Kapitel 143

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Wincent

Ellis Frage nach dem Musikvideo hat mich ein bisschen ins Straucheln gebracht. Als Marvin vor ein paar Wochen mit der Idee ankam, habe ich am Anfang sehr gezögert. Aber mir gefällt das Konzept zu gut um es anders zu machen. Die Idee von Marvin verkörpert genau das, was ich mit dem Song ausdrücken möchte. Am Anfang habe ich noch überlegt Elli zu fragen ob sie nicht die Rolle der Schauspielerin einnehmen möchte, aber ich musste sie gar nicht zu fragen um ihre Antwort zu kennen. Nie würde sie sich so ,,innig" mit mir in der Öffentlichkeit zeigen. Ja es wissen viele das sie meine Freundin ist, aber in der Öffentlichkeit hält sie sich schon noch gerne zurück. Ich weiß das ich mit ihr über das Video reden muss, aber bis jetzt gab es noch keinen gescheiten Zeitpunkt und ehrlich gesagt, habe ich auch ein bisschen Schiss vor ihrer Reaktion. Jetzt schiebe ich den Gedanken mal zur Seite, denn gerade befinden wir uns auf der Autobahn in Richtung Berlin. Wir sind heute Morgen um 7:00 Uhr gleich losgefahren.

Wir brauchen noch knapp zwei Stunden bis wir endlich da sind. Elli ist vor einer Stunde eingeschlafen. Sie wurde vorhin kaum wach, auch selbstverständlich. Denn gestern hatte sie einen harten Tag. Vormittags hatten wir einen Termin bei Dr. Neumann, diese Termine nehmen sie unheimlich mit, aber wir merken beide das es uns gut tut. Am Nachmittag hatte sie noch Physiotherapie und Ergotherapie, bei der sie lernt mit alltäglichen Situationen umzugehen. Abends waren wir noch eine Runde draußen und da viel sie hundemüde ins Bett. Das Problem ist, für sie ist es nicht nur körperlich anstrengend, sondern auch für den Kopf. Sie bekommt dabei so viele Eindrücke und Geschehnisse, die sie verarbeiten muss. Aber sie macht das toll und auch ihre Therapeuten sind total begeistert von ihrer Willenskraft. Auch wenn sie das Gefühl hat als würde keine Besserung zu sehen sein, macht sie Fortschritte. Aber an dem Ziel, wieder gehen zu können sind wir leider noch ganz weit weg. Sie kann ihre Beine immer noch nicht so bewegen, das sie einen Schritt mit Hilfe machen kann. Wir haben uns aber eins versprochen, wir geben nicht auf und wenn es unser Schicksal sein soll, ist sie auch trotz Rollstuhl perfekt.

Als ich Berlin reinfahre, lege ich meine Hand an ihren Arm und streichle darüber. ,,Schatz, aufwachen. Wir sind gleich da", sage ich und schaue bei einer roten Ampel zu ihr rüber. Sie regt sich leicht, aber rührt sich nicht aufzuwachen. Also lege ich meine Hand an Bauch, denn da ist sie seit dem Unfall am empfindsamsten wenn es um Berührungen geht. Leicht streichle ich ihn und versuche nochmal mein Glück. ,,Elli, Maus wach werden." ,,Sind wir schon da", murmelt sie und reibt sie müde über die Augen. ,,In Berlin sind wir schon. Gleich sind wir auch am Büro", erkläre ich. ,,Man bin ich müde. Das nervt so", grummelt sie und schmeißt die Decke nach hinten. ,,Du kannst dich im Büro ja auch bisschen aufs Sofa legen und wenn es gar nicht geht, fahr ich dich ins Hotel", sage ich leise. ,,Ne, allein geh ich nicht ins Hotel. Schaffe das schon", lächelt sie tapfer. Eine viertel Stunde später fahre ich auf den Parkplatz von unserem Management. ,,Was war das denn", frage ich besorgt als bei Elli was knackt und setze sie in den Rollstuhl. ,,Keine Sorge, das war mein Rücken", zischt sie und verzieht ihr Gesicht. ,,Da soll ich mir keine Sorgen machen?", sage ich und knie mich vor sie. ,,Wince, es ist alles gut. Ich habe nur Rückenschmerzen. Das ist das ständige sitze, ich muss einfach meinen Rücken mehr trainieren", lächelt sie. ,,Dann wirst du dich erst recht ausruhen", sage ich eindringlich und hole unsere Sachen aus dem Auto.

,,Dann wollen wir mal", lächle ich und nehme sie auf den Arm und trage sie hoch ins Büro. ,,Moin", rufe ich als wir oben ankommen. ,,Hey, schön das ihr da seid", kommt Amelie strahlend aus der Küche. ,,Wie war die Fahrt?", fragt Anna als ich Elli auf einen Stuhl absetze. ,,War gut, sind ohne größeren Stau durchgekommen. Bin gleich wieder da", antworte ich und hole schnell den Rollstuhl. Als ich wieder nach oben komme, ist meine Freundin schon in ein Gespräch vertieft. Abwartend stelle ich mich neben sie und schaue sie an. ,,Kannst ihn erstmal zu Seite stellen? Der Stuhl ist gerade bequemer", sagt sie leise. ,,Ja klar", lächle ich und stelle den Rollstuhl erstmal an die Seite. Zuerst arbeitet jeder ein bisschen am Laptop, bis Anna und Amelie mit uns die nächsten Termine besprechen wollen. Elli möchte auch so langsam wieder ein paar Termine wahrnehmen. Wir haben lange darüber gesprochen und sind zum Entschluss gekommen, dass sie langsam wieder herangeführt wird. Vielleicht tut es ihr auch mal gut, wieder ein bisschen zu arbeiten. Zudem hat sie mir hoch und heilig versprochen noch langsam zu machen und wenn sie merkt, es wird zu viel, macht sie wieder eine Pause. ,,Wincent, denkst du dran das wir morgen Vormittag einen Termin bei Universal haben?", reißt mich Anna aus den Gedanken. ,,Um wieviel Uhr?" ,,Kannst dir eigentlich irgendwann mal was merken?", will sie belustigt wissen. ,,Ihr kennt mich doch", rede ich mich heraus. ,,Bitte sei um 10:00 Uhr vor Ort."

Plötzlich reißt mich ein Quietschen, welches von Amelie kommt von meiner Arbeit los. Verwirrt schaue ich sie an. Sie schaut Elli wie versteinert an. ,,Was ist los?", fragt Anna sie verwirrt. ,,Sagt mal, wann wolltet ihr es uns sagen?", fragt Amelie und schaut zwischen uns hin und her. ,,Elli trägt normal nie Schmuck und jetzt hat sie plötzlich einen Ring an. Das mir das nicht vorhin schon aufgefallen ist", grinst sie. Elli und ich müssen ebenfalls anfangen zu grinsen. ,,Wincent hat mir an Silvester einen Antrag gemacht", strahlt Elli. ,,Oh mein Gott, herzlichen Glückwunsch", sagt Anna und fällt erst ihr und dann mir um den Hals. ,,Warum hast du den nichts gesagt?", fragt Amelie grinsend. ,,Vergessen?", schmunzle ich. ,,Na toll", kichert Elli. Sofort prasseln dutzend Fragen auf uns ein. ,,Lasst euch überraschen. Bald bekommt ihr mehr Infos", lacht Elli irgendwann. ,,Ihr mit eurem bald", brummt Anna und widmet sich wieder ihrem Laptop zu. Gegen 17:00 Uhr verabschieden wir uns für heute und fahren zu unserem Hotel.

,,Schatz, wärst du mir böse wenn ich mich bisschen ins Bett lege?", fragt Elli unsicher als wir das Hotelzimmer betreten. ,,Nein, natürlich nicht. In der Zeit geh ich gerade bisschen Sport machen", lächle ich und küsse sie kurz. Nachdem sie sich ins Bett gekuschelt hat, schnappe ich mir Alibimäßig ein Handtuch und etwas zu trinken und verlasse das Hotelzimmer. Um ehrlich zu sein, habe ich keine Lust Sport machen zu gehen. Zielstrebig fahre ich mit dem Aufzug in die Tiefgarage und steige in mein Auto.

Wie tief muss man tauchen, bis man die Tränen nicht mehr siehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt