sorry, ich mach ganz vorsichtig", sagt er leise. ,,Schon gut, du kannst ja nichts dafür", seufze ich. 20 Minuten später sitzen wir schon im Auto und machen uns auf den Weg zum Büro. Dort angekommen hilft mir Wincent wieder in den Rollstuhl und als wir das Gebäude betreten, stehen wir erstmal vor einem Problem, an das wir gar nicht gedacht haben. Da das Büro in einem Altbau ist, ist kein Aufzug vorhanden und das Büro befindet sich im vierten Stock. ,,Mist, was machen wir jetzt", sage ich unsicher und schaue über meine Schulter. An Wincents Gesicht sehe ich, wie er gerade überlegt. ,,Bleibt uns ja nichts anderes übrig. Ich trag dich erst hoch und hole dann den Rollstuhl", antwortet er und stellt sich schon vor mich. ,,Das ist doch viel zu schwer", flüstere ich. ,,Elli", seufzt er und verdreht genervt die Augen. ,,Es ist was anderes, wenn du mich ins Schlafzimmer trägst oder in den vierten Stock", murmle ich. Gerade als Wincent was erwidern möchte, kommt Anna die Treppe runter.

Wie tief muss man tauchen, bis man die Tränen nicht mehr siehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt