Kapitel 116

375 19 9
                                    




Wincent

Schwer atmend schließe ich die Tür zu unserem kleinen Häuschen auf. Gestern Abend kamen wir nach einer anstrengenden Autofahrt hier im Norden an. Wir sind gleich todmüde ins Bett gefallen, Elli schläft vermutlich immer noch. Aber ich konnte nicht mehr schlafen und bin eine Runde laufen gegangen. Leise laufe ich ins Schlafzimmer und sehe Elli noch eingekuschelt im Bett liegen. Lächelnd drücke ich ihr einen sanften Kuss auf die Stirn und schnappe mir frische Klamotten und gehe erstmal duschen. Mit einem frischen Kaffee setze ich mich auf die Terrasse und schaue aufs Meer. Gerade fühle ich mich so entspannt wie lange nicht mehr. Ich merke jetzt schon, wie sehr uns diese Zeit hier gut tun wird. Das Klingeln meines Handys reißt mich aus meinen Gedanken. ,,Hey Mum", gehe ich lächelnd ran. ,,Morgen mein Großer. Seid ihr gut angekommen?", fragt sie gleich. ,,Ja schon. War halt nur eine längere Fahrt. Mussten öfters anhalten und waren dann erst gegen 21:00 Uhr hier." ,,Wenigstens seid ihr gut angekommen. Was ich fragen wollte, wollt ihr später kommen? Opa und Oma würden euch auch gern mal sehen", redet sie und ich höre im Hintergrund wie Shay das Haus betritt. ,,Hey Wince, ich freu mich so, dass ihr hier seid", höre ich sie schon kurz darauf. ,,Moin Shay, ich werde Elli fragen ob wir heute gleich vorbeikommen", lächle ich. ,,Warum bist du eigentlich schon daheim?", ergänze ich verwirrt. ,,Die letzten beiden Stunden sind ausgefallen", höre ich sie noch rufen, bevor ich Mum wieder am Handy habe. Gerade als ich etwas sagen möchte, höre ich Elli nach mir rufen. ,,Du Mum, Elli ist wach geworden. Ich rede mit ihr und melde mich dann bei dir." ,,Ist gut, schreib einfach", sagt sie noch bevor sie auflegt.

,,Guten Morgen Süße", lächle ich und betrete das Schlafzimmer. ,,Morgen, wo warst du denn?", fragt sie und setzt sich ein wenig auf. ,,Ich war schon eine Runde laufen und eben habe ich mit Mum telefoniert", sage ich und setze mich zu ihr. ,,Sie hat gefragt ob wir später vorbeikommen wollen. Oma und Opa werden auch kommen", ergänze ich noch. ,,Das können wir gerne machen", lächelt sie und schmiegt sich an mich. ,,Okay, dann schreib ich ihr gleich. Willst du noch bisschen liegen bleiben oder mit rüber kommen?" ,,Ich müsste mal ins Badezimmer, dann komme ich mit rüber", antwortet sie leise. So helfe ich ihr in den Rollstuhl und gehe rüber in den Wohnbereich, denn sie möchte allein ins Badezimmer. ,,Hast du schon gefrühstückt?", fragt sie kurz darauf und kommt ins Wohnzimmer gerollt. ,,Nein, ich wollte auf dich warten. Hast du Hunger?", frage ich und drehe mich zu ihr um. Als sie nickt gehe ich in die Küche und bereite uns etwas zum Essen zu. Im Augenwinkel sehe ich wie sie sich mit viel Mühe auf den Stuhl setzen will. Am liebsten möchte ich gleich wieder hingehen und ihr helfen aber ich muss lernen sie auch mal machen zu lassen. Sie wird sich schon melden wenn sie meine Hilfe möchte. Mit dem Essen gehe ich zurück zum Esstisch und setze mich ihr gegenüber. Während dem Essen reden wir über Gott und die Welt und nebenbei checke ich meine Termine für die nächsten Wochen. In zwei Wochen habe ich die ersten Termine und ich muss mit Elli noch absprechen ob sie mitkommt oder bei Mum oder Dina bleibt.

,,Schatz, ich hab in zwei Wochen ein paar Termine in Berlin. Willst du da mitkommen oder willst du bei meiner oder deiner Mum bleiben?", frage ich gleich um es aus dem Kopf zu haben. ,,Würdest du mich mitnehmen?", fragt sie leise und schaut mich mit einem unsicheren Blick an. ,,Natürlich würde ich dich mitnehmen. Was ist das denn für eine Frage", sage ich direkt und greife nach ihrer Hand. ,,Also willst du mitkommen?" ,,Am liebsten würde ich mitkommen, ich brauche dich noch zu sehr in meiner Nähe", murmelt sie und schaut mich immer noch unsicher an. Bei ihren Worten wird es mir sofort warm ums Herz. ,,Dann kommst du natürlich mit", sage ich und drücke kurz ihre Hand. Nachdem wir zu Ende gegessen habe, setzen wir uns zusammen aufs Sofa und kuscheln ein bisschen. Eine Stunde später machen wir uns für den Tag fertig. ,,Das ist alles so anstrengend", seufzt Elli und lässt sich von mir in den Rollstuhl setzen. ,,Wenn es dir zu viel ist, können wir auch zu Hause bleiben", sage ich leise und knie mich vor sie hin. ,,Nein, ich freu mich so sehr auf deine Familie", lächelt sie und greift nach meiner Hand. ,,Okay aber du machst ganz langsam okay? Wenn etwas ist, ich bin da", sage ich eindringlich und hauche ihr einen Kuss auf den Mund. Nach einer 20 minütigen Autofahrt parke ich vor Mums Haus und kaum habe ich den Motor ausgeschaltet wird die Haustür aufgerissen.

,,Ich hab dich so vermisst", murmelt Shay und kuschelt sich an meine Brust. ,,Ich hab euch auch vermisst, so sehr", murmle ich in ihr Haar. ,,Komm ich helfe Elli mal aus dem Auto", sage ich leise und löse mich wieder von meiner Schwester. ,,Wince?", fragt Shay unsicher und schaut mich an. ,,Was los?" ,,Ich weiß nicht wie ich mit ihr umgehen soll. Darüber mache ich mir schon die ganze Zeit Gedanken", murmelt sie. ,,Auch wenn es schwer ist, versuch sie ganz normal zu behandeln okay?", seufze ich und ziehe sie nochmal in meine Arme. Nachdem ich Elli aus dem Auto geholfen habe, schließt uns erstmal Mum in ihre Arme. ,,Ich hoffe ihr habt ein bisschen Hunger mitgebracht. Shay hat einen Kuchen gebacken", lächelt Mum als wir das Haus betreten. ,,Kuchen geht immer", lache ich und schiebe Elli in den Wohnbereich, denn ich merke wie fertig sie schon ist. ,,Ich habe noch keinen Hunger", murmelt sie als ich sie an den Tisch schiebe. ,,Du musst ja nichts essen", sage ich leise und setze mich neben sie und greife nach ihrer Hand. Während dem Essen werfe ich immer mal wieder besorgte Blicke zu Elli. Irgendwie wirkt sie überhaupt nicht fit. Als es an der Haustür klingelt springt Mum gleich auf und läuft zur Tür.

,,Fühlst du dich nicht wohl?", frage ich leise und drehe mich zu ihr. ,,Ich bin irgendwie total müde", murmelt sie und reibt sich die Schläfe. ,,Willst du dich bisschen aufs Sofa legen?" ,,Ja, aber lass uns erstmal deine Großeltern begrüßen", lächelt sie tapfer. Gesagt getan begrüßen wir erstmal Oma und Opa die gerade ins Wohnzimmer kommen. ,,Hilfst du mir?", fragt Elli leise. ,,Natürlich, komm her", sage ich und drehe sie zu mir. Vorsichtig greife ich ihr unter die Arme und hebe sie aus dem Rollstuhl. ,,Alles okay?", frage ich besorgt als ich sie leise aufstöhnen höre. ,,Geht schon", murmelt sie, schließt aber schmerzverzerrt das Gesicht. ,,Du hast doch Schmerzen", sage ich einfühlsam und setze sie auf dem Sofa ab. ,,Mein Rücken", murmelt sie nach einer kurzen Stille. ,,Ich bring dir eine Wärmflasche okay?", antworte ich besorgt, greife nach einer Decke und decke sie zu. ,,Danke", haucht sie leise. ,,Bedank dich nicht immer", flüstere ich und hauche ihr einen Kuss auf die Stirn. ,,Bring sie doch in dein Zimmer. Das Bett ist bezogen", sagt Mum leise als ich in die Küche komme. ,,Ich glaube sie möchte in der Nähe bleiben", seufze ich und fahre mir durchs Gesicht. ,,Du machst das so toll Wincent. Du darfst dich aber dabei nicht vergessen", murmelt Mum und zieht mich in ihre Arme. ,,Gerade ist Elli am wichtigsten", flüstere ich und atme kurz tief ein und aus. ,,Ich weiß Wince, aber du musst auch an dich denken okay?", sagt sie einfühlsam und drückt mich enger an sich.

Den restlichen Tag haben wir bei meiner Familie verbracht bis wir gegen 21:00 Uhr in unsere Ferienwohnung gefahren sind. Trotz das Elli fast den ganzen Tag geschlafen hat, lege ich sie todmüde ins Bett. Kaum habe ich das Schlafzimmer verlassen um mich selbst bettfertig zu machen, ist sie schon eingeschlafen. Ich setze mich noch ein bisschen aufs Sofa und bin ein bisschen auf Instagram unterwegs, bis ich eine Stunde später selbst ins Bett falle. Ich flüstere noch ein leises ,,ich liebe dich", bevor ich sie enger an mich ziehe und auch erschöpft meine Augen schließe.

Wie tief muss man tauchen, bis man die Tränen nicht mehr siehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt